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Von Boetticher: "Klären, wem Daten gehören und wer sie schützen muss!“

„Der internationale Wettbewerbsdruck und die steigenden Verbraucheranforderungen zwingen die Ernährungsindustrie Produkte und Prozesse in immer kürzeren Zyklen zu optimieren und Kosten zu senken. Dabei kann uns die Digitalisierung helfen“, ist Dr. Christian von Boetticher überzeugt.

Lesezeit: 9 Minuten

„Der internationale Wettbewerbsdruck und die steigenden Verbraucheranforderungen zwingen die Ernährungsindustrie Produkte und Prozesse in immer kürzeren Zyklen zu optimieren und Kosten zu senken. Dabei kann uns die Digitalisierung helfen“, ist Dr. Christian von Boetticher überzeugt.


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Die enge Verknüpfung von Produkt- und Datensicherheit sei eine große Herausforderung für die Unternehmen, erläutert der stellvertretende Vorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) im Interview mit top agrar online.


Wirtschaft und Politik müssten hier gemeinsam den Rahmen für mehr Datensicherheit setzen. „Die Wirtschaft muss insbesondere die Standardisierung an wichtigen Schnittstellen vorantreiben und die Politik nationalen und europäischen Rechtsrahmen für die Digitalisierung schaffen“, fordert der BVE-Vize, der auch Geschäftsführer des Lebensmittelherstellers Peter Kölln ist.


Zudem seien elementare Fragen, wem die Daten gehörten, wie sicher diese seien und wer sie schützen müsse, aktuell nicht rechtlich sicher geklärt. „Wenn wir bei der Digitalisierung schneller vorankommen wollen, brauchen wir mehr Breitbandausbau in den ländlichen Räumen, mehr branchenspezifische Forschung und bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups“, ist von Boetticher sicher.


Wo liegen die größten Chancen und Potenziale der Digitalisierung für die Ernährungswirtschaft?


von Boetticher: Aufgrund des hohen internationalen Wettbewerbsdrucks und der weiter steigenden Verbraucheranforderungen an Lebensmittel müssen die Unternehmen der Ernährungsindustrie Produkte und Prozesse in immer kürzeren Zyklen optimieren und Kosten senken. Das kann Digitalisierung leisten. Die Digitalisierung und intelligente Vernetzung von horizontalen wie vertikalen Wertschöpfungsprozessen können außerdem die Transparenz, Planungssicherheit, Qualität und Kundenorientierung in der Lebensmittelherstellung verbessern.


Der Einsatz intelligenter Informationstechnik- und Softwaresysteme hält bereits in der Branche Einzug und macht die Potenziale digitalisierter und vernetzter Systeme deutlich. So können beispielsweise Echtzeitinformationen in eine zeitgenaue und ressourcensparende Qualitätsproduktion umgesetzt und die lückenlose Rückverfolgbarkeit der Lebensmittel sichergestellt werden. Auch können vernetzte Systeme dabei helfen, den Energieverbrauch, die Fertigung, die Chargenverfolgung oder den Rohstoffeinsatz zu optimieren sowie produktionsbezogene Kennzahlen für das Management zu generieren. Um einen bewussten Konsum zu unterstützen, kann die „intelligente Lebensmittelproduktion“ zudem das produzierte Angebot besser an die Nachfrage des jeweiligen Kunden anpassen. Die Liste der positiven Aspekte der Digitalisierung ist noch deutlich länger, sprengt aber den Rahmen dieses Interviews.


In welchen Bereichen bringt die Digitalisierung Ihren Mitglieder schon heute konkrete finanzielle und andere Vorteile?


von Boetticher: Die Ernährungsindustrie kann im Vergleich zu anderen Industriebranchen schon heute viele Best practice-Beispiele für Industrie 4.0-Anwendungen vorweisen. Digitalisierung ist kein Geschäftsfeld an sich, sondern optimiert im Idealfall alle Geschäftsbereiche. Natürlich ist es ganz unternehmensindividuell, wo die größten Potentiale der Vernetzung gesehen werden. Für den einen ist das die vollständige Rückverfolgbarkeit von Produkten bis an den Ursprung, für den anderen die individualisierte Produktion anhand 3D-Druck, die breitere Weiterbildung von Mitarbeitern durch Online-Schulungen oder die bessere Kundenbindung durch digitale Informationsangebote.


An welchen digitalen Fragestellungen und Themen arbeiten Ihre Mitglieder konkret?


von Boetticher: Wichtig ist es vor allem, die kleinen und mittelständischen Unternehmen bei der Digitalisierung und Vernetzung zu begleiten. Hier können Verbände wie die BVE wichtige Multiplikatoren sein. Eine große Herausforderung besteht in der engen Verknüpfung von Produkt- und Datensicherheit. Wirtschaft und Politik müssen hier gemeinsam den Rahmen für mehr Datensicherheit setzen. Die Wirtschaft muss insbesondere die Standardisierung an wichtigen Schnittstellen voranzutreiben. Die Politik ist aufgefordert, den notwendigen nationalen und vor allem europäischen Rechtsrahmen für die Digitalisierung zu schaffen, die digitale Infrastruktur zu stärken und digitale Innovationen zu fördern.


Darüber hinaus muss auch die Gesellschaft und der Verbraucher stärker in die Digitalisierung mit einbezogen werden. Kundendaten sind Schlüsselprodukte für die intelligente Produktion, daher müssen auch hier klare Rahmenbedingungen zur Nutzung von Daten geschaffen werden. Auch müssen Verbraucher zur Nutzung der verfügbaren Informationen befähigt werden.


Schließlich bedeutet die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung auch eine Transformation in der Arbeitswelt, insbesondere in der Ernährungsindustrie erhöht der Einsatz von Industrie 4.0-Anwendungen den Bedarf an Fachkräften, aber auch an Aus- und Weiterbildung bzw. an Umschulung von Arbeitskräften. Die großen Chancen und Herausforderungen, die Industrie 4.0 für die Branche bietet, müssen daher strategisch organisiert und unterstützt werden. Das leistet die BVE.


In welchen Bereichen der Digitalisierung investieren Ihre Mitglieder vor allem?


von Boetticher: Viel wichtiger ist die Frage, wo zusammen investiert wird! Die Etablierung von Lernplattformen und Kompetenzzentren für Industrie 4.0 in der Lebensmittelherstellung kann die Umsetzung und Weiterentwicklung in der gesamten Branche fördern. Hier braucht es noch mehr Unterstützung für die Branche durch die Politik.


Wie verändert die Digitalisierung die Geschäftsbeziehung zwischen Landwirt, Agrarhandel und Verarbeitern? 


von Boetticher: Wir haben es nicht nur mit einer zunehmenden Transparenz, sondern auch mit einem steigenden Datenvolumen in der Wertschöpfungskette zu tun. Das kann viele Vorteile haben. Beispielsweise kann den Forderungen nach sichtbaren Nachhaltigkeitsaspekten und deren lückenloser Einhaltung, wie zum Beispiel umweltschonender Ressourcennutzung, Einhaltung sozialer Standards, Qualität und Frische, Natürlichkeit und Geschmack nachgekommen werden, indem die Supply Chain und die entsprechenden Prozesse sowohl im internen Verhältnis (vertikale Integration) als auch im Zusammenspiel mit den Supply-Chain-Partnern in der Wertschöpfungskette (Farmer, Großhandel, Verarbeitung, Transport, Einzelhandel) digitalisiert werden.


Die horizontale Integration der Wertschöpfungskette ist keine neue Idee. Führende Supply-Chain-Experten sind sich der Vorteile der Integration über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg seit Langem bewusst. Bislang jedoch waren die verfügbaren Informationssysteme gar nicht oder nur sehr unzureichend in der Lage, die dezentralen Prozesse abzubilden und die gewaltigen Datenmengen effizient zu speichern und zu verarbeiten. Auch die Frage danach, wem die Daten gehören muss rechtlich sicher geklärt sein, damit der Datenaustausch vertrauensvoll funktionieren kann.


Die Digitalisierung erlaubt es, Ihre Arbeitsprozesse wesentlich effizienter zu gestalten. Wie groß sind die Effizienzpotenziale, die zu heben sind?


von Boetticher: Konkrete Zahlen werden sich wohl erst in Zukunft branchenübergreifend und verlässlich darlegen lassen.


Wer profitiert davon finanziell vor allem, die Verarbeiter, der Handel oder die Landwirte?


von Boetticher: Jeder, der den Mut zu Innovation hat, profitiert.


Wie wichtig sind für Sie Start up-Unternehmen, die Ideen bzw. Lösungen für bestimmte Detailprobleme entwickeln?


von Boetticher: Sehr wichtig, hier kann der Standort Deutschland noch deutlich attraktiver werden.


Welche Hemmnisse sehen Sie derzeit bei der digitalen Entwicklung in Deutschland?


von Boetticher: Wir brauchen mehr Breitbandausbau in den ländlichen Räumen, mehr branchenspezifische Forschung, bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups, mehr Verantwortung zur Produktsicherheit für die Hersteller digitaler Lösungen und weniger Bürokratie.


Was tun Bund und Länder für den digitalen Ausbau? Reichen die Aktivitäten?


von Boetticher: Deutschland hängt immer noch beim Breitbandausbau und der Abdeckung von Mobilfunknetzen hinterher. Ebenso müssen unsere Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen besser ausgestattet und Lehr- und Lerninhalte angepasst werden. Die zahlreichen Aktivitäten von Bund und Ländern sind zudem oft nicht gut koordiniert. Wir benötigen klare Kompetenzen und Zuständigkeiten in den Regierungen, weil gerade eine heterogene Branche wie die Ernährungsindustrie unter langsamen und unkoordinierten Umsetzungen leidet.


Welche Rahmenbedingungen erwarten Sie von der Politik?


von Boetticher: Die überwiegend mittelständisch und eigentümergeführten Unternehmen der Ernährungsindustrie bestehen im globalen Wettbewerb nur dann, wenn es ihnen gelingt, sich mit innovativen Produkten, Prozessen und Dienstleistungen am Markt zu etablieren. Dazu gehört auch die Übertragung von Innovationen wie Industrie 4.0 in branchengerechte Anwendungen. Ziel der Politik muss es deshalb sein, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Forschungsaktivitäten mittelständischer Unternehmen stärker zu unterstützen.


Indirekte Fördermaßnahmen wie insbesondere die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) haben sich wegen ihres themenoffenen Charakters und ihrer branchenübergreifenden Nutzung als breitenwirksamste Instrumente der Technologiepolitik mit großer Hebelwirkung erwiesen und sollten verstärkt gefördert werden. Oft ermöglicht es erst die Industrielle Gemeinschaftsforschung, dass mittelständische Unternehmen Forschung und Entwicklung betreiben. Sie fördert die Kooperationsfähigkeit der Unternehmen, bettet sie in innovative Forschungsnetzwerke ein und unterstützt deutlich die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte für die Industrie.


Welche rechtlichen Unsicherheiten bringt die Digitalisierung?


von Boetticher: Das sind leider aktuell leider noch einige: Wem gehören welche Daten, wie sicher sind diese Daten und wer muss welche Daten schützen? Und das ist sicherlich nur die Spitze vom Eisberg der Fragen. Einige rechtliche Vorgaben – siehe Datenschutzgrundverordnung oder IT-Sicherheitsgesetz - gibt es schon, aber auch hier ist die Umsetzung noch mit vielen Fragen verbunden.


In Deutschland ist der Datenschutz ein wichtiges Thema: Wem gehören die gewonnenen Daten und wer hat darauf Zugriff?


von Boetticher:Während es früher darum ging, klar zu definieren, welche persönlichen Daten überhaupt Unternehmen und Staat den Bürgern abverlangen dürfen (Thema: Schutz der persönlichen Daten beim Bürger) und wie sie damit umzugehen haben,  geht es in der heutigen Zeit, in der jede Minute mit Hilfe von Apps über Smartphones Dutzende von persönlichen Daten bewusst oder unbewusst abgegeben werden, viel mehr um die Sicherung der abgegebenen Daten vor unbefugtem Zugriff und ungewollter Nutzung. Dieser Debatte nach Datensicherheit muss sich der Gesetzgeber stellen.


Wie gut sind die Landwirte auf das digitale Zeitalter vorbereitet?


von Boetticher: Ich erlebe, dass sich die Landwirtschaft intensiv mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzt und als Branche davon profitiert.


Die Fragen stellte top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals


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Dr. Christian von Boetticherist stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) und seit September 2015 Geschäftsführer des Elmshorner Lebensmittelherstellers Peter Kölln. Mit seinen 365 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern produziert das Unternehmen klassische Haferflocken, fertige Müsli-Mischungen und weitere Erzeugnisse auf Haferbasis. Damit erwirtschaftet Kölln einen Jahresumsatz von knapp 129 Mio. €.

 

Hinweis:


Dr. Christian von Boetticher wird für den BVE zum Thema Digitalisierung auch beim Kongress "Farm & Food 4.0: Mitten in der Revolution - Chancen suchen für die Wertschöpfung von morgen" am 22. Januar 2018 im bcc Berlin Congress Center sprechen. Weitere Informationen zur Tagung finden Sie unter www.farm-and-food.com. Dort können Sie sich auch noch kurzfristig oder unmittelbar vor Ort am Veranstaltungstag anmelden, wenn Sie teilnehmen wollen.

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