Europäische Exporte verdrängen die Produkte der Kleinbauern weltweit. Das war der Tenor auf der diesjährigen Ernährungskonferenz des katholischen Hilfswerks MISEREOR am 27. November in Berlin.
An den Lebensmitteln "Zucker" und "Milch" wurde aufgezeigt, wie der Verdrängungsdruck auf kleinere landwirtschaftliche Betriebe weltweit abläuft. Dr. Sagari Ramdas von der indischen MISEREOR.Partnerorganisation Food Sovereignty Alliance machte deutlich: "Großmolkereien aus Europa stellen Produkte auf Milchpulverbasis her und beliefern lokale Märkte in Entwicklungsländern. Das gefährdet die Existenz dortiger Kleinproduzenten, die nicht mit den Billigimporten konkurrieren können. Ihr Beitrag zur Ernährung der lokalen Bevölkerung wird geringer und ein wichtiges Potential der Armutsbekämpfung ist nicht ausgeschöpft. So schafft zum Beispiel die Produktion von einer Million Liter Milch in Bangladesch 300 Arbeitsplätze und damit Einkommen für viele Familien. In Deutschland dagegen sind es nur drei Arbeitsplätze."
Auch in Indien spitzt sich die Situation weiter zu. "Wenn die gerade wieder aufgenommenen Gespräche über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien zum Wegfall von Zöllen auf Milchprodukte führen, werden noch mehr indische Milchviehhalter vom Markt verdrängt", so Ramdas.
Alle Bauern gleichermaßen von Strukturwandel betroffen
Fallende Milchpreise und die Weltmarktorientierung der Großmolkereien sind Entwicklungen, die auch in Europa auf Kosten der Bauern gehen. Gewinner sind einige wenige Molkereien. Durch den Strukturwandel mussten hierzulande in den letzten acht Jahren 23.500 Milchbetriebe ihre Produktion einstellen.
"Es herrscht eine Situation von 'wachse oder weiche', die Bauernhöfe verschwinden lässt, Vielfalt reduziert und zum Wandel unserer Kulturlandschaft führt", sagte MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel. Das Ergebnis dieses Prozesses sei nicht eine bessere Versorgung der Bevölkerung oder ein Beitrag zur Hungerbekämpfung, sondern höhere Gewinne für Wenige auch durch die Ausweitung des Exportes von billig produziertem Milchpulver etwa nach Afrika. "Das nützt einigen Großproduzenten und schadet vielen. So wie in den Entwicklungsländern werden auch in Deutschland Kleinbetriebe und Nebenerwerbslandwirte von der Politik eher ignoriert", so Spiegel.
Aus der Sicht von MISEREOR haben bisherige politische Konzepte weltweit weder Hunger noch Fehl- und Mangelernährung beseitigt. Die Milchproduktion sei für lokale und regionale Märkte ein großes Potential zur Armutsbekämpfung. Sie wird von über 120 Mio. Betrieben mit durchschnittlich 2,9 Kühen gewonnen.
"Kleinbauern leisten einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit in vielen Teilen der Welt und sind Rückgrat der Landwirtschaft. Trotz anders lautender Lippenbekenntnisse werden sie aber in ihrer Bedeutung von der Politik häufig nicht wahrgenommen oder sogar ins Aus getrieben. Das muss sich ändern", betonte Spiegel.