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Sind Versicherungen die Lösung?

Angesichts zunehmender Wetterextreme wird derzeit auch über staatlich geförderte Versicherungslösungen diskutiert. Das sagen, Politiker, Wissenschaftler und Versicherer dazu.

Lesezeit: 10 Minuten

Durch die Dürre haben in diesem Jahr viele Landwirte mit drastischen Ertragseinbußen zu kämpfen. Bund und Länder reagierten zwar mit Hilfsmaßnahmen auf die Ertragseinbußen vieler Landwirte durch die lang anhaltende Trockenheit. Die Politik und die Gesellschaft sehen wiederkehrende ad hoc-Hilfen aber zunehmend kritisch. Daher sind verschiedene Maßnahmen zur Risikoabsicherung in der politischen Diskussion. Im ersten Teil unserer Serie stand die Risikoausgleichsrücklage im Fokus (top agrar 10/2018, Seite 44). Im zweiten Teil geht es um Versicherungslösungen.

Zurzeit schließen nur wenige Landwirte eine Dürreversicherung ab. Vielen ist die Prämie zu teuer. Gegenwärtig sind deutschlandweit weniger als 0,1 % der insgesamt versicherten Fläche gegen Trockenheit versichert.

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Bei den derzeit angebotenen Indexversicherungen gegen Dürre orientiert sich die Zahlung der Versicherungsentschädigung nicht am tatsächlichen individuellen Schaden des Landwirtes. Dieser bekommt nur eine Entschädigung, wenn ein bestimmter Schwellenwert erreicht wurde. Entsprechende Indexversicherungen bieten unter anderem die Vereinigte Hagel, die Münchener und Magdeburger und die Versicherungskammer Bayern an.

Bisher keine Förderung

Für Ackerbauern gibt es bisher keine Mehrgefahrenversicherung, die auch Dürre- oder Hochwasserschäden abdeckt und staatlich gefördert ist. Rein rechtlich könnten 70 % der Versicherungsprämien aus öffentlichen Mitteln subventioniert werden. Deutschland macht von dieser Möglichkeit in der aktuellen Förderperiode keinen Gebrauch. Angesichts zunehmender Wetterextreme fordern Landwirte zumindest für einzelne Produktionsbereiche (Obst, Wein, Gemüse) aber zunehmend, dass der Bund Prämien von Mehrgefahrenversicherungen gegen Extremwetterereignisse subventionieren solle.

Darüber hinaus gibt es eine steuerliche Ungleichbehandlung: Für die Mehrgefahrenversicherung für Hagel, Sturm und Überschwemmungen gilt ein ermäßigter Versicherungssteuersatz von 0,03 % der Versicherungssumme. Bei einer Dürreversicherung gilt ein Steuersatz von 19 % der Versicherungsprämie.

Wir zeigen auf, wie

  • die Politik,
  • die Ökonomen Prof. Norbert Hirschauer und Prof. Oliver Mußhoff und
  • die Vereinigte Hagel die Subventionierung von Prämien einordnen.

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Bund und Länder liebäugeln mit Förderung

In anderen EU-Ländern profitieren Landwirte zum Teil von hohen Prämiensubventionen. Dort werden die Prämien aus nationalen und/oder EU-Mitteln in Höhe von 50 bis 70% gefördert. Gleichzeitig müssen die Landwirte dort für Versicherungspolicen gegen Dürre nur eine geringe Steuer zahlen.

Doch staatliche Förderung?

Insgesamt profitieren EU-weit Landwirte in 18 Ländern von der Förderung von Risikoinstrumenten. Auch deshalb spricht sich die EU-Kommission in ihren Vorschlägen zur GAP-Reform für einen Ausbau staatlich geförderter Versicherungslösungen aus – gegebenenfalls sogar als verpflichtendes Förderelement für die Mitgliedstaaten. Bund und Länder reagieren derzeit noch ablehnend auf diesen Vorschlag. Sie sind gegen eine obligatorische Aufnahme der Förderung des Risikomanagements in die nationalen Strategiepläne, die die Grundlagen für die künftige EU-Förderung ab 2021 sind. Ob die Mitgliedstaaten Unterstützungen von z.B. Mehrgefahrenversicherungen anbieten, sollten diese nach Auffassung der deutschen Regierung frei entscheiden können.

Im Rahmen der Agrarministerkonferenz in Bad Sassendorf Ende September wurde deutlich, dass die Länderagrarminister eine bessere Risikoabsicherung in der Landwirtschaft durchaus als notwendig ansehen. Eine Mehrheit der Bundesländer spricht sich für einen moderaten Einstieg in die Förderung von Risikoinstrumenten für bestimmte Sektoren und Risiken aus, bei denen ansonsten kein Versicherungsangebot zu wirtschaftlich tragfähigen Kosten besteht. Das gelte z.B. für Sonderkulturen wie Wein, Obst und Gemüse. Der Bund solle sich im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) finanziell an den Kosten beteiligen. Es könnte geprüft werden, ob die GAK hierzu um einen neuen Fördertatbestand „Risikomanagement“ erweitert werden kann.

Auch für den Deutschen Bauernverband können Versicherungen ein Teil der Lösung sein. Bevor staatliche Bezuschussungen diskutiert würden, müsse jedoch geklärt sein, ob z.B. Dürreversicherungen versicherungstechnisch darstellbar und für den Landwirt sinnvoll kalkulierbar sind. Eine pauschale Bezuschussung von Prämien mache für den DBV keinen Sinn.

Studie soll Varianten analysieren

Die Agrarminister fordern den Bund nun auf, eine Studie in Auftrag zu geben, welche die konkreten Varianten verschiedener Versicherungslösungen mit und ohne staatlicher Bezuschussung für den Bereich Sonderkulturen und für eine allgemeine Mehrgefahrenversicherung analysiert. Dabei soll die Studie auch die Erfahrungen anderer Mitgliedsstaaten berücksichtigen und ebenso den finanziellen Bedarf an Fördermitteln erfassen, um eventuelle Zuschüsse zu Versicherungsprämien zu ermitteln.

Beschließt die Politik tatsächlich die Subventionierung von Versicherungsprämien, wäre es möglich, dies über Mittel der 2. Säule zu finanzieren.

Der erste Schritt

Aber auch in Bezug auf die Versicherungssteuer ist bei der Agrarministerkonferenz Bewegung in die Sache gekommen: So bitten die Minister das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), sich gegenüber der Bundesregierung für einen ermäßigten Steuersatz von 0,03% der Versicherungsprämie bei Versicherungen gegen Trockenheit einzusetzen.

Dies ist allerdings nur der erste Schritt. So heißt es in einem Bericht des Bundeslandwirtschaftsministeriums und der Länder (Beschluss der Agrarministerkonferenz am 29.9.2017 in Lüneburg), dass auch mit einem ermäßigten Versicherungssteuersatz eine Versicherung gegen Dürreschäden ohne eine gleichzeitige staatliche Förderung der Versicherungsprämien nicht zu marktgängigen Konditionen angeboten werden würde.

Das heißt, eine isolierte Ermäßigung des Versicherungssteuersatzes für die Elementargefahr „Dürre“ allein würde nicht helfen, ein entsprechendes Versicherungsangebot zu generieren.

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Wissenschaftler sind skeptisch

In den USA werden Versicherungsprämien seit vielen Jahren staatlich subventioniert. Beim US Federal Crop Insurance Program greift z.B. eine hohe Subventionsrate: Hier zahlt der Landwirt pro US-Dollar Versicherungsprämie nur ca. 40 Cent aus eigener Tasche. Den Rest übernimmt der Staat. Da die subventionierten Versicherungen eine Vielzahl von Ausfällen abdecken, fließen etwa 80 Cent je Dollar Versicherungsprämie als Versicherungsleistung an die Landwirte. Durch die Prämiensubvention wird der Abschluss der Versicherung für die Landwirte zu einem Geschäft mit 100% Rendite.

Die Nachteile: Subventionierte Ertrags- und Erlösversicherungen bringen aus Sicht der Ökonomen Prof. Hirschauer, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, und Prof. Mußhoff, Georg-August-Universität Göttingen, folgende Probleme mit sich:

  • Ein vermutlich großer Teil der für die Landwirte gedachten Subventionen bleibt bei einer Bezuschussung von Prämien bei den Versicherern hängen.

  • Bei einer subventionierten Abdeckung von Schäden aller Art haben Landwirte einen geringen Anreiz, sich selbstverantwortlich abzusichern. Es ist zu befürchten, dass sie beim Abschluss subventionierter Versicherungen riskantere Produktionsentscheidungen treffen und weniger Liquiditätsreserven bilden.

  • Versicherungen sind Produkte, de-ren Herstellung, Vertrieb und Abwicklung Kosten verursachen. Es entstehen volkswirtschaftliche Verluste, wenn Versicherungsprodukte durch staatliche Eingriffe zu Preisen genutzt werden können, die unterhalb ihrer Produktionskosten liegen. Neben erhöhten Gewinnen für die Versicherungswirtschaft ist dies der Grund, weshalb in den USA von den staatlichen Ausgaben für Versicherungssubventionen nur ca. 50% bei den Landwirten ankommen.

Finanzierung unklar: Unsicher ist aus Sicht der beiden Agrarökonomen zudem, wie die Subventionierung der Versicherungsprämien finanziert werden könnte. Es sei zu bezweifeln, dass der Berufsstand zusätzliche Subventionen durchsetzen kann. Deshalb müsste eine Subventionierung der Versicherungsprämien durch die Umschichtung von Direktzahlungen (1. Säule) erfolgen. Oder es müssten verstärkt Mittel der 2. Säule in diesen Förderbereich umgeleitet werden. Dann würden sie aber für Investitionsmaßnahmen oder Agrarumweltprogramme fehlen.

Alternative ohne Subventionen: Übliche Agrarversicherungen sind hektarbezogen. So werden z.B. bei einem Hagelschlag die Schäden auf dem versicherten Schlag erfasst und abzüglich des Selbstbehaltes kompensiert. Ein Totalverlust auf einem Hektar führt also auch in einem 1000 ha-Betrieb zu einem Versicherungsfall, dessen Kosten letztlich von den Landwirten durch die Versicherungsprämien getragen werden müssen. Hirschauer und Mußhoff betrachten das als falsch verstandenes Risikomanagement. Landwirte sollten nur solche Versicherungen abschließen, die sie zur Absicherung existenzgefährdender Risiken brauchen. Eine Möglichkeit hierfür sind mit Bedacht gewählte Selbstbehalte, die es ermöglichen, die Versicherungsprämien in moderater Höhe zu halten:

  1. Selbstbehalte verringern die Zahlungsverpflichtungen seitens der Versicherer.

  2. Selbstbehalte reduzieren das Problem, dass versicherte Landwirte einen geringeren Anreiz zur Schadenbegrenzung haben als nicht versicherte Landwirte (Moral Hazard).

  3. Selbstbehalte senken die Anzahl der Versicherungsfälle und damit die Schadensregulierungskosten.

Um dem Problem zu entgehen, dass die Landwirte kostenträchtige Versicherungsprodukte nutzen, die sie gar nicht brauchen, um Existenzrisiken abzusichern, schlagen die Ökonomen Folgendes vor: Anstelle einer hektarbezogenen Versicherung soll eine Versicherungssumme für die gesamte Marktfruchtfläche eines Betriebs festgelegt werden.

Verbunden mit einem „hohen“ Selbstbehalt von beispielsweise 15% bis 20% würde das im Dürrefall bedeuten, dass ein gesamtbetrieblicher Ertragsschaden von 20% noch keine Versicherungsleistung begründet. Dementsprechend entstände in einem 1000 ha-Betrieb auch bei einem Totalschaden auf 200 ha (zum Beispiel durch eine Überschwemmung) noch kein Anspruch auf Schadenskompensation. Das wäre nicht notwendig, da für ein vernünftig geführtes Unternehmen solche üblichen Ertragsschwankungen nicht existenzgefährdend sein sollten.

Markt wird bei Bedarf liefern

In einem wettbewerbsorientierten Versicherungsmarkt ist zu erwarten, dass derartige Versicherungen ohne Subventionen – gegebenenfalls mithilfe von Rückversicherungen – angeboten werden, sobald eine Nachfrage nach Absicherung existenzgefährdender Risiken da ist. Dies setzt voraus, dass die Akteure in der Landwirtschaft und der Versicherungswirtschaft realisieren, dass sie weder ihre Forderungen nach wiederkehrenden Nothilfen noch nach Versicherungssubventionen politisch durchsetzen können.

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I N T E R V I E W

„Es müssen Beschlüsse folgen!“

Langner: Positiv, da es Einstimmigkeit gab, dass mehr getan werden muss, um die eigenverantwortliche Risikovorsorge zu stärken. Nun müssen aus den Absichtsbekundungen auch Beschlüsse werden. Die Absenkung oder Aussetzung der Versicherungsteuer bei Dürre und Überschwemmung wäre ein erster Schritt.

Was spricht für die staatliche Subventionierung von Versicherungsprämien?

Langner: Sie böte einen Anreiz zur privaten, eigenverantwortlichen und finanzierbaren Vorsorge, ohne die unternehmerische Freiheit einzuschränken. Zudem führt die staatliche Unterstützung zu einer breiteren Akzeptanz der Versicherungsangebote. Das ist für die nachhaltige Finanzierung von Versicherungslösungen gegen zunehmende Risiken durch den Klimawandel unabdingbar. Außerdem werden Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen EU-Ländern vermieden.

In welcher Höhe sollte eine Subventionierung der Prämien erfolgen?

Langner: Je höher die Unterstützung durch den Staat, umso größer ist der Anreiz zur privaten Risikovorsorge. Insbesondere bei Ertragsrisiken, die großräumig ein hohes Schadenpotenzial aufweisen (z. B. Dürre). Dennoch müssen Landwirte auch eigenverantwortliche Risikovorsorge betreiben. Die gute fachliche Praxis im Ackerbau darf durch staatlich unterstützte Versicherungslösungen nicht ausgehebelt werden. Das haben wir durch die Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen gut im Griff, wie unsere Erfahrungen im Ausland zeigen.

Reicht die Subventionierung der Prämien und die Absenkung des Versicherungssteuersatzes allein aus?

Langner: Es sollte auch über staatliche Rückversicherungslösungen gesprochen werden. Im europäischen Ausland (z. B. Polen) flankieren solche staatlichen Absicherungen für Großschadenereignisse die Einführung neuer Versicherungslösungen.

Wissenschaftler kritisieren, dass die Versicherer am meisten von einer Subventionierung der Prämien profitieren. Wie stehen Sie dazu?

Langner: Wir sind als Versicherer auf Gegenseitigkeit in Besitz der Versicherungsnehmer, d. h. unserer Landwirte. Sie ist somit nicht gewinnorientiert. Sämtliche Einnahmen fließen in Form von Entschädigungsleistungen oder Risikorücklagen für Extremschadenjahre wieder an die Mitglieder des Versicherungsvereins zurück. Somit werden die Prämiensubventionen direkt an die Versicherungsnehmer weitergereicht und kommen ausschließlich der Landwirtschaft zugute.

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