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Krüsken: „Das BMEL hat uns vor vollendete Tatsachen gestellt!“

Der Deutsche Bauernverband (DBV) fühlt sich bezogen auf die Zusagen der Bundesregierung für eine Nachschärfung der Düngeverordnung vor „vollendete Tatsachen“ gestellt. Die vom Bundeslandwirtschaftsministerium aufgebaute Angst vor Zwangsgeldern hält DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken für völlig überzogen.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Verlässlichkeit und Planungssicherheit in politische Entscheidungen wird nach Ansicht von DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken durch die Ankündigung einer neuen Düngeverordnung mit „einem Federstrich der Administration beiseite gewischt“. Wenn die Vorschläge so umgesetzt würden, drohe ein noch stärkerer Strukturwandel, kritisiert Krüsken im Interview mit top agrar.

In welcher Form ist der Deutsche Bauernverband (DBV) vom Bundesumwelt- (BMU) und Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) über die geplanten Änderungen vorab informiert worden?

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Krüsken: Der DBV war weder vom BMEL vorab in die Verhandlungen eingebunden noch vor einer Einigung zwischen BMU und BMEL über die Novelle der Düngeverordnung im Bild. Von Seiten des BMEL wurden wir im November darüber informiert, dass die Gespräche mit der EU-Kommission schwierig verlaufen und wo deren Hauptkritikpunkte liegen. Wir waren davon ausgegangen, dass sich diese aus unserer Sicht nicht tragbare Kritik in den Verhandlungen ausräumen lässt. Das Verhandlungsergebnis wurde uns dann im Dezember präsentiert, zusammen mit dem Umstand, dass das alles bereits zwischen BMU und BMEL geklärt sei. Für diese Taktik der „vollendeten Tatsachen“ haben wir kein Verständnis.

BMEL-Staatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens spricht von einem alternativlosen Vorgehen und einem drohenden weiteren Vertragsverletzungsverfahren mit hohen Zwangsgeldern. Können Sie diese Argumentation nachvollziehen?

Krüsken: Nein, und zwar aus mehreren Gründen. Zwangsgelder wären bei der alten Düngeverordnung mit Sicherheit fällig gewesen. Bezogen auf das neue Düngerecht wäre sofort verhängte Zwangsgelder eine grobe Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – auch im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten, die ähnliche Diskussionen mit der Kommission führen. In der Sache fehlt zudem die Grundlage. Das Verfahren stützt sich auf eine subjektive Interpretation, die aus unserer Sicht unzulässig ist. Die neue Düngeverordnung wirkt, und zwar in vielen Regionen und für viele Betriebe äußerst schmerzhaft. Eine Beurteilung, ob die neue Düngeverordnung ausreicht, die Ziele der Nitratrichtlinie zu erreichen, sollte an der Wirkung der Verordnung anhand von Veränderungen in Bewirtschaftung, Nährstoffbilanzen und Tierhaltung festgemacht werden und nicht am grünen Tisch.

In einer ersten Reaktion auf die angekündigten Änderungen hat der Bauernverband von einem "Vertrauensbruch" gesprochen. Worin begründet sich dieser?

Krüsken: Alle Beteiligten – Bund, Länder, Landwirtschaft und Wasserwirtschaft - haben lange um das neue Düngerecht gerungen. Ein wichtiger, von allen Seiten akzeptierter Grundsatz war Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Das wird nun mit einem Federstrich der Administration beiseite gewischt. Grundwasser hat ein langes Gedächtnis und die Betriebe müssen langfristig planen. Düngerecht muss wirken können. Änderungen im Jahrestakt helfen der Wasserqualität nicht und setzen nur die Betriebe unter Druck.

Zu welchem Ergebnis hätten BMU und BMEL aus Ihrer Sicht in den Verhandlungen mit der Kommission kommen müssen?

Krüsken: Das ist zum einen eine politische Frage und zum anderen geht es nicht um technische Korrekturen, sondern um handfeste neue materielle Rechtsetzung. Das kann man nicht in administrativen Zirkeln diskret regeln. So wie das Verfahren bis jetzt gelaufen ist, sind Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat effektiv düpiert. Mindestens hätte man Zeit gewinnen müssen, um die Wirkung des neuen Düngerechts beurteilen zu können. Der nächste Nitratbericht kommt beispielsweise 2020.

Welche Auswirkungen werden die angekündigten Anpassungen der Düngeverordnung für die Betriebe in den mit Nitrat belasteten Gebieten (die sog. "roten Gebiete") haben?

Krüsken: Die Auswirkungen werden gravierend sein, denn sie sind eine Abkehr von der bedarfsgerechten Düngung. Zudem wird der kooperative Gewässerschutz weiter ausgehebelt. Nach den Vorschlägen des BMEL soll es zusätzlich eine Öffnungsklausel von der Öffnungsklausel geben. Diese lässt den Ländern für Verschärfungen freie Hand. Das kann viel Sprengstoff bergen.

Rechnen Sie mit einer deutlichen Abstockung der Tierbestände in den roten Gebieten, so wie in den Niederlanden?

Krüsken: Das ist eine reale Gefahr und wird den Strukturwandel mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter beschleunigen.

Das BMEL erwartet durch die Streichung des Nährstoffausgleichs und des Kontrollwerts für den zulässigen Überschuss von 60 kg N/ha sowie die Einführung einer schlagspezifischen Aufzeichnungspflicht, dass es für Ackerbaubetriebe in unterversorgten Regionen wesentlich attraktiver wird, Gülle und Gärreste aufzunehmen. Sehen Sie das auch so?

Krüsken: Das ist stark zu bezweifeln, denn die Stoffstrombilanz wird in der Wirkung gleich sein und Ackerbaubetriebe an der Abnahme von Wirtschaftsdüngern hindern.

Bund und Länder haben das Messnetz 2015 überarbeitet und erweitert. Wie repräsentativ sind die Messergebnisse aus Ihrer Sicht jetzt?

Krüsken: Im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten ist das von Deutschland für die Nitratrichtlinie nach Brüssel gemeldete Messnetz relativ klein. Im Sinne der Repräsentativität bedarf es nach wie vor einer substanziellen Verbreiterung des Messnetzes und einer größeren Ausgewogenheit. Vor allem ist es dringend erforderlich, in den roten Gebieten (Anm. d. Red.: Gebiete über Grundwasserkörpern, bei denen an mehr als zwei Messstellen der Nitratwert 50 mg/l Grundwasser überschreitet) eine Binnendifferenzierung vorzunehmen und die Maßnahmen auf die tatsächlichen roten Messstellen zu beziehen.

Die Bundesregierung hat ihre Änderungsvorschläge für die Düngeverordnung bereits offiziell der EU-Kommission übermittelt. Jetzt folgt in Deutschland das parlamentarische Verfahren mit Verbändeanhörung und Bundesratsbefassung. Wie werden Sie sich in der Verbändeanhörung positionieren?

Krüsken: Noch ist das Verfahren ja nicht angelaufen. Wir hören, dass auch die Bundesländer nicht begeistert sind. Mit den beabsichtigten Änderungen geht auch ein Stück innere Logik des Düngerechts verloren, beispielweise im Zusammenspiel mit der Stoffstrombilanz oder bei der Definition der „roten Gebiete“. Das muss man prüfen. Wir erwarten zudem, dass die Bundesregierung in Brüssel politisch dafür wirbt, dass Deutschland Zeit bekommt, um das umfassend novellierte neue Düngerecht umsetzen zu können und zu seiner Wirkung zu verhelfen.

Welche Reaktion erwarten Sie von den Bundesländern? Empfehlen Sie Ihnen, die Vorschläge des Bundes ablehnen?

Krüsken: Der Geist ist sozusagen aus der Flasche, es wird Änderungen geben. Ich halte es aber für eine Illusion, die Änderungen im Handstreich durch das Gesetzgebungsverfahren zu bringen. Wir laufen Gefahr, die Diskussion um das Düngerecht in Gänze zu wiederholen. Auch das wäre ein Problem für Planungssicherheit und Verlässlichkeit politischer Entscheidungen.

Das BMEL will die betroffenen Betriebe begleiten und u.a. ein Gülleprogramm auflegen. Was muss dieses beinhalten und wie sollte es finanziell ausgestattet sein?

Krüsken: Gefördert werden sollte in den Ländern die Ausdehnung der Lagerkapazität von Wirtschaftsdüngern und die Anschaffung emissionsmindernder Ausbringungsgeräte. Erforderlich wäre aber auch ein flächenbezogenes Programm für eine besonders gewässerschonende Landbewirtschaftung.

Vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals

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