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„Deutschland kann mehr“

Lesezeit: 6 Minuten

Image- und Preiskrise bei Schweinefleisch, Rindfleisch im Höhenflug und das Gezerre um das Tierwohllabel: die deutsche Fleischbranche fährt Achterbahn. Trotzdem sieht Westfleisch-Vorstand Steen Sönnichsen große Chancen für die heimischen Erzeuger und Schlachter.


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Sie haben Jahrzehnte für Danish Crown gearbeitet. Tickt die deutsche Fleischbranche anders als die dänische?


Sönnichsen: Etwas. Die dänische Branche ist zentraler organisiert und spricht mit einer Stimme. In Deutschland wird oft noch zu viel gerangelt.


Wie läuft das Jahr 2018 für die Westfleisch SCE bisher?


Sönnichsen: Das erste Halbjahr war im Schweinebereich noch ganz ordentlich. Seit Juli läuft es jedoch nicht mehr ganz so gut. Das Angebot am Weltmarkt ist viel zu groß. Vor allem die USA expandieren und drücken die Preise. Der Effekt verstärkt sich, weil Dänemark und Spanien nun stärker auf den europäischen Markt drängen. Das Inlandsgeschäft stützt den Markt – das reicht aber alleine nicht aus.


Wie läuft es beim Großvieh?


Sönnichsen: Beim Rindfleisch haben wir eine gute Nachfrage. Trotzdem ist unsere Ertragslage zu verbessern. Im internationalen Vergleich sind unsere Einstandspreise hoch, was aus Sicht der Landwirtschaft erfreulich ist. Gut dass wir mit Westfalenland und Gustoland eine eigene Verarbeitung haben, sodass wir insgesamt mit dem bisherigen Jahresverlauf zufrieden sind.


Was erwarten Sie für 2019?


Sönnichsen: Bei Rind rechne ich weiterhin mit einer guten Nachfrage und festen Preisen. Bei Schwein wird uns das große Angebot und der Exportdruck die nächsten Monate noch beschäftigen. Für das zweite Quartal 2019 sehe ich aber auch festere Preise von bis zu 1,60 € pro kg SG.


Die Tierbestände in Deutschland gehen zurück. Wie gehen Sie damit um?


Sönnichsen: Wir wollen uns in den nächsten Jahren weiter spezialisieren und flexibilisieren. Die Standorte Coesfeld und Oer-Erkenschwick bauen wir aus und spielen dann mit 70000 bzw. 100000 Schweineschlachtungen pro Woche in der Champions-League. Unser modernisierter Rindfleischbetrieb in Lübbecke ist ohnehin europäische Spitze. Auch Hamm ist ein wichtiger strategischer Standort, weil wir hier zwischen Rind und Schwein variieren können. Insgesamt wollen wir unsere Marktanteile ausbauen und uns qualitativ weiterentwickeln.


Was heißt das?


Sönnichsen: Für uns sind das drei Punkte: Erstens meint das Programme mit speziellen Anforderungen, dazu zähle ich auch das staatliche Tierwohllabel. Zweitens veredeln wir Produkte höher, z.B zu Convenience. Denn dort steigt die Nachfrage. Und drit-tens steigern wir Erlöse im Export.


Aber gerade der Export klemmt doch aktuell. Wie soll das gelingen?


Sönnichsen: Deutschland verschenkt Wertschöpfung. Dänemark, Frankreich oder auch Irland haben beispielsweise längst eine China-Zulassung für Nebenprodukte vom Rind. Fleischwirtschaft und Politik arbeiten dabei in Deutschland nicht optimal zusammen.


Fleischexport ist für Politiker ein heikles Thema. Warum sollte sich das ändern?


Sönnichsen: Weil es eine Chance ist. Wenn wir die Wertschöpfung im Export erhöhen, können wir uns auch im Inland mehr Tierwohl leisten.


Wenn sich die afrikanische Schweinepest (ASP) in der EU weiter ausbreitet, wird das Exportieren nicht einfacher?


Sönnichsen: Richtig. Umso wichtiger ist, dass Brüssel die China-Zertifikate nachverhandelt. Wenn das klappt, sind wir weiterhin lieferfähig, auch wenn bei uns die ASP bei Wildschweinen ausbricht.


Auch China kämpft mit der ASP. Hat das Folgen?


Sönnichsen: Die Preisschere geht in China durch Transportrestriktionen auseinander. Zuletzt waren es 1,50 € pro kg LG im Norden und 2,30 € im Süden. Das ist ein Vorteil für uns, weil die Häfen im Süden liegen.


Was tut sich im Mexikoexport bei Schweinefleisch?


Sönnichsen: Mexiko ist nur ein Ergänzungsmarkt. Das hilft uns in Deutschland nur bedingt. Die Japaner sind interessanter, weil sie hohe Preise zahlen. Vor allem für Bäuche. Aber auch an Australien sind wir dran.


Hat denn der Drittlandexport bei der harten Konkurrenz noch Zukunft?


Sönnichsen: Druck machen aktuell vor allem die USA. Die können aber nur Menge. Wir Europäer können individuellen Export und der wird auch international immer wichtiger.


Der Schweinefleischverzehr bei uns sinkt und sinkt. Wie lässt sich der Negativ-Trend bei Schwein stoppen?


Sönnichsen: Weltweit steigt der Fleischverzehr weiter. In Deutschland hat Schweinefleisch ein Imageproblem, weil wir uns zu viel mit negativen Themen beschäftigen. Aus dieser Ecke müssen wir raus und mit neuen Produkten punkten. Wir testen derzeit z.B. gereiftes oder fetteres Schweinefleisch, um neue Kunden zu gewinnen. Daneben entwickeln wir High-Convenience, weil die Verbraucher immer weniger kochen. Großverbraucher wollen wir mit dem Foodservice überzeugen. Das sind alles Wachstumsmärkte.


Beim Rindfleisch steigt der Absatz hingegen, geht das so weiter?


Sönnichsen: Ich sehe hier noch Potenzial. Die Leute wollen Steaks und Hackfleisch statt Rouladen und Braten. Das Schöne ist: Der Verbraucher ist auch bereit, dafür mehr zu bezahlen.


Wie profitiert der Rinderhalter davon?


Sönnichsen: Guter Absatz heißt gute Preise. Wir haben kürzlich mit einem Kunden ein neues Färsenprogramm aufgelegt. Beim Kalbfleisch haben wir uns voll auf deutsches Kalbfleisch festgelegt. Und ich sehe noch Luft!


Suchen Sie neue Kälbermäster?


Sönnichsen: Klar. Aber auch Kühe, Bullen und Färsen sind willkommen.


Deutsche Ferkelerzeuger können von Wachstum nur träumen. Was tut die Westfleisch für sie?


Sönnichsen: 75% unserer Schlachtschweine sind in Deutschland geboren. Diesen Anteil wollen wir halten. Am Ende entscheidet jedoch der Markt.


Mit einem Herkunftsnachweis bei Schweinen könnte man die heimischen Ferkelerzeuger direkt unterstützen!


Sönnichsen: Am Fleischmarkt ist das kein Thema. Zumal wir so unnötige Logistikkosten schaffen. Wir müssen die heimischen Ferkelerzeuger anders unterstützen.


Sind die Logistikkosten wirklich so hoch?


Sönnichsen: Machen wir es konkret: In Coesfeld haben wir 14 Sortier-Klassen. Das können Sie mit den drei Stufen, die das staatliche Tierwohllabel künftig bringt, multiplizieren. Wenn wir dann noch nach deutsch, niederländisch und dänisch trennen, sind die Chargen so klein wie beim Metzger. Wir sollten die Erlöse nicht in den Prozess stecken, sondern an die Landwirtschaft geben.


In der Kastrationfrage gibt es eine Fristverlängerung. Was, wenn die lo-kale Betäubung auch in zwei Jah-ren scheitert?


Sönnichsen: Das darf nicht passieren. Wir müssen den zeitlichen Aufschub und die aktuell erreichte Öffentlichkeit des Themas jetzt nutzen, um den vierten Weg endlich durchzusetzen.


Gibt es keinen Plan B? Vielleicht klappt die Vollvermarktung für Eber ja dann?


Sönnichsen: Das schließe ich aus. Wir haben viele Kunden in Osteuropa oder auch in Japan, die kein Eberfleisch nehmen – auch kein Fleisch von immunokastrierten Tieren. Die derzeitige Anzahl an Ebern pro Woche können wir noch kanalisieren. Darüber hinausgehende Mengen sind schlichtweg schwer abzusetzen.


Sie haben sich gegen eine verpflichtende Haltungskennzeichnung ausgesprochen. Warum?


Sönnichsen: Weil es dann noch fünf Jahre dauert. Lasst uns doch erst mal anfangen und Erfahrungen sammeln. Wir wissen doch gar nicht, was der Kunde wirklich will? Nur bei Freiwilligkeit kann auch die Landwirtschaft darauf bestehen, dass es bezahlt wird. Das ist gerade bei den höheren Stufen wichtig, weil die Investitionen höher sind.


Kontakt: andreas.beckhove@topagrar.com

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