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Pressekonferenz

Tönnies: „Handel, hört mit dem Preiskrieg auf!“

Clemens Tönnies hat bei der Jahrespressekonferenz am Donnerstag in Rheda-Wiedenbrück den Handel ermahnt, mit den vernichtenden Preisschlachten beim Fleisch aufzuhören. Diese würden alle Tierwohlanstregungen der Bauern kaputt machen. Der Schuldige am Ende sei für den Verbraucher aber stets der Landwirt.

Lesezeit: 9 Minuten

„Wir müssen aufhören, das tolle Produkt Fleisch zu verramschen!“ Das sagte der geschäftsführende Gesellschafter Clemens Tönnies am Donnerstag auf der Pressekonferenz der Tönnies Gruppe. An den Handel gerichtet appellierte er: „Hört endlich auf diesen Preiskrieg mit Fleisch zu machen!“

Landwirte und Verarbeiter seien Vorreiter beim Tierwohl und mitten in Optimierungsbemühungen, dennoch müsse sich die Branche am Ende für die viel zu günstigen Produkte im Laden rechtfertigen, das sei laut Tönnies „hirnrissig“. Der Handel sei es, der die Fortschritte zunichte mache.

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Die ganze Branche mit der guten Landwirtschaft kommt seiner Meinung nach zu schlecht weg, sagte Tönnies und sprach sich dafür aus, noch mehr mit den Medien und Verbrauchern zu diskutieren. So spreche bei der Nitratbelastung der Flächen niemand davon, dass es durch den Biogasboom erhebliche zusätzliche Belastungen gab. Schuld seien nur die Tierhalter. „Wir leiden insgesamt an einer Fehleinschätzung unserer Arbeit, an fehlender Wertschätzung“, so Tönnies weiter. „Ich stelle mich dagegen, dass die Landwirte ihre Tiere quälen und Umweltsünder seien. Genau im Gegenteil: 96 % unserer Liferanten sind Familienbetriebe, die bereit sind, die Tierhaltung zu verbessern. Und die werde ich schützen.“

Ebermast oder Immunokastration: Jeder wie es für ihn passt

Zum Thema Ferkelkastration erklärte Clemens Tönnies, dass sich sein Unternehmen auf die Ebermast wie auf die Immunokastration eingestellt habe. Er selbst sei ein Verfechter des 4. Weges. Er kann sich vorstellen, dass es künftig Kastrationskolonnen gibt, die von Hof zu Hof fahren und Ferkel kastrieren. „Denn: Nicht jeder kann Eber mästen, der Stall und die Betreuung spielen eine Rolle. Jeder muss das machen, was er für seinen Betrieb als beste Lösung sieht“, so der Konzernchef weiter.

Was Schweine aus der Immunokastration angeht, so habe sich die Gruppe darauf eingestellt. Japan etwa werde aber kein Fleisch solcher Tiere auf seinen Markt lassen. „Es wird interessant zu sehen, wieviele Landwirte und Vermarkter sich für dieses Vorgehen entscheiden werden. Wir jedenfalls werden und müssen jedes Tier aus dieser Behandlung detektieren, also riechen, um gleichbleibende Qualität sicherstellen zu können“, sagte Tönnies. Der Handel habe sich dazu bekannt, jedes Tier abzunehmen, die Bauern bräuchten dringend Planungssicherheit, daher werde Tönnies jedes Schwein abnehmen. Man müsse dann nur intern die Tiere sortieren.

Tierwohllabel: Klöckner kann auf Tönnies zählen

Eine große Chance sieht das Unternehmen im staatlichen Tierwohllabel von Agrarministerin Klöckner. Diese habe volle Unterstützung von Tönnies und man sei auch in den Gremien aktiv dabei. Es gehe jetzt darum, mit dem Handel über die Kriterien zu sprechen, um keine Labelflut zu schaffen. Der erste Aufschlag des Handels mit eigenen Labels sei gut und richtig gewesen. Jetzt gehe es aber um die Weiterentwicklung und Beteiligung aller Partner. Tönnies geht davon aus, dass Klöckners Label große Anerkennung beim Kunden bekommen wird. „Wir würden uns wünschen, dass der Handel erkennt, dass es nur ein Label geben kann.“

„Das Tierwohllabel darf nicht in die Nische getrieben werden mit zu hohen Forderungen. Wir müssen in die Breite, bei der jeder Landwirt teilnehmen kann und per festem Aufschlag seine Mehrarbeit entlohnt bekommt“, so Tönnies. Nur ein fester Aufschlag sei sicher, würde man die Vergütung dem Handel überlassen, wären die Bauern wieder die Verlierer.

Zum Thema Antibiotika lobte der Firmenchef die Landwirte, wie unglaublich weit die Reduzierung schon sei. Das liege zum einen an der Datenbank, aber auch an dem Projekt der Einzeltierbehandlung. Mit elektronischer Ohrmarke sei stets feststellbar, welches Schwein Antibiotika bekam. Die Absatzzahlen des antibiotikafreien Fleisches seien stabil. Eine komplett antibiotikafreie Mast, wie von einem Wettbewerber angepriesen, hält Tönnies für fraglich. Kranke Tiere müsse man behandeln. Dank der Kennzeichnung würden diese dann bei der Schlachtung eine andere Schiene laufen. „Ich stelle ein Umdenken in der Landwirtschaft beim Thema Antibiotika fest“, sagte er.

Geschäftszahlen: Wachstum trotz sehr starkem Wettbewerb

Der Wettbewerb hat sich nach Aussage der Geschäftsführung sehr verschärft. Die ganze Fleischbranche befinde sich im Wandel. „Erste sprechen schon von einer Krise. Tönnies steht aber gut da, wir haben die erste Phase dieser Krise gut überstanden und die Schlachtzahlen gehalten“, so der Unternehmer weiter.

Die Tönnies Holding habe 2018 weltweit 20,8 Mio. Schweine verarbeitet, ein Plus von 1 % gegenüber 2017, davon 16,6 Mio. in Deutschland (+/- 0 %). Insgesamt sei der deutsche Markt um 2, 5 % gesunken. Bei den Rindern verarbeitete und zerlegte Tönnies im Jahr 2018 insgesamt 440.000 Tiere (+ 2 %), und das in einem Markt, der insgesamt um 3 % schrumpfte, hieß es. Aufgrund des schwachen Schweinepreises, der 12,5 % niedriger als im Vorjahr war, liegt der Unternehmensumsatz mit 6,65 Mrd. Euro 3,6 % niedriger als im Vorjahr.

Maximilian Tönnies berichtete, dass der Biomarkt weiter wachse. Aber auch vegetarisch, Geflügel und Snacks seien im Trend. Man wolle den Kunden von Morgen ansprechen und von Wurst überzeugen. In diesem Zusammenhang stellte er die neue Marke Lechtaler für Bayern vor. Vegetarische Produkte habe man dagegen weitgehend eingestellt bis auf die vegetarische Fleischwurst von Gutfried, die laufe sehr gut. Dem Wettbewerber Rügenwalder bescheinigte Tönnies, mit seinen Veggie-Produkten einen guten Job zu machen und rechtzeitig eine kleine, aber nicht wachsende Nische besetzt zu haben.

Alle Standorte werden überprüft

Andres Ruff, Geschäftsführer der Tönnies Holding, erklärte, dass alle Standorte laufend überprüft würden. „Wir konzentrieren und spezialisieren unsere Standorte. Beispielsweise haben wir in Gütersloh ein Spezialwerk für Edelschimmeltechnologie. Zudem haben wir Standorte wie den in Landsberg am Lech entwickelt. Dort produzieren wir auf Basis traditioneller Rezepte und innovativer Technologien erfolgreich für LEH-Eigenmarken, bringen aber auch neue bayerische Marken wie Lechtaler Original national in den Handel“, so Ruff. Damit einhergehend wurden 2018 die Standorte Herzebrock, Beckum, Nohra und Verl geschlossen.

Diese Konsolidierungsphase sei erstmal abgeschlossen, was nicht bedeute, dass man weiter laufend Strukturen von Standorten einer Überprüfung unterziehe. Aktuell gibt es laut Tönnies 24 Standorte, vier davon aus anderen Bereichen wie Pet Food etc. Den Standort Artland baue man derzeit zum Rinderzentrum für den Norden aus. Auch Bad Bergen wird wachsen, der Genehmigungsantrag liegt bei den Behörden. In eineinhalb Jahren könnte dort nach dem Umbau der Betrieb laufen, schätzt Tönnies.

„Wir haben vier Hauptstandorte Schwein in Deutschland, die sind gesetzt und mit Kellinghusen ist noch einer dazugekommen. Bei Convenience könnte es dagegen noch einige Zusammenlegungen geben. Auf das Heparinwerk angesprochen sagte Tönnies, das Kauf-Angebot des Marktführters in dem Bereich sei derart super gewesen, da habe man nicht ablehnen können. Die Tönnies Forschung bleibe aber an solchen Themen dran, etwa bei der Weißleber- oder Gallenverarbeitung.

Internationales Wachstum

International setzt die Gruppe ihre Wachstumsstrategie unvermindert fort. Man wachse derzeit in Frankreich und Polen; in Großbritannien sei Tönnies Segment-Marktführer. In Dänemark wurde 2018 der wirtschaftliche Turnaround erreicht, so dass die Gruppe nach der Übernahme von Tican eine sehr positive Entwicklung nehme, sagte Ruff.

Insgesamt stehe die deutsche Fleischbranche zunehmend unter Druck. Länder wie Spanien oder die USA würden den internationalen Markt mit günstig produzierter Ware fluten, ohne vergleichbare Standards beispielsweise in Haltung und Tierschutz.

In Russland hat Tönnies 1 Mio. Schweine in 14 eigenen Mastbetrieben erzeugt. Über weitere Ställe denke man nach. Ein eigener Schlachthof lohne sich aber nicht, weil die Schlachtbranche dort massive Überkapazitäten habe. Man sei auch im Gespräch mit einem anderen Unternehmen, das ebenfalls 1 Mio. Schweine erzeugt. Auch nach drei Treffen sei man aber nicht zusammengekommen, so Tönnies: „Die wollen das meiste geschenkt, wir aber wollen was verdienen“, sagte er am Donnerstag. Das jährliche durchschnittliche Investment in Russland bezifferte Tönnies mit 100 Mio. Euro.

Wichtiger Exportmarkt ist China. Das Geschäft sei mit dem Land bisher stabil, wegen der ASP dort seien die Verhältnisse aber chaotisch, böten aber auch Wachstumschancen. Größter Wettbewerber dabei seien allerdings die USA. Tönnies erwartet ein Ende des Handelskrieges China-USA. Dennoch habe Made in Germany einen hohen Wert in China, so dass der Schlachtkonzern dort weiteres Wachstum anstrebe.

Auch auf den Brexit ist Tönnies vorbereitet. Man strebe in Großbritannien den Ausbau der vertikalen Integration an und werde dazu u.a. noch einen Schlachthof kaufen. Beim Thema Schwein erwartet die Firma aus Rheda-Wiedenbrück geringe Zölle.

Angestellte

Tönnies beschäftigt 16.500 Mitarbeiter, 4.000 davon bei der Zur Mühlen Gruppe. Knapp 50 % aller Mitarbeiter hätten Werksverträge. Und nur noch 18 % dieser Werkvertragsmitarbeiter arbeiten zum Mindestlohn, allen anderen zahlt Tönnies deutlich mehr. Laut dem Geschäftsführer stehe man heute im Wettbewerb um gute Mitarbeiter mit den anderen Fleischwerken in ganz Europa und müsse daher mehr zahlen.

TONISO: Revolution in der Fütterung

Als einen Meilenstein in der nachhaltigen Entwicklung der Nutztierhaltung bezeichnete Clemens Tönnies das mit der Landwirtschaftskammer NRW entwickelte Fütterungssystem TONISO – wir berichteten. Dabei werde die Sojafütterung um 50 % reduziert, was die N-Ausscheidungen über die Gülle massiv senke und einen bis zu 30 % geringeren Stickstoffanfall bedeutet. Dazu gehört, dass Kot und Urin schon im Stall separiert werden und damit nicht reagieren können. Der Kot werde dann im Biogenerator getrocknet, fermentiert und letztlich als Dünger oder Humus für den Gartenbau verkauft.

100 Landwirte nehmen an dem Projekt schon teil. „Das sind spektakuläre Ergebnisse. Es wird aber einige Jahre dauern, bis diese N-Reduzierung im Grundwasser messbar wird“, so Tönnies.

Parallel dazu arbeite die Tönnies-Forschung an neuen Stallkonzepten. Es gehe aber nicht darum den Landwirten vorzuschreiben, wie die bauen sollen, man wolle nur Wege zeigen. Als erfolgversprechend wertet Clemens Tönnies den Offenfrontstall mit direktem Kontakt zur Umwelt inkl. Trennung von Urin und Kot.

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