Politiker sind Sprachakrobaten. Unangenehme Entscheidungen verpacken sie so geschickt, dass uns Bürgern oft gar nicht bewusst wird, was damit gemeint ist. In Berlin ist beispielsweise immer öfter von der "Solidarisierung des Eigenverbrauches" die Rede. Das hört sich harmlos an, ist es aber nicht.
Um das Kind beim Namen zu nennen: Wer seinen Strom selbst erzeugt und an Ort und Stelle verbraucht, muss künftig dafür womöglich auch die EEG-Umlage zahlen. Diese beträgt derzeit 6,24 Cent je Kilowattstunde – und sollte die Große Koalition den Selbstverbrauchern tatsächlich diesen Betrag in voller Höhe abknöpfen, wäre der Eigenverbrauch damit schlagartig unrentabel.
Das würde auch viele Landwirte treffen. Dabei machen sie nichts anderes als das, was die Regierung bis vor ein paar Jahren sogar noch mit einem Eigenverbrauchs-Bonus belohnte: Sie erzeugen dort grünen Strom, wo er auch benötigt wird. Damit entlasten sie nicht nur die Netze, weil sie die Energie erst gar nicht in die Leitungen schicken, sondern auch die Umwelt.
Jahrelang galt der Eigenverbrauch in Berlin daher als vorbildlich. Aber davon ist schon lange nicht mehr die Rede. Im Gegenteil: Mit dem Begriff „Solidarisierung“ unterstellt man den Landwirten im Grunde sogar noch "unsolidarisches Verhalten".
Über die Beweggründe kann man nur spekulieren. Es drängt sich aber der Verdacht auf, dass der Eigenverbrauch zur realen Gefahr für die klassische Energiewirtschaft geworden ist. Denn er verdirbt den Konzernen das Geschäft. Am liebsten würden diese das Rad wieder zurückdrehen. Der Druck auf die Regierung dürfte entsprechend groß sein.
"Ab in den Papierkorb damit"
In Berlin stellt man den Zusammenhang natürlich anders dar. Dort heißt es sinngemäß: Die Kosten der Energiewende werden über die EEG-Umlage abgerechnet, die wiederum Bestandteil des Strompreises ist. Je mehr Verbraucher ihren eigenen Strom erzeugen, desto weniger Schultern tragen die Kosten. Das sei ungerecht!
Auf den ersten Blick ist das nachvollziehbar, auf den zweiten aber eine mehr als fragwürdige Begründung. Denn der Strompreis würde kaum sinken, wenn man die Abgabe auf den Eigenverbrauch erhebt. Das belegen Berechnungen von Experten.
Hinzu kommt: Selbstverbraucher kassieren keine Vergütung für ihren Ökostrom und kaufen auch keinen Strom zu. Weshalb sollten sie die Umlage zahlen? Wie abwegig eine Solidarisierung ist, wird auch an einem Beispiel deutlich. Stellen Sie sich vor, die Regierung würde einen Erdgas-Solidaritätszuschlag für Brennholz einführen. Schließlich zahlen Landwirte, die mit Hackschnitzeln oder Stückholz heizen, keine Entgelte für den Erhalt und Betrieb der Erdgasnetze. Ob die Regierung sich trauen würde, das einzuführen? Wohl kaum.
Man kann nur hoffen, dass die Idee der "Solidarisierung des Eigenverbrauches" ganz schnell wieder dort landet, wo sie hingehört – in den Papierkorb.