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Nährstoffüberschüsse: Landwirte im Kreis Borken legen Plan B vor

Ihr ursprünglicher Plan war gescheitert. Nun haben eine Gruppe von 86 Landwirten aus dem Kreis Borken und der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband ein neues Konzept präsentiert, mit dem sie die Nährstoffüberschüsse in ihrer Region entschärfen wollen.

Lesezeit: 6 Minuten

Ihr ursprünglicher Plan war gescheitert. Nun haben eine Gruppe von 86 Landwirten aus dem Kreis Borken und der Westfälisch-Lippische-Landwirtschaftsverband ein neues Konzept präsentiert, mit dem sie die Nährstoffüberschüsse in ihrer Region entschärfen wollen. Mit Hilfe bekannter Verfahren aus der Klärtechnik soll die Gülle in Dünger und Industrieprodukte umgewandelt werden. Die Wertstoffe will die NDM Naturstoffe GmbH, so der Name der eigens dafür gegründeten Gesellschaft, anschließend vermarkten.


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Das Besondere an der Aufbereitung: In den Endprodukten sammeln sich vor allem Stickstoff und Phosphor, die mit dem Verkauf aus den Düngebilanzen der landwirtschaftlichen Betriebe verschwinden. Lediglich ein kaliumhaltiges Wasser wird am Ende der Prozesskette übrigbleiben und zurück auf die Betriebe bzw. Flächen fließen.


Erster Versuch gescheiteret


Es ist nicht der erste Vorschlag der Gesellschaft. Die NDM und der Energieriese RWE Innogy wollten bereits vor Jahren zusammen mit dem WLV eine 4,2 Megawatt-Biogasanlage bauen. Die Einsatzstoffe: 90 % Güllefeststoffe, die aus etwa 700.000 m3 Roh-Gülle gewonnen werden sollten, sowie 10 % Zwischenfrüchte. Die Gülle sollte auf den Betrieben vor Ort separiert werden. Das Anlagenkonzept sah unter anderem eine Gärrest-Komplett-Aufbereitung vor. Den dabei anfallenden Dünger wollte man ebenfalls vermarkten, um sich so der Nährstoffe zu entledigen. Die Achillesferse des Konzeptes: Die Finanzierung basierte auf der Stromvergütung aus dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz 2012 (EEG 2012). Doch mit dem neuen EEG in diesem Jahr wurde die Vergütung von der Regierung drastisch zusammengestrichen. Die finanzielle Grundlage für das Projekt war geplatzt.


Die NDM wollte sich offensichtlich aber nicht so schnell geschlagen geben. Zusammen mit der Firma ENVIMAC Engineering aus Oberhausen entwickelten sie ein neues Konzept. Der große Unterschied: Die Biogasproduktion soll nur eine untergeordnete Rolle spielen; man will sich offensichtlich von der Politik unabhängig machen.


Bewährte Technik


Das Konzept im Schnell-Durchlauf: Die Gülle wird zunächst auf den Betrieben in den Güllesilos gelagert. Dabei darf sie etwa zwei Monate lang nicht aufgerührt werden, damit sich die feste von der flüssigen Phase trennt. Experten sprechen auch vom so genannten „Absätzigen Verfahren“. Die „Dickgülle“ mit zehn Prozent Trockensubstanz will die NDM dann absaugen und mit LKW zur eigentlichen Anlage transportieren. Dort wird sie dann nochmals in eine feste und dünne Phase separiert. Die festen Bestandteile will die NDM als Substrat an umliegende Biogasanlagen vermarkten. Die flüssigen Bestandteile werden hingegen in einer 600-Kilowatt-Biogasanlage vor Ort vergoren. Die dabei anfallenden Gärreste aus der Biogasanlage wollen die Anlagenbetreiber dann nochmals separieren. Die daraus gewonnenen festen Bestandteile verlassen als getrockneter Dünger die Region. Die flüssige Phase will man mit bekannter Technik aus der Wasseraufbereitung zu Phosphor, Ammoniak (NH3) und handelsüblichem Flüssigdünger verarbeiten. NH3 wird unter anderem in der Rauchgasentstickung (auch DeNOx genannt) von Industrieanlagen verwendet, um Abgase zu reinigen (es wirkt wie das AdBlue beim Traktor). Der Stickstoff wird zu reinem Luftstickstoff. Phosphor sei ein gefragter Rohstoff, der in der Industrie verstärkt nachgefragt werde.


Die Naturwertstoff-Anlage arbeite energieautark. Das bei der Produktion gewonnene Rohbiogas sowie der erzeugte Strom und die ausgekoppelte Wärmeproduktion werden zur Eigenenergieversorgung der Anlage genutzt.


200.000 Tonnen Dickgülle


Für das Projekt sind neben den Landwirten keine weiteren Partner vorgesehen. Die Naturwertstoff-Anlage je 100.000 t Schweine- und Rindergülle pro Jahr verwerten. Der Güllebedarf der Anlage wird ausschließlich durch Lieferungen von beteiligten Kommanditisten aus dem Kreis Borken gedeckt. Lieferungen von Landwirten aus anderen Regionen oder den Niederlanden sind ausgeschlossen. Im Vergleich zum früheren Biogasanlagenkonzept (ca. 190.000 t Feststoff = ca. 900.000 m³ Gülle) werden so nur noch 22 Prozent der Güllemenge benötigt. Die Separation erfolgt bei dem neuen Konzept komplett auf der Anlage. Ein großer Vorteil: der gesamte Prozess wird zentral gesteuert und überwacht. Während des gesamten Produktionsprozesses werden sämtliche klimarelevanten Gase punktgenau abgesaugt und weiterverwertet, versprachen die Projektbeteiligten. Mit einem Anstieg des Verkehrsaufkommens sei nicht zu rechnen. Außerdem werden An- und Ablieferung logistisch so zusammengefasst, dass pro Stunde im Durchschnitt nicht mehr als 2 bis 3 Lkw den Weg zur Naturwertstoff-Anlage oder von ihr weg nehmen müssen.


Die Naturwertstoff-Anlage wird auf einem Grundstück im westfälischen Velen gebaut. Bürgermeister Dr. Christian Schulze Pellengahr begrüßt die neue Initiative als einen wichtigen Beitrag zum Gewässerschutz: „Ich freue mich, dass Velen der Standort für diese zukunftsweisende Naturwertstoff-Anlage sein soll. Damit werden wir zum Vorreiter, wenn es darum geht, aus Reststoffen der Landwirtschaft Produkte mit Mehrwert herzustellen.“ Als Baubeginn ist, in Abhängigkeit der Erteilung der Baugenehmigung und der Witterung, Herbst 2015 geplant. Die Anlageninbetriebnahme ist für 2016 vorgesehen.


„Die Naturwertstoff-Anlage fördert keinesfalls das Tierzahl-Wachstum der beteiligten Landwirte“, sagt Heinrich Emming, selbst Landwirt und Beiratsvorsitzender der NDM. „Sie erschließt uns Landwirten neue ökonomische Möglichkeiten. Und zwar dadurch, dass wir Gülle nicht mehr als Abfall entsorgen müssen, sondern aus ihr Wertstoffe produzieren können.“ 


Landwirte gesucht


Rund 15 Millionen Euro wird die Anlage kosten. Fest steht, die 86 Landwirte haben bereits für ihr ursprüngliches Konzept schätzungsweise rund 1 bis 3,5 Millionen Euro gesammelt, die nun in das neue Projekt fließen können. Die genaue Höhe wollte die NDM nicht nennen. Die restlichen Millionen sollen Banken und neue Mitglieder einbringen. Es werden somit noch Landwirte gesucht, die sich an dem Konzept beteiligen. Die Rede war von etwa 65 weiteren Betrieben. Diese müssten sich dann mit mindestens 15.000 Euro an der Anlage beteiligen und erhalten im Gegenzug das Recht, eine bestimmte Menge Gülle an die Anlage liefern zu dürfen. Je Kubikmeter Gülle, die an die Aufbereitung fließen, müssen die Betriebe weitere 8 € zahlen. Darin seien aber alle Kosten für den Transport, die Aufbereitung und den Rücktransport des kaliumhaltigen Wassers auf die Betriebe enthalten. Da an den Güllebörsen derzeit und auch in Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich höhere Preise gezahlt würden, könne sich eine Beteiligung auszahlen, so die NDM. Zudem erhalten die Landwirte für ihre Einlage eine Rendite. Wie hoch diese ausfallen könnte, wollte man noch nicht verraten.

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