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QM und QS: Die ungleichen Geschwister

Lesezeit: 6 Minuten

Die Qualitätssicherungssysteme QM-Milch und QS sind wie Halbgeschwister: gleiche „Abstammung“, ähnliche Erscheinung und trotzdem passen sie nicht so richtig zusammen. Warum eigentlich?


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Der Ursprung des QS-Systems und der QM-Milch ist eigentlich identisch. Nach dem „BSE-Schock“ Anfang 2001 wollte die landwirtschaftliche Branche eine Qualitätssicherung einführen, bevor der Handel oder der Staat ihre Vorstellungen alleine durchdrücken. In einem Kraftakt wurde noch 2001 das QS-System für die Fleischbranche aus der Taufe gehoben und QM-Milch folgte nur ein Jahr später. Aber warum gibt es überhaupt zwei separate Systeme?


Fleisch-Image zu schlecht?

Die Milchbranche bangte damals um ihr Image und wollte nicht mit der krisengeschüttelten Fleischwirtschaft in ein Boot steigen. Bis heute ist QM-Milch eigenständig und bestimmt die Standards selbst.


Vor allem die Fleischwirtschaft ärgert das, denn sie will am liebsten nur noch QS-Tiere verarbeiten. Um ausreichend Tiere zu bekommen, erhöhen Schlachter mit Abschlägen für Nicht-QS-Tiere den Druck auf die Tierhalter. Aktuell beträgt beispielsweise der Preisunterschied bei Jungbullen bis zu 13 Cent pro kg SG, berichten Marktkenner. Der QS-Anteil ist deshalb bei den Jungbullen mittlerweile auf 70 bis 80 % gestiegen.


Bei den Milchviehbetrieben funktioniert das nur bedingt. Die Schlachtkuh ist nur ein Nebenprodukt, sodass die QS-Teilnahme unter Milchviehhaltern immer noch die Ausnahme ist. Mit einer Rahmenvereinbarung zwischen QS und QM hat man deshalb vor einigen Jahren die Lieferung von QM-Schlachtkühen in das QS-System ermöglicht und die Lage so entschärft. Dadurch hat sich der QS-Anteil bei Schlachtkühen je nach Region inzwischen auf 40 bis 60 % erhöht. Doch zuletzt stagnierten die Anteile.


Das sehen Schlachter mit Sorge. Sie sagen, dass es im Inland kaum noch Absatzmöglichkeiten für Nicht-QS-Fleisch gebe. Der deutsche Einzelhandel setze heute fast komplett auf QS. „Die letzte große Handelskette stellt in Kürze komplett auf QS-Rindfleisch um“, berichtet Heribert Qualbrink, Einkaufsleiter bei der Firma Westfleisch. Nicht-zertifizierte Ware lasse sich dann nur noch im Export zu oft geringeren Preisen unterbringen, so der Fleischexperte.


Doch ob sich der QS-Anteil bei Schlachtrindern mit dem aktuellen System noch viel weiter steigern lässt, ist fraglich. Aus zwei Gründen:


  • Nicht alle Molkereien sind QM-Milch-Betriebe. Zwar sollen im Norden die Marktanteile von QM-Milch bei fast 100 % liegen. In Bayern, dem Milchland Nummer 1, sind es aber gerade mal 50 bis 60 %.
  • Die Vereinbarung zwischen QM und QS gilt nur für Schlachtkühe. Färsen und Bullen, die auf dem Milchviehbetrieb gemästet werden, bleiben außen vor.


QS begründet das mit der fehlenden Kontrolle dieser Tiere. Denn QM erfasst eben nur die Milchproduktion. „Ob im Nebengebäude noch ein paar Bullen stehen, sieht der Prüfer in der Regel doch gar nicht“, sagt Katrin Spemann von der QS Qualität und Sicherheit GmbH in Bonn. Damit bleibt vielen Schlachtrindern auf QM-Betrieben der Weg in das QS-System versperrt.


QS braucht QM-Betriebe.

Es könnte sogar noch schlimmer kommen. Wenn die Vorstellungen der Systeme zu weit auseinander driften, steht auch die Vereinbarung infrage. Von heute auf morgen fielen dann fast 33 000 Rinderhalter aus dem QS-System.


So weit wird es aber nicht kommen, glauben Insider. Dafür ist die Abhängigkeit zwischen den Systemen schon zu groß. Denn QS braucht die Schlachttiere und QM würde Millionen Euro an Schlachterlösen aufs Spiel setzen. Die Systeme müssen deshalb zusammenarbeiten, obwohl sie sich eigentlich nicht „mögen“. Die Rivalität kommt auch immer mal wieder durch: So hat QS mittlerweile ein Milch-Modul, das dem Kriterienkatalog von QM gleicht, aber von den Molkereien nicht anerkannt wird.


Doch warum fremdeln die Systeme so sehr? Neben dem erwähnten Imageproblem bemängeln Kritiker, dass sich QM zu langsam weiterentwickele. Ganz unberechtigt ist das nicht, denn bis Mitte letzten Jahres galt immer noch der Leitfaden aus dem Jahr 2006.


Systeme gleichen sich an.

Erst seit Juli 2012 ist der QM-Milch-Standard als Zertifizierungsgrundlage durch die deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) anerkannt. „Das war ein wichtiger Schritt, denn bisher konnte der Standard keine flächendeckenden neutralen Kontrollen garantieren“, bestätigt auch Katrin Spemann, die bei QS für Landwirtschaft zuständig ist. Das erleichtere die Zusammenarbeit, sagt sie.


Noch einen Schritt weiter geht Dr. Rudolf Schmidt vom Landeskontrollverband NRW. „Damit hat QM vom Status her mit QS gleichgezogen“, sagt er. Durch die Akkreditierung habe sich der Standard entscheidend verändert:


  • zusätzliche Kriterien,
  • risikoorientierte Kontrollen,
  • mehr K.o.-Kriterien.


Zudem unterschreiben die QM-Gremien in diesen Tagen eine Rahmenvereinbarung, die den Informationsaustausch mit der QS-Futtermittel-Datenbank ermöglicht. „Damit wird in Zukunft der Weg in das QS-System auch für Färsen, Bullen und Kälber von QM-Betrieben frei“, ist Eckhard Heuser vom Milch-Industrieverband (MIV) überzeugt.


Bei QS ist man nicht abgeneigt. „Vielleicht lassen sich über zusätzliche Checklisten beim QM-Audit die milchfremden Bereiche Bullenmast und Nachzucht integrieren“, hofft auch Spemann. Die QS-Expertin wünscht sich einen offenen Austausch mit QM-Milch im Sinne der Landwirte. Vor allen Dingen müsse man doppelte Audits auf den Rinderbetrieben vermeiden (siehe Kasten).


Der Leiter für den strategischen Einkauf bei der Handelskette Rewe würde hingegen am liebsten eine Warengruppe „QS Milch“ sehen. Der Handel möchte nämlich langfristig nur „echte“ QS-Tiere. „Es war als Übergangslösung gedacht und ist nun ein Dauerzustand“, beklagt auch Stefan Rossmann von Ulmer Fleisch. Er will, dass mehr Betriebe bei QS mitmachen. „Wir überlegen, den Zuschlag für QS-Tiere auf 10 Cent zu erhöhen und den für QM-Tiere bei 5 Cent zu belassen. Die Vion differenziert im Süden zwischen den Systemen schon länger und zahlt seit 2009 für QM-Kühe 3 Cent weniger als für QS-Kühe. Wenn das Schule macht, dürften die Vereinbarungen zwischen QM und QS ihren Wert verlieren. Wer dann Zuschläge haben möchte, muss sich einem QS-Audit unterziehen, ob er will oder nicht.


QM bleibt eigenständig.

Nach den Neuerungen bei QM stellt sich in der Tat die Frage, ob man noch zwei Systeme braucht. Für die Milchwirtschaft steht das derzeit nicht zur Diskussion. „Fleisch und Milch sollte man immer sauber trennen“, stellt Dr. Hans-Jürgen Seufferlein vom Milcherzeugerverband Bayern klar. Bei möglichen Skandalen im Fleischsektor würde Milch über QS mit in den Sog geraten. Außerdem gibt es unüberbrückbare Unterschiede:


  • QM-Milch ist ein System zwischen Molkerei und Landwirt. Es endet an der Anlieferrampe, weil ab hier andere Systeme greifen wie IFS oder ISO.
  • QM ist keine Marke, die auf Verbraucherprodukte aufgedruckt wird. Das System soll im Hintergrund bleiben.
  • Im Gegensatz zu QS sitzen keine Handelsvertreter mit am Tisch und können die Standards hochschrauben. Träger sind Bauern-, Raiffeisen- und Milchindustrieverband. „Die Kriterien auf den landwirtschaftlichen Betrieben legen wir selbst fest“, betont Dr. Simon Schlüter, der beim DBV für QM-Milch zuständig ist. Nicht jede Auflage bei QS sei sinnvoll, gibt er zu bedenken.
  • QM wurde in das bestehende Milchkontrollsystem integriert. Es arbeitet kosteneffizient und braucht eigentlich keine zusätzliche Organisation.


Das hört sich nicht nach einer baldigen Verschmelzung der beiden Systeme an. Umso wichtiger ist es, dass beide noch enger als bisher kooperieren. Spielräume dafür gibt es noch.Andreas Beckhove

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