Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

„Der heutige Landhandel ist irgendwann Geschichte“

Lesezeit: 7 Minuten

Die BayWa AG rechnet mit erheblichen Veränderungen im deutschen Agrarhandel. Was auf die Branche zukommt und wie sich der Münchener Konzern darauf vorbereitet, erläutert der Vorstandsvorsitzende Prof. Klaus Josef Lutz.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Herr Lutz, Ihr Geschäftsjahr 2018 war turbulent: Im September meldeten Sie schlechte Zahlen, bis Jahresende war alles wieder im Lot. Warum?


Lutz: Wir haben zu Jahresende noch planmäßig große Projekte im Bereich Erneuerbare Energie verkauft (z.B. den Solarpark „Don Rodrigo“ in Süd- spanien mit 500000 Solarmodulen auf 265 ha – Anm d. Red.). Die BayWa entwickelt sich zu einem Projektunternehmen. Projekte werden dann verkauft, wenn sie fertig sind und einen optimalen Preis erzielen.


Auch im Baustoffhandel haben wir begonnen, Kooperationen mit Bauherren zu schließen. So können wir den Absatz unserer Baustoffe sichern und am Gewinn der Projekte teilhaben.


Welche Entwicklung wird das Agrargeschäft bei der BayWa nehmen?


Lutz: Die BayWa entwickelt sich vom reinen Handelspartner zum Problemlöser.


Der Landwirt steht heute vor vielen Herausforderungen: Das kann der große Aufwand für die Dokumentation seiner Dünge- oder Pflanzenschutzmaßnahmen sein, die Einhaltung von Bewirtschaftungsvorgaben oder einfach zu hohe Kosten. Er erwartet von uns als Händler und Dienstleister, dass wir diese Themen für ihn verlässlich lösen, egal wie. Und er möchte, dass wir ihm dafür zum Beispiel auch verlässliche und einfach zu bedienende digitale Plattformen anbieten.


Das ist auch für uns interessant, weil wir mit solchen Angeboten einen Wettbewerbsvorteil im Hinblick auf unser klassisches Agrargeschäft haben, zum Beispiel bei Betriebsmitteln.


Ab wann wir mit unseren digitalen Angeboten tatsächlich einen Gewinn erzielen werden, kann ich derzeit noch nicht sagen. Aber fest steht: So wie der klassische Landhandel bisher aufgestellt ist und wie wir ihn seit über 100 Jahren kennen, wird er sicherlich irgendwann Geschichte sein.


Was ist dann am Agrargeschäft überhaupt noch sexy?


Lutz: Das deutsche Agrargeschäft ist unser Kern, die Erbsubstanz der BayWa, und steht Nullkommanull zur Disposition. Unsere Aufgabe ist es jetzt aber, in einem schwierigen Markt Geschäftsmodelle, Prozesse, Logistik und vor allem die Serviceleistungen für den Landwirt so anzupassen, dass einerseits der Kunde zufrieden ist und andererseits das deutsche Agrargeschäft auch in Zukunft profitabel ist.


Wie viel Zeit geben Sie sich für den digitalen Umbau?


Lutz: Das hängt davon ab, wie viel Erfolg wir europaweit mit Smart Farming haben. In Deutschland geben die Landwirte nach unserer Einschätzung für Hard- und Software, Installation und Beratung im Bereich digitale Landwirtschaft eine Größenordnung von rund 100 Mio. € jährlich aus.


Im Vergleich zu unseren Investitionen in Innovation und Digitalisierung ist das nicht viel. Zudem legen wir ständig nach, um die Softwarepakete aktuell zu halten.


Deswegen müssen wir mit unseren Angeboten in ganz Europa Fuß fassen, nicht nur in Deutschland. Sonst wird es schwierig, die Investitionen zurückzuverdienen.


Wie gut ist die Agrarbranche auf die Digitalisierung vorbereitet?


Lutz: Besser, als sie sich verkauft. Bei uns gab es schon GPS-Steuerung im Traktor, da wusste die Automobilindustrie salopp gesagt noch nicht mal, wie man Software schreibt. ▶


Aber es gibt noch Potenzial bei der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirte. Die Digitalisierung kann helfen, die Prozesse auf den Höfen zu optimieren und die Kosten zu senken. Und: Die Digitalisierung kann dazu beitragen, die Landwirtschaft ökologischer und nachhaltiger zu machen.


Das Image der konventionellen Landwirtschaft ist leider nicht sehr gut. Sich jetzt aber nur mit allen Kritikern anzulegen, ist der falsche Weg.


Viel besser ist es, mit Lösungen zu überzeugen. Die Technik erlaubt uns, z.B. Pflanzenschutz und Dünger präziser einzusetzen und dadurch einzusparen. Auf diese Weise werden wir den gesamtgesellschaftlichen Anforderungen noch besser Rechnung tragen.


Werden Sie in Deutschland weitere Standorte schließen?


Lutz: 2019 wird es keine neuen Schließungen geben. Wir werden uns aber mittelfristig von Standorten trennen müssen, die nachhaltig rote Zahlen schreiben.


Das neue Management von Agrar Deutschland unter Marcus Pöllinger hat zirka drei Jahre Zeit, den deutschen Agrarbereich neu aufzustellen. Zum Beispiel, um unser Omni-Channel-Angebot voranzutreiben sowie um ein neues Standortkonzept auszuarbeiten.


Die Standorte, die bleiben, stellen wir noch besser auf. Schon heute investieren wir jährlich rund 40 Mio. € allein in unsere Agrar- und Technikstandorte.


Wollen Sie sich auch über Ihr Stammgebiet hinaus in Deutschland weiterentwickeln?


Lutz: Im Online-Handel sind wir schon deutschlandweit unterwegs. Wenn jemand aus Kiel über das Internet bei uns bestellt, dann liefern wir auch dorthin.


Ansonsten: Wenn der Wunsch besteht, dass sich die BayWa engagiert und wenn das für uns sinnvoll ist, stehen wir Gewehr bei Fuß. Das Kartellrecht setzt hier allerdings enge Grenzen.


Was heißt das?


Lutz: Der Strukturwandel im Agrarhandel könnte sich schneller vollziehen, als viele erwarten. Gerade bei den Primärgenossenschaften rechne ich mit einer richtigen Welle. Und ich sehe im deutschen Agrarhandel nur zwei Unternehmen, die dann schnell reagieren können. Eines davon ist die BayWa.


International stehen die Zeichen auf Abschottung. Spürt die BayWa bereits Konsequenzen?


Lutz: Zum Teil. Generell ist die Abschottungspolitik nicht nur ein Problem für die Handelsströme, sondern betrifft auch die globalen Herausforderungen in den Bereichen Nachhaltigkeit und Klimawandel. Diese Probleme können wir nur gemeinsam lösen, nicht national. Sonst fliegt uns der Planet bald um die Ohren.


Im Moment eskaliert vor allem der Handelskonflikt zwischen den USA und China.


Lutz: Die BayWa ist auch Opfer dieses Konflikts. Durch die chinesischen Importzölle hat unsere US-Tochter in Washington State 2018 weniger Äpfel nach China verkaufen können.


In einem Punkt hat Donald Trumps harter Kurs gegenüber China allerdings seine Berechtigung, nämlich in Hinblick auf Datensicherheit und den Schutz des geistigen Eigentums. Mein Handy wurde schon zweimal von Chinesen gehackt.


Wo liegt das Interesse der Chinesen?


Lutz: Sie sind scharf auf unsere Blaupausen für die Produktion. Ich war kürzlich mit dem Vorstandsvorsitzenden unserer neuseeländischen Tochter T&G Global in Shenzhen, um neue Absatzmöglichkeiten für Obst auszuloten.


Unsere Gesprächspartner haben sich dabei mehr für unser Know-how als für unsere Äpfel interessiert. Dieses sollten wir ihnen gleich mitliefern, um überhaupt ins Geschäft zu kommen.


Wieso ist China für Sie trotzdem so interessant?


Lutz: Ganz einfach, weil dort die Nachfrage nach Agrarprodukten hoch ist. Neuseeland war das erste Land überhaupt, das ein umfassendes Freihandelsabkommen mit China abgeschlossen hat. Das wollen wir nutzen und uns mit den Äpfeln, Beeren und Tafeltrauben von T&G stärker positionieren.


Für deutsches Obst ist dies bisher nur eingeschränkt möglich, weil es trotz guter Absatzmöglichkeiten in Asien mit den meisten asiatischen Staaten keine entsprechenden Handelsabkommen gibt.


Investieren Sie in China auch in Erneuerbare Energien?


Lutz: Nein, weil China als Investitionsort für unsere Kunden derzeit nicht attraktiv ist. Aber in Japan werden wir bis zu 150 Megawatt installieren. In Australien planen wir Projekte mit rund 240 MW. Wir sind zudem in weiteren südostasiatischen Ländern wie Thailand, Malaysia und Indonesien aktiv.


In Großbritannien setzen Sie über Tochterfirmen jährlich 2 Mrd. € um. Was wird daraus nach dem Brexit?


Lutz: Im Bereich der Erneuerbaren Energien sind wir in Großbritannien neben der Projektierung von Windenergieprojekten insbesondere als Betriebsführer von Wind- und Solarparks aktiv. Diese Aktivitäten werden wir auch nach einem Brexit unverändert fortführen.


Auch bezüglich unseres Agrarsektors gehen wir davon aus, dass unser Geschäft ohne größere Probleme weiterläuft. Auch für unsere Aktivitäten im internationalen Agrarhandel sehen wir kaum Auswirkungen, außer vielleicht beim Wechselkurs. Aber mit Wechselkursauswirkungen müssen wir im täglichen Geschäft immer umgehen, damit haben wir Erfahrung.


Das Interview führten Dr. Ludger Schulze Pals und Claus Mayer claus.mayer@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.