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Getreidemarkt in schwierigem Fahrwasser

Lesezeit: 7 Minuten

Haben die Notierungen für Getreide wirklich wenig Luft nach oben? Dr. Nikos Förster, Marktbeobachter des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen, zieht eine Bilanz der laufenden Saison und wagt schon einen Ausblick auf die nächste.


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Franko 255 €/t: So viel kostete Brotweizen im März 2013 in Hamburg. Seither sind die weltweiten Lagerbestände aber stark gestiegen und die Preise kräftig gesunken. Anfang April 2018 wurden für die gleiche Weizenqualität nur noch 165 bis 167 €/t aufgerufen. Immerhin: 2017/18 wird erstmals seit fünf Jahren wieder mit einem Abbau der Vorräte gerechnet. Gibt es im weiteren Verlauf Preisspielraum nach oben?


Die Versorgung ist gesichert.

Laut US-Agrarministerium (USDA) wird der weltweite Verbrauch von Getreide gegenüber 2016/17 um 5,3 Mio. t zulegen. Die Produktion soll um 40 Mio. t sinken. Das ist vor allem den schwächeren Maisernten Argentiniens und Brasiliens geschuldet. Aber von Knappheit kann keine Rede sein. Die Silos sind voll.


Bis Mitte 2018 sinken die globalen Vorräte nach Schätzungen des USDA zwar um 22 Mio. t. Haussesignale, die Preissteigerungen einläuten, sehen aber anders aus. Bei 607 Mio. t Lagergetreide beträgt das Verhältnis zum Jahresverbrauch (Stock-to-use-ratio) laut dem Internationalen Getreiderat (IGC) immer noch 29%. Die Vorräte würden die Versorgung für 105 Tage sichern. Die FAO und andere Organisationen, die sich Gedanken über die Welternährung machen, halten das für ein gutes Polster.


Auf dem Papier sind vor allem die Weizensilos prall gefüllt. Die USA und Australien haben zwar weniger Weizen von den Feldern geholt. Dies wird aber durch Zuwächse in der Schwarzmeerregion mehr als kompensiert. Mit der russischen Rekordernte von 85 Mio. t steigt die globale Weizenerzeugung in dieser Saison auf einen neuen Höchststand von 760 Mio. t. Unter Berücksichtigung des Verbrauchs von 743 Mio. t erwartet das USDA Ende 2017/18 weltweit Vorräte von 271 Mio. t Weizen. Rechnerisch könnten diese Mengen den globalen Verbrauch ca. 133 Tage decken.


Aber genau hinschauen:

Auf den ersten Blick scheint der Weizenmarkt also gut versorgt zu sein. Das Bild ändert sich allerdings, wenn man die 127 Mio. t herausrechnet, die in China lagern sollen. Das sind immerhin 47% aller Vorräte. Weitere 12 Mio. t bzw. 4% liegen in Indien. Diese dienen ebenfalls in erster Linie der Eigenversorgung, nicht dem weltweiten Handel. Damit ist das globale Sicherheitspolster also nur halb so dick, wie es zuerst zu sein scheint.


Bei den führenden Exporteuren (Argentinien, Australien, EU, Kanada, Kasachstan, Russland, Ukraine und USA) rechnet der IGC am Saisonende mit Weizenvorräten von 76 Mio. t. Das liegt nur knapp über dem Niveau von 2016/17. Preislich kommt das aber bislang nicht zum Tragen. Börsianer sehen wenig Luft nach oben bei den Notierungen.


Skeptisch stimmt sie auch, dass den bisherigen Marktführern der Rang am Weltmarkt abgelaufen wird. Beim Weizenexport hat Russland inzwischen die Führung übernommen und bestimmt auch weitgehend das Preisniveau. Vor allem die USA und auch die EU verlieren damit weiter an Einfluss. Der EU-Export liegt mit 13,8 Mio. t nach Angaben der Brüsseler Kommission bisher 22% unter Vorjahreslinie. Russland hat bis dato bereits das Doppelte dieser Menge abgesetzt. Und Marktbeobachter rechnen bis zum Ende dieser Saison sogar mit bis zu 40 Mio. t russischem Exportweizen am Weltmarkt. Dabei stößt Russland zunehmend über die Häfen am Schwarzen Meer in die klassischen EU-Absatzmärkte Nordafrikas vor.


Maisvorräte schrumpfen:

Bei Mais scheint die Versorgung enger zu sein als bei Weizen. Laut USDA dürfte die weltweite Nachfrage mit 1,07 Mrd. t deutlich über der geschätzten Erzeugung von 1,04 Mrd. t liegen.


Treiber am Markt (sogenannte Driving-Forces) sind die expandierende Ethanol- und Veredelungsproduktion in China, Brasilien, den USA und der EU. Zudem wurde die Ernteprognose für Argentinien aufgrund anhaltender Trockenheit deutlich zurückgenommen. Gemäß der aktuellen Bonituren befinden sich dort etwa 43% der Maisbestände in einem eher schlechten Zustand.


Deshalb beziffert man an der Getreidebörse in Rosario – die Stadt liegt 300 km nordwestlich von Buenos Aires – die argentinische Maisernte nur noch auf 32 Mio. t (-3 Mio. t ggü. Vj.). Auch Brasilien könnte mit einer Ernte von 94,5 Mio. t (-4 Mio. t) am Ende der Saison Einbußen zu verzeichnen haben. Profitieren dürften davon vor allem die USA, deren Exporte laut dem USDA um rund 4,5 Mio. t auf 56 Mio. t steigen könnten. Daran werden wohl auch die von der EU angedrohten Importzölle auf US-Mais kaum etwas ändern.


Das USDA sieht den globalen Maisvorrat in dieser Saison bereits auf einem 4-Jahrestief von 198 Mio. t. Das spräche für festere Preise. Diese Zahl ist in Fachkreisen allerdings umstritten. Kritiker halten sie für zu niedrig. Die Analysten des IGC gehen z.B. sogar von 314 Mio. t Mais aus, der am Saisonende in den Silos lagert. Vor allem die Zahlen zu Chinas Maismarkt gehen zwischen USDA und IGC weit auseinander.


Der Grund: Pekings Agrar-Marktreform hat zu einer verstärkten Freisetzung der dortigen Maisvorräte geführt. Das USDA beziffert diese zum Saisonende jetzt auf knapp unter 80 Mio. t (ca. 21 Mio. t weniger als Ende 2016/17). Die chinesische Regierung selbst geht aber von deutlich höheren Beständen aus. Aus diesem Grund hat der IGC seine Zahlen zum chinesischen Maisvorrat kräftig nach oben korrigiert. Demnach soll Peking zum Saisonende noch Vorräte von gut 190 Mio. t haben.


Politische Zahlen?

Was die Schätzungen des USDA, Pekings sowie des IGC wert sind, bleibt abzuwarten. China könnte mit überzogenen Mengenangaben durchaus versuchen, der eigenen Bevölkerung eine gesichertere Versorgungslage vorzugaukeln, als sie wirklich ist. Aber auch die Angaben des USDA könnten politisch motiviert sein.


Ein großer Teil der Maiserzeugung, etwa 40%, läuft in den USA in die Ethanolproduktion. Unter Präsident Trump erhalten die fossilen Energien aber wieder mehr Gewicht, was eine Absenkung der Beimischungsquoten zur Folge hat. Und als größter Importeur von US-Mais wird Mexiko angesichts der politischen Spannungen zudem weniger in den USA kontrahieren. Mit der Aussicht auf eine vermeintlich vorprogrammierte Nachfrage Asiens – weil Chinas Sicherheitspolster abschmelzen – könnte man Sorgen vor einem Überangebot in den USA zerstreuen. Eventuell spielt auch der Handelsstreit mit China bei den Schätzungen schon eine Rolle.


Und die nächste Saison?

Auch die Prognosen zur Saison 2018/19 sind derzeit noch mit Vorsicht zu genießen:


  • Die Farmer in den USA wollen mehr Weizen anbauen, aber weniger Mais. In wichtigen Anbaugebieten fehlen allerdings Niederschläge. Das USDA rechnet deshalb mit festeren Weizenkursen.
  • Die Schwarzmeerregion beklagt kaum Auswinterungsschäden. Moskau prognostiziert bereits jetzt wieder eine Getreideernte von 110 bis 115 Mio. t.
  • In der EU soll das Getreide ebenfalls gut durch den Winter gekommen sein. Coceral, der Dachverband des europäischen Getreide- und Ölsaatenhandels, erwartet in diesem Jahr eine Ernte, die mit 302,5 Mio. t leicht über der von 2017 liegen soll. Allerdings soll die Weizenerzeugung wegen geringerer Anbauflächen um ca. 1 Mio. t abnehmen.


Bis zur Ernte kann das Angebotspendel je nach Wetter durchaus nach Plus und Minus ausschlagen. Aber selbst bei relativ optimistischen Ernteschätzungen kann von einem Überangebot künftig keine Rede mehr sein – wenn der IGC mit seiner letzten 5-Jahres-Prognose richtig liegt. Demnach sollen die globalen Vorräte schon in der kommenden Saison 2018/19 um 30 Mio. t sinken (vgl. Übersicht). Grund ist ein deutlich höherer Getreideeinsatz in der Nahrungs- und Futtermittelindustrie. Und in den folgenden Wirtschaftsjahren sollen die Bestände weiter abnehmen. Ob das zu deutlich steigenden Preisen führt, bleibt aber abzuwarten.


Kontakt:


joerg.mennerich@topagrar.com

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