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Interview

„Gesetzgeber macht Druck!“

Lesezeit: 5 Minuten

Herr Windhorst, Ihre Forderungen sind radikal. Wie haben Landwirte darauf reagiert?


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Windhorst: Die ersten Reaktionen waren sehr kritisch und auch ablehnend. Der Vechtaer Kreislandwirt Norbert Meyer hat mir beispielsweise vorgeworfen, ich hätte die Situation zu stark überzeichnet. Landwirte hätten in den zurückliegenden Jahren schon sehr viel verändert. Wenig später wurde die Diskussion aber deutlich sachlicher.


...doch die Ablehnung blieb?


Windhorst: Nicht unbedingt. Sowohl Landvolk-Vertreter als auch einige Landtagsabgeordnete stimmten mir zu, dass sich was ändern müsse, wenn man auf Dauer die gesellschaftliche Akzeptanz behalten wolle.


Sie drücken aufs Tempo! Wie viel Zeit bleibt der Branche für den Umbau?


Windhorst: Das ist schwer zu sagen. Es hängt auch davon ab, wie die nächste Bundestagswahl ausgeht. Fünf Jahre müssen es aber wohl mindestens sein, um den Wandel auch vollziehen zu können. Die Politik sollte in dieser Zeit die Füsse stillhalten, damit Landwirte die Umstellung finanziell und vom Kopf her verkraften.


Was passiert, wenn sich Tierhaltung bzw. Fleischwirtschaft nicht anpassen?


Windhorst: Dann entscheidet der Gesetzgeber. Tierschutzorganisationen und auch politische Parteien werden den Druck erhöhen, sodass der Bundesregierung am Ende keine andere Wahl bleibt. Schon jetzt schlägt sie diesen Weg ein. Das vorgezogene Verbot der Käfighaltung von Legehennen in Deutschland sollte ein warnendes Beispiel sein.


Welche Rolle spielt der Lebensmittel-einzelhandel (LEH) dabei?


Windhorst: Der Handel hat vermutlich noch mehr Einfluss als der Staat. Bleiben wir bei den Legehennen: In kürzester Zeit hat der Handel dafür gesorgt, dass Eier mit der Kennzeichnung „3“ (ausgestaltete Käfige) aus den Regalen verschwinden. Die deutsche Eierwirtschaft musste sich den Vorgaben des LEH anpassen.


Wie wird sich Fleischmarkt denn auf die einzelnen Segmente verteilen?


Windhorst: Das meiste deutsche Fleisch wird auch künftig unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben erzeugt. Ich sehe den Anteil etwa bei 60 bis 70%, weil auch in Zukunft die meisten Konsumenten preisgünstige Lebensmittel bevorzugen. Produkte mit höheren Anforderungen werden zwar zunehmen, aber wohl kaum mehr als 20% Marktanteil erreichen. Vegetarische und vegane Lebensmittel sehe ich auf Dauer bei etwa 10%.


Sie sagen, der Verbraucher soll für mehr Tierwohl zahlen. Kann man das erzwingen?


Windhorst: Hier ist der LEH gefordert. Wenn er solche Produkte listet und richtig bewirbt, kann er auch höhere Preise durchsetzen. Da bin ich mir sicher.


Das Wiesenhof-Label „Privathof“ verspricht mehr Tierwohl, hat aber nach drei Jahren gerade mal einen Marktanteil von 2%. Was läuft da falsch?


Windhorst: Gar nichts. Hier zeigt sich einfach die sogenannte „kognitive Dissonanz“ der Verbraucher. Vor dem Laden erklären sie, dass sie gerne Tierwohl-Produkte kaufen würden. Allerdings kauft die Mehrheit dann doch die günstigere Ware. Damit muss man leben. Die Zahl derer, die wirklich mehr zahlt, steigt aber.


Warum tut der LEH so wenig für die Entwicklung zu mehr Tierwohl?


Windhorst: Das sind doch keine Wohltäter! Die Handelsketten wollen Gewinne machen und stehen im harten Konkurrenzkampf zueinander. Wenn sich Produkte, die in der Herstellung teurer sind, nicht verkaufen lassen, werden sie ausgelistet und durch kostengünstigere Waren ersetzt.


Und das sind dann ausländische Waren, die zu niedrigeren Auflagen erzeugt wurden?


Windhorst: Das ist gut möglich! Bei Bioprodukten kann man das aktuell gut beobachten: Die in Deutschland mit höheren Auflagen erzeugten Produkte lassen sich teilweise schwer absetzen. Deshalb kauft der LEH oft ausländische Erzeugnisse mit EU-Bio-Label und macht damit richtig Marge. Der Verbraucher realisiert dies häufig gar nicht, weil er einfach nur „Bio“ kauft.


Damit treibt man doch die Erzeugung aus dem eigenen Land. Wie verhindern wir, das beim Schweine- und Geflügel-fleisch?


Windhorst: Indem wir die Landwirte auf dem Weg zu höheren Standards mitnehmen und nicht überfordern. Steigen die Auflagen zu schnell, steigen die heimischen Bauern aus.


Die Initiative Tierwohl (ITW) verfolgt genau diesen Ansatz. Warum zahlt der LEH nicht mehr?


Windhorst: Der Verbraucher kennt die ITW noch gar nicht. Das zeigen unsere Umfragen. Im Gegenteil, er ist eher verwirrt durch die Vielzahl an Labeln. Der LEH wird dann zu höheren Zahlungen bereit sein, wenn er so gekennzeichnete Produkte auch höherpreisig verkaufen kann. Das ist aber bislang offensichtlich noch nicht der Fall.


Bundesminister Schmidt geht das zu langsam. Er plant ein staatliches Tierschutzlabel im kommenden Jahr. Was halten Sie davon?


Windhorst: Ich bin grundsätzlich gegen die Einmischung des Staates in den Markt. Wenn Subventionen dauerhaft fließen, um die Standards hoch zu halten, wird der Markt außer Kraft gesetzt. Und auch einmalige Subventionen, wie beim aktuellen EU-Hilfspaket für Milcherzeuger, helfen den kleineren Milchviehbetrieben auf Dauer nicht. Die Wirtschaft muss die Probleme selber lösen.


Bei der Düngeregulierung ist Dänemark ein Vorbild für Sie. Dort rudert man aber bereits zurück und erhöht die Düngeobergrenzen. Sollen wir die gleichen Fehler machen?


Windhorst: Ob die Dänen mit der rigiden Regelung beim Düngereinsatz wirklich falsch lagen, weiß ich nicht. Vielleicht sind sie etwas übers Ziel hinausgeschossen. Dass wir es in den Zentren der Veredelungswirtschaft im Nordwesten Deutschlands mit der Zufuhr von Nährstoffen übertrieben haben, dürfte aber unstrittig sein. Auch viele Landwirte sehen das so. Die entscheidende Frage ist doch, ob man die notwendigen Maßnahmen aus eigener Kraft schnell genug umsetzen kann. Oder ob der Gesetzgeber am Ende Fakten schafft.


Prof. Dr. Hans-Wilhelm Windhorst leitet das Wissenschafts- und Informationszentrums Nachhaltige Geflügelwirtschaft (WING).

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