Kaum geschmeckt haben dürfte der Kartoffelhandelsbranche die verbreitete Medienpräsenz Anfang Mai. Plötzlich häuften sich die Meldungen, ein Händlerkartell habe seit zehn Jahren die Verkaufspreise für Speisekartoffeln gemeinsam abgesprochen – und dem Lebensmittelhandel (LEH) wochenweise weitgehend einheitliche Verkaufspreise genannt.
Angeblicher Schaden: 100 Mio. € bis zu 1 Mrd. €! Neun Unternehmen seien durchsucht und gegen fünf Händler Bußgeldverfahren eingeleitet worden.
Wer oder was das Kartellamt auf die möglichen Preisabsprachen aufmerksam werden ließ, blieb bis Redaktionsschluss (17.5.) weitestgehend unklar. Die Behörde selbst nahm dem Thema schnell die Brisanz: Es habe zwar Durchsuchungen gegeben, man habe einen Anfangsverdacht, aber ansonsten wenig Handfestes.
Diese schnelle Meldung des Kartellamtes lässt vermuten, dass die Behörde entweder tatsächlich bislang wenig belastbare Beweise gefunden hat – oder Unternehmen motivieren will, drohende Bußgeldforderungen durch die Kronzeugenregelung zu verringern.
Aus der traditionell eher verschwiegenen Branche gab es bis zum Redaktionsschluss (17.5.) überhaupt keine Äußerungen zu den Vorwürfen, weder von Seiten der betroffenen Handelshäuser noch von Verbänden. Auch woher das Kartellamt die bisherigen „Tipps“ bekam, ist unklar. Spekulationen reichen vom LEH bis zu verärgerten Ex-Mitarbeitern.
Fraglich ist auch, wer tatsächlich einen Schaden von den eventuellen Absprachen hatte. Nach AMI-Auswertungen waren die Verbraucher- und Erzeugerpreise in den vergangenen Jahren von üblichen Schwankungen abgesehen weitgehend stabil. Und Kartoffeln kosten in Deutschland deutlich weniger als in vielen anderen EU-Staaten. Ob Landwirte ohne die vermeintlichen Absprachen höhere Erzeugerpreise erzielt hätten, ist deshalb fraglich.
Selbst wenn der Gewinn aus dem Kartell auf den Erzeugerpreis umgelegt worden wäre, hätte das vermutlich nur wenige Cent/dt ausgemacht. Schaden könnte Anbauern auch entstanden sein, wenn – wie kolportiert – die Preise für Pflanzkartoffeln manipuliert worden sind. Dagegen spricht, dass nicht alle Speisekartoffelhändler auch Pflanzgut anbieten, dieser Markt kleiner strukturiert ist und viele ausländische Anbieter bei uns aktiv sind.