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„Die Initiative Tierwohl hat eine große Breitenwirkung!“

Lesezeit: 8 Minuten

Die Initiative Tierwohl ist startbereit. Der Kriterienkatalog steht, auch das Kartellamt hat keine Einwände. Anfang nächsten Jahres soll es losgehen. top agrar sprach mit Ralf-Thomas Reichrath von ALDI SÜD über die Ziele und Erwartungen des Handels.


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Wann liegt das erste Schweinefleisch der Initiative Tierwohl in Ihren Läden?


Reichrath: Wenn die notwendige In­frastruktur mit Clearingstelle, Datenbank usw. rechtzeitig steht, werden im ersten Quartal 2015 erste Audits auf den Betrieben stattfinden. Fleisch von Schweinen, die dann unmittelbar vor der Schlachtung stehen, könnte kurz danach im Handel sein. Der Lebensmittelhandel hat sich verpflichtet, ab dem 1. Januar 2015 in einen gemeinsamen Fonds einzuzahlen.


Trotz des extrem harten Wettbewerbs im Lebensmitteleinzelhandel arbeitet ALDI SÜD bei der Initiative Tierwohl mit der Konkurrenz partnerschaftlich zusammen. Warum sind Tierschutz und Tierwohl nicht geeignet, sich von den Wettbewerbern abzugrenzen?


Reichrath: Natürlich gibt es Felder, auf denen sich Händler Alleinstellungsmerkmale erarbeiten können, um sich gegenüber den Wettbewerbern abzugrenzen. Tierschutz und Tierwohl gehören aus unserer Sicht nicht dazu, weil das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die wir gemeinschaftlich wahrnehmen müssen.


Deutliche Veränderungen und Verbesserungen können wir hier nur erreichen, wenn möglichst viele Beteiligte entlang der Wertschöpfungskette – also Landwirte, Vermarkter, Handel und Verbraucher – mitmachen.


Warum ist das Thema für ALDI SÜD so wichtig? Kaufen Ihre Kunden nicht hauptsächlich über den Preis?


Reichrath: Unternehmerische Verantwortung heißt für ALDI SÜD, dass wir auch großen Wert auf einen respektvollen Umgang mit der Umwelt und auf tiergerechte Haltung legen. Das ist integraler Bestandteil unserer unternehmerischen Entscheidungsprozesse, schriftlich festgelegt und für jeden auf unserer Internetseite abrufbar. Unsere Kunden erwarten auch bei preisbewussten Kaufentscheidungen, dass wichtige Nachhaltigkeitsaspekte in der Produktkette berücksichtigt werden und fordern diese auch ein. Wir spüren, dass das Bewusstsein hierfür in den vergangenen Jahren gewachsen ist.


Welche Vorteile hat ein branchenweiter Ansatz gegenüber Tierwohl- Labeln bzw. Unternehmenskonzepten?


Reichrath: Die Durchsetzungskraft und Breitenwirkung einer branchenweiten Lösung geht deutlich über das hinaus, was bisherige Tierwohl-Label oder unternehmensbezogene Lösungen leisten konnten. Branchenweit Hand in Hand, entlang der gesamten Wertschöpfungskette – das ist der entscheidende Vorteil.


Was waren die größten „Mühlsteine“, die aus dem Weg geräumt werden mussten?


Reichrath: Es gab keine „Mühlsteine“, aber natürlich deutliche Interessens- unterschiede. Wenn konträre Interessen verschiedener Organisationen, Verbände und Wirtschaftsunternehmen aus allen Stufen der Wertschöpfungskette aufeinander prallen, lassen sich diese nur überwinden, wenn alle kompromissbereit sind und den Willen haben, gemeinsam etwas für die Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung zu tun. Das haben wir geschafft und darauf sind wir durchaus stolz.


Ist die Initiative Tierwohl mit strengeren Labeln, wie z. B. dem des Deutschen Tierschutzbundes, kombinierbar?


Reichrath: Wir stehen mit der Initiative Tierwohl jetzt am Anfang. Lassen Sie uns zunächst einmal starten und dann sehen, ob und welche Möglichkeiten es gibt, Dinge zusammenzuführen oder zu kombinieren.


Wird die Initiative Tierwohl zum neuen Qualitätsstandard für Fleisch, so wie es auch bei QS gelaufen ist? Wer nicht mitmacht, wird seine Schweine nicht mehr los.


Reichrath: Wir sollten abwarten, wie die Initiative anläuft. Wir starten mit einem System der Freiwilligkeit. Es steht allen Schweinehaltern frei, sich an der Initiative zu beteiligen oder nicht.


Anfangs wollte der Handel 500 Mio. € bereitstellen. Jetzt sind es nur noch 200 Mio. € und das auch noch befristet auf drei Jahre. Warum ist das Budget um mehr als die Hälfte geschrumpft?


Reichrath: Die Initiative Tierwohl ist auf eine möglichst große Branchenbeteiligung ausgelegt. Da galt es, die jeweils unterschiedlichen Rahmenbedingungen im Lebensmitteleinzelhandel zu berücksichtigen. Wir haben uns gemeinsam darauf verständigt, mit einem Tierwohlbeitrag in Höhe von 4 ct pro kg bezogen auf die gesamte Verkaufsmenge Schweinefleisch zu beginnen. Nach dem Start werden wir sehen, wie viel Geld für die Initiative tatsächlich zur Verfügung steht.


Wie berechnet sich der Betrag, den ALDI SÜD einzahlen muss?


Reichrath: Wir zahlen auf unsere komplette Verkaufsmenge von Schweine-Frischfleisch, Wurst mit Schweinefleischanteilen und Produkten aus Schweinefleisch oder mit Schweinefleischanteilen 4 ct/kg an die Trägergesellschaft. Diese überprüft die Einzahlung laufend durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer.


Das Interesse der Schweinehalter an der Initiative Tierwohl scheint groß zu sein. Was geschieht, wenn das Budget erschöpft ist?


Reichrath: Wir freuen uns, dass wir mit der Initiative Tierwohl jetzt endlich aktiv werden können. Was ggf. zu tun sein wird, um eine noch größere Zustimmung und noch mehr Teilnehmer zu gewinnen, wird sich ergeben.


Die Kosten für die Initiative Tierwohl werden auf den Fleischpreis aufgeschlagen. Die Bauern befürchten, dass der Handel versuchen könnte, sich zu „refinanzieren“, indem er die Einkaufspreise bei den Schlachtern entsprechend drückt. Ist die Sorge berechtigt?


Reichrath: Nein, die Sorge der Landwirte ist unbegründet. Der Tierwohlbeitrag, den ein Handelsunternehmen in den Fonds der Initiative Tierwohl einzahlt, ist völlig abgekoppelt vom Warenbezugspreis. Er ist unabhängig vom aktuellen Marktpreis und unabhängig vom Einkaufspreis (siehe Übersicht 2, S. 130).


Wenn der Verbraucher künftig pro kg verkauftem Schweinefleisch ca. 4 Cent mehr bezahlen muss, wären das bei einem Pro-Kopf-Verzehr in Deutschland von knapp 38 kg etwa 1,50 € zusätzlich pro Kopf und Jahr. Wo liegt aus Ihrer Sicht die Schmerzgrenze, die preissensible Verbraucher noch mittragen?


Reichrath: Zur allgemeinen Zahlungsbereitschaft der deutschen Verbraucher können wir keine generelle Aussage treffen. Wir hoffen jedoch, dass wir mit der Initiative auf eine breite Zustimmung treffen werden. Immerhin ist es für unsere Kundinnen und Kunden die Chance, selbst aktiv zu mehr Tierwohl beizutragen.


Wann ist die Initiative Tierwohl aus Ihrer Sicht ein Erfolg?


Reichrath: Die Initiative Tierwohl ist schon jetzt ein Erfolg, weil sich Unternehmen und Verbände entlang der gesamten Wertschöpfungskette gemeinsam auf den Weg gemacht haben, mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung zu fördern. Sie haben damit nicht nur positiv auf die öffentliche Diskussion reagiert, sondern selbst einen konstruktiven Lösungsbeitrag geleistet. Wenn die Initiative demnächst auch operativ das Tierwohl in der Nutztierhaltung verbessert, ist das ein für alle sichtbarer Fortschritt.


Und wenn das Konzept trotzdem scheitert?


Reichrath: Die Sorge haben wir derzeit nicht. Wir müssen von Anfang an dafür sorgen, dass die Anforderungen der Initiative in allen teilnehmenden Betrieben lückenlos umgesetzt werden und die Landwirte für gute Tierwohl- Leistungen auch einen vernünftigen Tierwohl-Zuschuss erhalten.


Welche der im Katalog aufgelisteten Kriterien sind besonders wichtig für den Erfolg und die Glaubhaftigkeit der Initiative Tierwohl?


Reichrath: Viele Verbraucher wünschen sich mehr Platz und Auslauf für die Tiere. Das haben wir mit den Kriterien sichergestellt. Hier bleiben wir aber nicht stehen. Unter Einbeziehung von Wirtschaft und Wissenschaft werden wir die Kriterien der Initiative Tierwohl laufend fortentwickeln.


Der Kriterienkatalog ist den Tierschützern viel zu lasch und flexibel. Sie fordern weniger, dafür aber strengere Vorgaben. Wie sehen Sie das?


Reichrath: Jeder, der eine Initiative startet, kennt das: Es gibt viele Vorschläge und noch mehr Meinungen. Ich glaube, dass wir mit dem Erreichten sehr zufrieden sein können. Die Bereitschaft, die Kriterien und Inhalte der Initiative immer wieder auf den Prüfstand zu stellen, ist nach meiner Einschätzung bei allen vorhanden. Wir wollen ein dynamisches System, an dessen Erfolg wir auch nach dem Start gemeinsam weiterarbeiten werden.


Und wenn der Gesetzgeber einzelne Kriterien zum Standard macht?


Reichrath: Wir starten jetzt mit einem System, das auf freiwilliger Basis, ohne Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung umsetzen wird. Es ergibt keinen Sinn, jetzt über etwaige Maßnahmen der Politik zu spekulieren, von denen wir nicht wissen, ob sie überhaupt kommen. Zudem hat uns das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) versichert, der Initiative Tierwohl sehr positiv gegenüberzustehen. Das BMEL wird aber genau beobachten, welche Fortschritte wir damit für das Tierwohl in den Schweineställen erzielen können.


Wie und wann wird das Bonussystem weiterentwickelt? Gibt es in den kommenden Jahren zum Beispiel einen Inflationsausgleich?


Reichrath: Die Zusage des Lebensmitteleinzelhandels gilt zunächst für drei Jahre. Mit ggf. nötigen Anpassungen werden sich die Gesellschafterversammlung sowie der Fach- und Finanzausschuss befassen.


Die Tierwohl-Ware soll in der Ladentheke nicht besonders beworben werden. Wie wollen Sie den Verbrauchern vermitteln, dass es den Schweinen nun besser geht als früher?


Reichrath: Natürlich wird der Lebensmitteleinzelhandel in seinen Filialen deutlich machen, dass wir mit unserer Initiative für mehr Tierwohl sorgen. Die Werbung wird sich aber nicht auf ein Produkt beziehen, sondern jeder Händler wird allgemein kommunizieren, dass er durch die Teilnahme an der Initiative mehr Tierwohl in den Ställen fördert. Wie die Kommunikation im Einzelnen aussehen wird, steht derzeit jedoch noch nicht fest.


Die Teilnehmer des Handels stehen für 85 % des deutschen Marktes. Werden Ihnen die Nicht-Teilnehmer nun Marktanteile abjagen, weil sie das Fleisch günstiger anbieten können?


Reichrath: Uns ist sehr daran gelegen, auch die bislang noch nicht beteiligten Handelsunternehmen für die Initiative Tierwohl zu gewinnen. Damit aber nicht genug: Auch Systemgastronomie, Metzgereien, Gemeinschaftsverpflegung, Verarbeitung und Großhandel wollen wir von der Initiative und ihren Zielen überzeugen. Wir sind zuversichtlich, dass uns dies gelingen wird.


Und wenn einer der „Big Player“ plötzlich aussteigt? Verabschiedet sich dann auch ALDI SÜD?


Reichrath: Die Branchenvereinbarung legt fest, welche Marktteilnehmer dabei sein müssen. Vor dem Start verpflichten sich diese Marktteilnehmer, die Initiative für die Dauer von drei Jahren mit der Zahlung des verein-barten Tierwohlbeitrags zu unterstützen. Insofern stellt sich die Frage des plötzlichen Ausstiegs gegenwärtig nicht.


top agrar: Kann die Initiative Tierwohl noch kurz vor dem Start scheitern?


Reichrath: Nein.

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