Ein Kommentar von top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals
Respekt! Die von vielen mit Spannung erwartete Kundgebung in Münster mit rund 6.000 Landwirtinnen und Landwirten aus vielen Teilen Deutschlands gegen die von Brüssel geforderte Nachbesserung der Düngeverordnung ist gelungen.
Politiker und Bauernvertreter sind in der Sache deutlich, im Ton aber jederzeit fair miteinander umgegangen. Man hat zugehört und sich ausreden lassen. So geht demonstrieren, mag man denjenigen zurufen, die insgeheim mit mehr lautstarkem Protest geliebäugelt hatten. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner brachte es zu Beginn ihrer Rede auf den Punkt. „Wir haben in den vergangenen Jahren die Fähigkeit zum Kompromiss verloren. Das ist aber das Wesen und die Stärke unserer Demokratie.“ Genauso ist es. Wer einseitig seine Interessen durchsetzen will, der schafft keine tragfähigen Kompromisse und schon gar keine langfristige Akzeptanz.
Was sind jetzt die wichtigsten Ergebnisse?
Die große Präsenz der Bäuerinnen und Bauern hat der Politik und der Öffentlichkeit deutlich vor Augen geführt, wie groß die wirtschaftlichen Sorgen des Berufsstands um die Zukunft sind. Insbesondere die Rede von Bettina Hueske, einer jungen Milchviehhalterin aus dem Kreis Borken im westlichen Münsterland, hat viele berührt. „Wir brauchen Spielräume, um unsere Betriebe kreativ weiterzuentwickeln. Und wir brauchen das Gefühl, dass Politik und Gesellschaft unsere Arbeit wollen und wertschätzen. Beides vermissen wir.“ So lautete sinngemäß die Kernbotschaft der jungen Betriebsleitern. Das saß.
Gleichzeitig wurde aber auch deutlich: Die Landwirtschaft hat ein großes Interesse, den Wasserschutz weiter zu optimieren. Sie duldet keine schwarzen Schafe in den eigenen Reihen. Sie erwartet aber andererseits auch Entscheidungen, die machbar sowie effizient sind und die auf den erfolgreichen Lösungswegen der Vergangenheit aufbauen.
Auch die Bauern müssen einsehen, dass die Kommission die Düngeverordnung noch einmal anfassen wird, weil das, was im Jahr 2017 in Kraft getreten ist, eben nicht reicht. Die bittere Erkenntnis ist: Politik und Berufsstand haben gemeinsam versagt, weil sie es nicht schon 2012 geschafft haben, die notwendige Verschärfung der Düngeverordnung zu verabschieden. Das zeigt einmal mehr, wie falsch es ist, Probleme ängstlich auszusitzen.
Die Politiker haben verstanden, dass vor allem zwei Punkte der geplanten Verschärfung der Düngeverordnung noch einmal auf den Prüfstand müssen: Die 20 %ige Düngung unter Bedarf in den sog. ‚Roten Gebieten‘ und die Messstellenproblematik.
Julia Klöckner hat deutlich gemacht, dass auch sie Vorgaben zur „Unterdüngung“ möglichst vermeiden will und wenn das nicht geht, diese zumindest erträglicher gestalten will. Was das genau heißt, hat sie den Landwirten noch nicht verraten. Hier muss die Strategie lauten: Bevor die bedarfsgerechte Düngung eingeschränkt wird, müssen alle anderen Register der Reduzierung der Nitrateinträge gezogen werden. Hier ist die Bandbreite der Möglichkeiten sicher noch nicht ausgeschöpft.
Beispielhaft für andere Bundesländer ist die Ankündigung von NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser, alle Messstellen in Nordrhein-Westfalen zu überprüfen und weitere Messstellen einrichten zu wollen. Funktionierende und ausreichend viele Messstellen sind für eine bestmögliche und glaubwürdige Abgrenzung der ‚Roten Gebiete‘ zwingend. Dass Heinen-Esser darüber hinaus die seit 25 Jahren erfolgreich arbeitenden Kooperationen zwischen Wasserwirtschaft und Landwirtschaft weiter ausbauen will, ist ein weiterer sinnvoller Baustein, der für Vertrauen sorgen kann.
Mein Eindruck ist, dass sich Politik und Berufsstand aufeinander zubewegen. Kompromisse werden wieder möglich. Und das nicht trotz, sondern wegen der Großkundgebung. Das ist ein Musterbeispiel für eine lebendige und starke Demokratie. Ich finde das in Zeiten der wachsenden Abgrenzung und Verständnislosigkeit ein ermutigendes Zeichen.
Am Ende hat die Veranstaltung nur eine Verliererin produziert: Das ist Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD. Sie hat es nicht für nötig befunden, in ihre Heimatstadt Münster zu kommen und mit den Bauern zu sprechen. Schade.
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Ein Kommentar von top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals
Respekt! Die von vielen mit Spannung erwartete Kundgebung in Münster mit rund 6.000 Landwirtinnen und Landwirten aus vielen Teilen Deutschlands gegen die von Brüssel geforderte Nachbesserung der Düngeverordnung ist gelungen.
Politiker und Bauernvertreter sind in der Sache deutlich, im Ton aber jederzeit fair miteinander umgegangen. Man hat zugehört und sich ausreden lassen. So geht demonstrieren, mag man denjenigen zurufen, die insgeheim mit mehr lautstarkem Protest geliebäugelt hatten. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner brachte es zu Beginn ihrer Rede auf den Punkt. „Wir haben in den vergangenen Jahren die Fähigkeit zum Kompromiss verloren. Das ist aber das Wesen und die Stärke unserer Demokratie.“ Genauso ist es. Wer einseitig seine Interessen durchsetzen will, der schafft keine tragfähigen Kompromisse und schon gar keine langfristige Akzeptanz.
Was sind jetzt die wichtigsten Ergebnisse?
Die große Präsenz der Bäuerinnen und Bauern hat der Politik und der Öffentlichkeit deutlich vor Augen geführt, wie groß die wirtschaftlichen Sorgen des Berufsstands um die Zukunft sind. Insbesondere die Rede von Bettina Hueske, einer jungen Milchviehhalterin aus dem Kreis Borken im westlichen Münsterland, hat viele berührt. „Wir brauchen Spielräume, um unsere Betriebe kreativ weiterzuentwickeln. Und wir brauchen das Gefühl, dass Politik und Gesellschaft unsere Arbeit wollen und wertschätzen. Beides vermissen wir.“ So lautete sinngemäß die Kernbotschaft der jungen Betriebsleitern. Das saß.
Gleichzeitig wurde aber auch deutlich: Die Landwirtschaft hat ein großes Interesse, den Wasserschutz weiter zu optimieren. Sie duldet keine schwarzen Schafe in den eigenen Reihen. Sie erwartet aber andererseits auch Entscheidungen, die machbar sowie effizient sind und die auf den erfolgreichen Lösungswegen der Vergangenheit aufbauen.
Auch die Bauern müssen einsehen, dass die Kommission die Düngeverordnung noch einmal anfassen wird, weil das, was im Jahr 2017 in Kraft getreten ist, eben nicht reicht. Die bittere Erkenntnis ist: Politik und Berufsstand haben gemeinsam versagt, weil sie es nicht schon 2012 geschafft haben, die notwendige Verschärfung der Düngeverordnung zu verabschieden. Das zeigt einmal mehr, wie falsch es ist, Probleme ängstlich auszusitzen.
Die Politiker haben verstanden, dass vor allem zwei Punkte der geplanten Verschärfung der Düngeverordnung noch einmal auf den Prüfstand müssen: Die 20 %ige Düngung unter Bedarf in den sog. ‚Roten Gebieten‘ und die Messstellenproblematik.
Julia Klöckner hat deutlich gemacht, dass auch sie Vorgaben zur „Unterdüngung“ möglichst vermeiden will und wenn das nicht geht, diese zumindest erträglicher gestalten will. Was das genau heißt, hat sie den Landwirten noch nicht verraten. Hier muss die Strategie lauten: Bevor die bedarfsgerechte Düngung eingeschränkt wird, müssen alle anderen Register der Reduzierung der Nitrateinträge gezogen werden. Hier ist die Bandbreite der Möglichkeiten sicher noch nicht ausgeschöpft.
Beispielhaft für andere Bundesländer ist die Ankündigung von NRW-Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser, alle Messstellen in Nordrhein-Westfalen zu überprüfen und weitere Messstellen einrichten zu wollen. Funktionierende und ausreichend viele Messstellen sind für eine bestmögliche und glaubwürdige Abgrenzung der ‚Roten Gebiete‘ zwingend. Dass Heinen-Esser darüber hinaus die seit 25 Jahren erfolgreich arbeitenden Kooperationen zwischen Wasserwirtschaft und Landwirtschaft weiter ausbauen will, ist ein weiterer sinnvoller Baustein, der für Vertrauen sorgen kann.
Mein Eindruck ist, dass sich Politik und Berufsstand aufeinander zubewegen. Kompromisse werden wieder möglich. Und das nicht trotz, sondern wegen der Großkundgebung. Das ist ein Musterbeispiel für eine lebendige und starke Demokratie. Ich finde das in Zeiten der wachsenden Abgrenzung und Verständnislosigkeit ein ermutigendes Zeichen.
Am Ende hat die Veranstaltung nur eine Verliererin produziert: Das ist Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD. Sie hat es nicht für nötig befunden, in ihre Heimatstadt Münster zu kommen und mit den Bauern zu sprechen. Schade.