Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus News

Ökolandbau: “Die Ökonomie steht der Umstellung nicht im Weg“

Die Biobranche fühlt sich von Landwirtschaftsministerin Klöckner zu wenig beachtet. Bis zu den für 2030 anvisierten 20 Prozent Ökolandbau ist es noch ein weiter Weg. Über Agrarpolitik, Ökonomie, Psychologie und Hofnachfolge sprach top agrar mit dem Vorsitzenden des Bio-Dachverbandes BÖLW, Dr. Felix Prinz zu Löwenstein.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Biobranche fühlt sich von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner bisher zu wenig beachtet. Bis zu den für 2030 anvisierten 20 Prozent Ökolandbau ist es noch ein weiter Weg. Über Agrarpolitik, Ökonomie, Psychologie und Hofnachfolge sprach top agrar mit dem Vorsitzenden des Bio-Dachverbandes BÖLW, Dr. Felix Prinz zu Löwenstein.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

top agrar: Wie zufrieden sind die Ökobetriebe mit der von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner eingeschlagenen Politik?


Zu Löwenstein: Es hat bis jetzt viele große Runden gegeben. Aber die haben noch zu keiner Gestaltung beigetragen. Ich sehe derzeit noch nicht, wo es hin geht. Das 20-Prozent-Ziel für den Ökolandbau aus dem Koalitionsvertrag ist Klöckner jedenfalls noch nicht mit eigenen Initiativen angegangen. Das macht mich eher unzufrieden.


Wo erwarten Sie mehr Akzente von Klöckner?


Zu Löwenstein: Vor allem zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Es geht darum, ob man das bestehende System unter neuen Überschriften fortsetzt oder ob man sich wirklich an die Lösung der drängenden Probleme von Wasserqualität über Biodiversität bis hin zum Klimawandel macht. Klöckner könnte Bio als Leitbild für einen notwendigen Umbau nutzen.


Welche Reformschritte halten Sie beim jetzigen Stand der Diskussion zur GAP für realistisch?


Zu Löwenstein:Wir brauchen eine Agrarpolitik, die gezielt Leistungen honoriert, die Bauern für die Gesellschaft erbringen, die der Markt aber nicht bezahlt. Für die Einführung dieses Leistungsmodells brauchen wir eine klare Zeitschiene, damit sich die Bauern und der Markt inklusive des Pachtmarktes drauf einstellen können. Man kann aus dem, was die EU-Kommission vorgeschlagen hat, durchaus noch was machen.


„Der Ökolandbau wird nicht gefördert, weil man Biobauern so gern mag“





Was denn?


Zu Löwenstein:Der Leistungsansatz ließe sich mit den jetzt diskutierten Eco-Schemes aus dem Kommissionsvorschlag umsetzen. Es mangelt aber an Entschlossenheit, das auch durchzuziehen. Die Kommission legt nicht fest, welchen Umfang die Eco-Schemes ausmachen sollen, auch Frau Klöckner hat sich noch nicht dazu geäußert. Es kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen, wenn das die Mitgliedstaaten unterschiedlich machen. Wir fordern, dass 70 Prozent der gesamten EU-Mittel, also erste und zweite Säule, für mehr sauberes Wasser, Artenvielfalt, Klimaschutz und Tierwohl ausgegeben werden. Mir ist dabei völlig klar, dass wir dahin einen Weg beschreiten müssen und das nicht plötzlich ab 2020 gelten kann. Wir müssen aber jetzt engagiert damit anfangen.


Die Bundesregierung will 20 Prozent Ökolandbaufläche bis 2030 erreichen. Ist die Finanzierung der Umstellungs- und Ökoprämien dafür gesichert?


Zu Löwenstein:Der Ökolandbau wird ja nicht gefördert, weil man Biobauern so gern mag, sondern weil er ein System etabliert hat, das viele der gefragten Leistungen für die Biodiversität, den Klima- und Umweltschutz und das Tierwohl erbringt. Und weil der Ökolandbau bereits ein Kontrollsystem hat, was die Sache leichter administrierbar macht. Außerdem hat der Ökolandbau einen Markt, der die Zielerreichung unterstützt. Die Agrarpolitik muss deshalb sicherstellen, dass die Mittel ausreichen, um die Umstellungen hin zum 20-Prozent-Ziel zu finanzieren. Das muss so geschehen, dass nicht finanzschwache Länder, denen es schwer fällt die Kofinanzierung von 50 Prozent aufzubringen, aus den Förderprogrammen aussteigen.


Woher soll das Geld kommen?


Zu Löwenstein: Das hängt von der Ausgestaltung der Förderinstrumente ab. Wenn das mit der Zweiten Säule nicht funktioniert, dann aus der Ersten Säule über die Eco-Schemes.


„Wir werden weiter ein großes Wachstum im Biomarkt haben“


Auch im Ökolandbau gibt es mit zunehmendem Wachstum einen harten Preiskampf. Lässt sich der höhere Aufwand auch langfristig am Ökomarkt wieder reinholen?


Zu Löwenstein:Wir haben in den letzten zehn Jahren den Umsatz mit Bio verdreifacht und die Erzeugung verdoppelt. Bis auf wenige Märkte haben wir einen dringenden Bedarf nach mehr Rohstoffen in Ökoqualität. Wir werden weiter ein großes Wachstum im Biomarkt haben, da ist mir nicht sehr bang. Selbstverständlich muss auch Biolandbau die Marktbedingungen im Blick behalten. So sagen wir derzeit allen Milchbauern, die umstellen wollen, dass sie das nur tun sollen, wenn sie einen Abnahmevertrag mit einer Molkerei in der Tasche haben. Sonst ruinieren wir den Bio-Milchmarkt auch noch.


Ist die Furcht von Landwirten unberechtigt, dass sie auf Grund des höheren Aufwands wirtschaftlich nicht hinkommen könnten?


Zu Löwenstein:Das Risiko für einen Ackerbauern auf Bio umzustellen ist relativ klein, weil er nach fünf Jahren wieder aussteigen könnte, wenn er es nicht hinbekommt. Für Tierhalter, die in Ställe investieren müssen, ist es höher. Aber Planungsunsicherheiten wie stark schwankende Preise sind im Bio-Markt seit langem deutlich geringer als im konventionellen Markt.


Woran liegt es, dass wir nur bei 8 Prozent Ökolandbaufläche und 11 Prozent Ökobauern sind, wenn es keine wirtschaftlichen Gründe dafür gibt?


Zu Löwenstein:Besonders die Zuwächse bei den Bio-Betrieben der vergangenen zwei Jahre sind beeindruckend. Die Ökonomie steht der Umstellung nicht im Weg. In den vergangenen 20 Jahren gab es nur fünf, in denen die Einkommen der Ökobauern unter denen der Konventionellen lagen. Es liegt eher an der Psychologie. Es gibt immer noch den bangen Blick auf den Nachbarn und was der dazu sagt, wenn ich umstelle. Es ist die Furcht, nicht zurecht zu kommen, wenn man die Chemie aus der Hand gibt. Und es liegt an der Ausbildung. Wenn in den Landwirtschaftsschulen Ökolandbau zwar unterrichtet wird, er aber kein Prüfungsfach ist, dann ist doch klar, dass das Fach nicht so ernst genommen wird.


Was für Verbesserungen können Ökolandwirte von der Reform der EU-Ökoverordnung erwarten?


Zu Löwenstein:In vielen Bereichen wird es mit dem neuen Recht Kontinuität geben. Es gibt Veränderungen zum Beispiel bei Importregeln, beim Saatgut oder der Geflügelhaltung. Bestätigt wurde außerdem die Prozessorientierung der Öko-Kontrolle, auch wenn es weiter Diskussionen darüber gibt, wie mit Kontaminationen von Pflanzenschutzmitteln von konventionellen Nachbarfeldern umzugehen ist.


„Was sind die Bestimmungsgründe einer geglückten Hofnachfolge?“





Ist es ratsam mit der Umstellung zu warten, bis die neuen Regeln der Ökoverordnung 2021 in Kraft treten?


Zu Löwenstein: Auch wenn einige wichtige Detailregeln noch in Diskussion sind, steht der wesentliche Rahmen fest. Die Betriebe wissen, was auf sie zukommt.


Gibt es Zahlen dazu, ob die Hofnachfolge bei Ökobetrieben anders aussieht als bei konventionellen Betrieben?


Zu Löwenstein: Nein, keine die ich kenne. Ich fände es aber wichtig, unabhängig von der Wirtschaftsweise zu untersuchen, was die Bestimmungsgründe einer geglückten Hofnachfolge sind. Denn dann könnte man helfen, in der Hofübergabe weniger falsch zu machen. Wichtig ist ganz sicher, dass der Beruf des Landwirts und der Landwirtin nicht nur ökonomisch funktioniert, sondern auch Anerkennung findet und Freude macht. Da erlebe ich auf Biobetrieben viel Hoffnungsvolles.


Das Gespräch führte top agrar Berlin Korrespondentin Stefanie Awater-Esper

 

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.