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Braugerste: Immer wieder eine Lotterie

Lesezeit: 6 Minuten

Braugerste aus Deutschland ist bei Mälzern gefragt. Aber hohe Qualitätsanforderungen, riskante Kontrakte und zu geringe Preisabstände zur Futtergerste bremsen die Lust am Anbau. Einen Überblick gibt Rebecka Oellermann, RMI Analytics.


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Deutschland und Bierkultur sind fest miteinander verbunden. Der Konsum schrumpft zwar, aber immer noch trinkt jeder Deutsche rund 100 Liter pro Jahr, 1500 Brauereien stoßen jährlich etwa 85 Mio. hl Bier unter 5000 verschiedenen Markennamen aus. Bei uns ist logischerweise auch die komplette Wertschöpfungskette für den Gerstensaft und den wichtigsten Rohstoff dafür, die Braugerste, fest etabliert. Züchter, Anbauer, Händler, Mälzer und Brauer hängen von ihr ab. Allerdings deckt die heimische Braugerste den Bedarf nicht annähernd, 0,8 bis 1 Mio. t importieren die Mälzer und Brauer pro Jahr. Woran liegt das?


1,1 Mio. t Braugerste geerntet.

Eigentlich spielt die Gerste auf deutschen Äckern eine durchaus bedeutende Rolle: 2018 wurden auf 410000 ha Sommergerste (2017: 340400 ha) angebaut, davon waren 75% Braugerstensorten, mit einem durchschnittlichen Ertrag von gut fünf Tonnen je Hektar.


Die Hauptanbauregionen für Braugerste in Deutschland liegen in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Insgesamt belief sich die Ernte 2018 auf rund 1,1 Mio. t Braugerste. Weltweit liegt die Gerstenproduktion bei rund 140 Mio. t. 40% davon werden in der EU auf 12 Mio. ha (60 Mio. t) angebaut. Braugerste wird weltweit in der Größenordnung von 25 bis 26 Mio. t produziert, wobei Europa mit ca. 10 bis 11 Mio. t als Braugerstenproduzent dominiert. Weitere große Produzenten sind Kanada, Argentinien, Russland und Australien. Vergleichsweise sichere und hohe Ernten sowie gute Qualitäten der europäischen Ware bieten gute Chancen im globalen Wettbewerb. Die größten Exporteure von Braugerste sind Australien, Argentinien/Uruguay und Kanada/USA, während China der weitaus größte Importeur ist.


Vonseiten der Mälzer und Brauer gibt es eine große Nachfrage nach deutscher Braugerste. Die Brauereien sind wegen des Reinheitsgebots auf Rohstoffe mit höchsten Qualitäten angewiesen. Auch die Mälzereien sind prinzipiell eher an heimischer Ware interessiert. Nähe zum Markt, geringe Transportkosten und Sorten mit besten Braueigenschaften sind hier die Gründe.


Allerdings: Ein Drittel der benötigten 2,2 Mio. t pro Jahr müssen die Mälzereien in Skandinavien, Frankreich oder Großbritannien einkaufen. Das heimische Angebot deckt den Bedarf sogar nur gut zur Hälfte.


Hohe Qualitätsanforderungen:

Dass die Anbaufläche für Braugerste in Deutschland seit Jahren rückläufig ist (mit Ausnahme von 2018), hat gleich mehrere Ursachen: Die Ansprüche der Mälzer an Braugerste sind hoch. Sobald die Anforderungen nicht erreicht werden, sinkt der Erzeugerpreis auf das Niveau von Futtergetreide. Dieses Risiko trägt der Landwirt. Bei keiner Getreideart wird denn auch über die gesamte Wertschöpfungskette so intensiv über Sorten, Anbau, Qualität und Verarbeitung diskutiert wie bei Braugerste. Anforderungen und Vertragsbestandteil sind unter anderem:


  • Gute Keimeigenschaften (>95%) in Form von Keimfähigkeit und -energie,
  • hoher Vollkornanteil (>95%),
  • wenig Rohprotein (9 bis 11,5%),
  • Sortenreinheit usw.


Hinzu kommt die Sortenauswahl: Neue Braugerstensorten werden zwar in Zusammenarbeit mit dem Bundessortenamt im sogenannten „Berliner Programm“ auf ihre Verarbeitungseignung in Mälzerei und Brauerei geprüft und bewertet. Ein Kritikpunkt vieler Anbauer ist aber die fehlende Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit für den Landwirt. So sind seit mehreren Jahren wenig Ertragssteigerungen bei den Sorten des Berliner Programms zu erkennen. Nicht wenige Landwirte schwenken auch deshalb um zu Weizen oder Mais. Dort ist der Zuchtfortschritt größer, hinzu kommt eine höhere Ertragssicherheit.


Risiken ungleich verteilt:

Weiterer Kritikpunkt vieler Anbauer ist die Vermarktung der Braugerste, bei der die Risiken ebenfalls ungleich verteilt sind.Für den weltweiten Braugerstenhandel sind folgende Punkte charakteristisch:


  • Weil Braugerste auf fünf Kontinenten angebaut wird, gibt es ganzjährig Wettermarktphänomene.
  • Braugerste ist kein weltweites Massengut wie Weizen oder Mais, sondern ein Nischenprodukt mit hohen Anforderungen. Massive Preissteigerungen bei knapper Verfügbarkeit und Qualitätsmängeln sind möglich.
  • Braugerste ist an keiner Börse notiert. Die Preise werden vom Weizenpreis an der Matif abgeleitet, eine kurzfristige Entkopplung ist immer möglich.
  • Die Preisgestaltung per Prämie auf Futtergerste ist verbreitet, das Risiko niedrigerer Erträge und Ablehnung bei Qualitätsproblemen bleibt für den Landwirt aber bestehen.


Dabei ist der knapp versorgte Braugerstenmarkt oft großen Schwankungen unterlegen, die Preise bilden die tatsächliche Marktlage nicht immer exakt und oft genug zum Nachteil des Landwirtes ab. Denn für die Mälzer ist die Rohstoffsicherung zu einem frühzeitig fixierten Preis entscheidend. Braugerste wird daher meist weit im Voraus kontrahiert. Die in den Kontrakten fixierten Preise spiegeln dann aber oft nicht die tatsächliche Marktlage zur Ernte wider. Im Gegenteil: Lieferverpflichtungen bringen noch zusätzliche Risiken für die Braugerstenanbauer, unter anderem eine Andienungspflicht.


Wenn dann die Erzeugerpreise nicht über die 180 €/t kommen, wie in den vergangenen Jahren häufig passiert, ist es fast logisch, dass viele Anbauer der Braugerste den Rücken kehren. Auf weizenfähigen Standorten sind so die Deckungsbeiträge der Braugerste einfach nicht konkurrenzfähig. Und zur ertragreicheren Futtergerste reicht ein Preisabstand von unter 40 €/t nicht aus, um auf einen gleichwertigen Deckungsbeitrag zu kommen.


Das Proteinrisiko kommt noch hinzu: Der diesjährige trockene Sommer zeigte insbesondere in Skandinavien sehr enttäuschende Bestände mit zu hohen Proteinwerten. In zahlreichen Exportländern fielen die Braugerstenernten sehr niedrig aus, was derzeit hohe Auswirkungen auf den Markt hat und die Preise steigen lässt (siehe Übersicht Seite 104).


Die globale Versorgungssituation und die Ernteerwartungen 2018/19 sind signifikant anders als in den Vorjahren. Zeigen muss sich auch, wie die Mälzer und Brauer mit den erhöhten Proteinwerten und eventuell kleinerem Vollkornanteil klarkommen.


Braugerste nicht abschreiben!

Vonseiten der Mälzereien und Brauereien besteht weiterhin eine große Nachfrage nach deutscher Braugerste. Gleichzeitig gewinnen Regionalität und Spezialitätenbiere an Bedeutung. Diese Aspekte sprechen für eine Ausweitung des Braugerstenanbaus.


Außerdem stellt eine Erweiterung der Fruchtfolgen durch Sommerungen einen wesentlichen Vorteil dar, auch wenn der Anbau und das Erreichen der Qualitätsanforderungen eine Herausforderung sind, insbesondere in Extremjahren wie 2018: „Braugerste ist als Sommerung eine wichtige Bereicherung der Fruchtfolge, insbesondere bei pfluglosen Ackerbau ist ein Wechsel von Sommerungen und Winterungen wichtig für ein erfolgreiches Ackerbaukonzept. Als Herausforderung sehe ich die zunehmende Konzentration und Globalisierung in der Malz- und Bierindustrie. Die Vermarktungswege und damit die Preisfindung werden immer intransparenter für den Landwirt“, sagt Moritz Bartmer aus Buxtehude. Wie der Landwirt und Braugerstenanbauer darauf reagiert hat, lesen Sie auf den folgenden Seiten.


Kontakt:


christian.brueggemann@topagrar.com

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