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Labels wollen mit Biodiversität punkten

Bei ersten Qualitätssiegeln soll die Biodiversität eine größere Rolle spielen. In Baden-Württemberg läuft dazu ein Pilotprojekt mit 15 Ackerbauern. Was steckt dahinter? Ein Meter breite Blühstreifen und der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel.

Lesezeit: 7 Minuten

Bei ersten Qualitätssiegeln soll die Biodiversität eine größere Rolle spielen. In Baden-Württemberg läuft dazu ein Pilotprojekt mit 15 Ackerbauern. Was steckt dahinter?


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Ein Meter breite Blühstreifen und der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel. Das ist für Roland Waldi und seine Erzeugergemeinschaft (EZG) Kraichgau Korn seit 26 Jahren gelebte Praxis im Getreideanbau: „Damit heben wir uns nicht nur vom Wettbewerb ab, sondern engagieren uns auch für mehr biologische Vielfalt auf dem Acker. Unsere Kunden honorieren das“, sagt der Landwirt und Vorsitzende der EZG aus Maisbach in Baden-Württemberg.


15 Testbetriebe


Das Engagement seiner EZG in Sachen Biodiversität geht aber noch weiter: Denn zurzeit probieren einige der insgesamt 45 Ackerbauern gemeinsam mit Berufskollegen der EZG Linzgau Korn einen ganzen Katalog an Maßnahmen zur Steigerung der Artenvielfalt auf ihren Äckern aus.


Hintergrund dafür ist ein dreijähriges Pilotprojekt des Landwirtschaftsministeriums (MLR) in Stuttgart, das von der EU gefördert wird. „Unser Ziel ist, praktikable Maßnahmen im Getreideanbau zu finden, die sich nachweislich positiv auf die Biodiversität auswirken, gleichzeitig aber die Ökonomie der Betriebe nicht gefährden“, sagt Bruno Krieglstein vom MLR. Mit den Ergebnissen wolle man letztlich die Nutzer des Qualitätszeichens Baden-Württemberg „QZBW“ bei ihren individuellen Top-ups zur Biodiversität unterstützen.


Den Anstoß dazu gab das MLR als Zeichenträger von QZBW selbst. Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sei daran bisher nicht beteiligt, so Krieglstein. Allerdings initiiere der LEH derzeit ähnliche Projekte z.B. im Obstbau. Ob bestimmte Anforderungen in das Qualitätssiegel QZBW integriert würden, hänge von den Ergebnissen ab.


Bisher gibt es erste Praxiserfahrungen, aussagekräftige Resultate liegen vermutlich im Herbst 2019 vor. Sie sollen dann auch in das größer angelegte LIFE-Projekt der EU fließen, das ebenfalls Biodiversitätskriterien für Qualitätstandards und Labels im Lebensmittelbereich entwickeln soll.


Katalog an Maßnahmen


In der Pilotphase wählte jeder Praktiker aus einem Katalog diejenigen Maßnahmen aus, die am besten zu seinem Betrieb und an seinen Standort passen. „Im Fokus steht bei allen Maßnahmen, Ackerwildkräuter zu fördern sowie Lebensräume für Vögel und Insekten zu erhalten oder neue zu schaffen“, sagt Dr. Kerstin Fröhle von der Bodensee-Stiftung in Radolfzell. Sie betreut im Auftrag des MLR die praktische Durchführung des Projektes auf den Höfen. Begleitend dazu erfasst das Institut für Agrarökologie und Biodiversität (IFAB) in Mannheim die Artenvielfalt auf den Äckern.


Neben Blühstreifen stehen unter anderem folgende Maßnahmen zur Wahl:

  • Weitreihige Saat auf mindestens 10 bis 20% des Getreideschlages. Das heißt, nach drei normal eingesäten Reihen lässt man zwei aus.
  • Anlage von Lichtäckern: Bei einem Schlag wird auf zwei Arbeitsbreiten die normale Aussaatstärke halbiert.
  • Verzicht auf das Striegeln auf einer Teilfläche des Wintergetreides.
  • Anbau einer überwinternden Zwischenfrucht.
  • Mehr Sommerungen: Ihr Anteil sollte mindestens bei 20% liegen.
  • Hochschnitt oder ungemähte Streifen im Kleegras: Bei der Ernte eines Leguminosen-Gras-Gemenges sollten bei jedem Schnitt mindestens 12 cm oder 3 bis 20% des Aufwuchses stehen bleiben.
  • Anlage von Feldlerchenfenstern, Stein- oder Totholzhaufen, Anpflanzung von Hecken und Bäumen am Feldrand, Anbringung von Nisthilfen.

Den beiden Erzeugergemeinschaften Kraichgau Korn und Linzgau Korn ist es im Laufe der Zeit gelungen, ihr Getreide zu einer echten Regionalmarke zu entwickeln. „Die bunten Blühstreifen in der Landschaft sind zu unserem Aushängeschild geworden“, sagt Biolandwirt und EZG-Mitglied Richard Gasse aus Ilmensee.


Nicht zuletzt dank einer aktiven Kommunikationsstrategie steige die Nachfrage. „Zwar langsam, dafür aber kontinuierlich“, betont Josef Baader von der Landbäckerei Baader in Frickingen am Bodensee. Der Bäcker gründete die EZG Linzgau Korn und lobt die Produktionskriterien in seinen acht Filialen aus. Nach eigenen Angaben erzielen die Bauern mit ihrem Getreide höhere Preise als der Wettbewerb: „Wir liegen im Schnitt bei einem Mehrpreis von 5 bis 8 €/dt gegenüber konventionellem E-Weizen“, so Roland Waldi von Kraichgau Korn.


Praktikable Maßnahmen aus dem Pilotprojekt wollen beide EZG in ihre Richtlinien einbauen: „Damit können wir unsere Regionalmarke weiter entwickeln und die Wertigkeit unseres Getreides steigern“, meint Baader.


Mehr Arbeit ohne Erlös?


Die Praktiker sehen allerdings auch eine Gefahr. „Wenn die Maßnahmen nicht praktikabel sind, einen hohen zusätzlichen Aufwand oder Einbußen bedeuten, die nicht honoriert werden, werden wir uns mit einer Umsetzung auf breiter Front schwer tun“, sagt Roland Waldi.Ob eine Förderung über das Agrarumweltprogramm in Baden-Württemberg FAKT möglich sei, könne man laut Krieglstein vom MLR erst nach der Pilotphase prüfen und sei auch von der neuen GAP abhängig. Er ist optimistisch: „Wenn die Marketing-Konzepte Handel und Verbraucher überzeugen, werden auch die ökonomischen Rahmenbedingungen für eine solche Produktion attraktiv sein.“ Die aktuellen Entwicklungen bei der Heumilch seien dafür ein gutes Beispiel.


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Breitere Blühstreifen


Dass die Blühstreifen künftig 3 statt nur 1 m breit sein sollen, befürwortet Roland Waldi aus Maisbach im Rhein-Neckar-Kreis. „Wichtig ist, dass sie zur Arbeitsbreite der Maschinen und zu den Schlaggrößen passen“, sagt der Landwirt, der 52 ha bewirtschaftet und ein Lohnunternehmen führt. Andere Maßnahmen aus dem Testkatalog des Pilotprojektes, wie etwa die weitreihige Saat oder der Striegelverzicht in Blühstreifen, sind für ihn derzeit nicht praktikabel. Den Boden für die meist einjährige Blühmischung bearbeitet er im Herbst – wie die übrige Getreidefläche – mit der Scheibenegge und im zeitigen Frühjahr mit dem Striegel. Später folgt die Aussaat. „Der Unkrautdruck ist beherrschbar. Aber bei den wertvollen Arten sehen wir noch Potenzial.“



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„Mehr Arten, mehr Aufwand


Biolandwirt Richard Gasse will Artenvielfalt und Arbeitswirtschaft in Einklang bringen.


Heckensäume, 3m breite Blühstreifen sowie Steinriegel und Totholzhaufen am Feldrand: „Wir probieren vieles aus, um die Artenvielfalt auf unseren Flächen zu erhöhen“, sagt Richard Gasse vom Lorenzhof in Ilmensee im Landkreis Sigmaringen.


Das mehrjährige Kleegras und die 60 ha Grünland mäht der Heumilch-Betrieb mit 45 Kühen in Etappen, um den Lebensraum von Insekten und Schmetterlingen nicht auf ei-nen Schlag zu zerstören. „Eine Stellschraube wäre die Anschaffung eines Messerbalkens“, sagt der Biolandwirt. Zurzeit mäht er die drei bis vier Schnitte mit zwei Scheibenmähwerken plus Aufbereiter. Wenn er im Acker irgendwo Feldlerchen vermutet, lässt er das Striegeln sein. „Natürlich ist das immer ein Kompromiss zu einer effizienten Arbeitswirtschaft.“


Die Blühstreifen, die seit der Gründung seiner Erzeugergemeinschaft Linzgau Korn vor zehn Jahren ein wesentliches Produktionskriterium sind, legt er bei jeder Hauptfrucht an. Auf den 60 ha Acker machen sie pro Jahr insgesamt 0,5 bis 1 ha aus.


Regionale Mischung


Der Imker setzt auf eine an die Region Linzgau angepasste mehrjährige Mischung aus heimischen Wildpflanzen. Mit 350 bis 450 €/ha hat sie allerdings ihren Preis. „Es lohnt sich, die Mischungen zu vergleichen. Nicht alle enthalten viele bienenfreundliche Arten und bieten einen langen Blühaspekt.“Neben Phacelia, Sonnenblume und Saatwicke sind Ringelblumen, Dill, Kleearten, Kornblumen und Malven enthalten. Das Saatbeet bereitet Schwiegervater Franz Lorenz mit Pflug und Kreiselegge vor und sät die Mischung in der zweiten Aprilhälfte aus. Vor der nächsten Hauptkultur mulcht und pflügt er sie.


Die beiden Praktiker freuen sich, wenn sie auf seltene Ackerwildkräuter wie Ackerröte, Acker-Gauchheil und Ackerstiefmütterchen stoßen. Verhindern würde Richard Gasse allerdings gerne, dass manche Arten aus den Blühstreifen auch im Folgejahr stark durchkommen – wie dieses Jahr die Saatwucherblume.


Oft nur einjährig


Dass der Demeter-Landwirt die Randstreifen überjährig stehen lässt, ist selten: „Das Risiko der Einwanderung von Unkräutern wie Disteln und Ampfer ins Getreide hält uns davon ab.“ Auch bei der Pflege solcher Bestände ist er unsicher. „Reicht es, sie im Frühjahr zu mulchen oder soll man das Mähgut abfahren“, fragt er sich. Zu Saisonbeginn sei das nicht zuletzt auch ein arbeitswirtschaftliches Problem.

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