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Wissenschaftler zerpflücken Bioenergie-Studie

Das Deutsche Biomasseforschungszentrum (DBFZ) lässt kein gutes Haar an der Studie der Nationalen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina). Sie habe zwar versucht einen pointierten Beitrag zur Diskussion um eine nachhaltige Energieversorgung zu leisten. Jedoch werde durch die lückenhafte und teilweise überholte Argumentation ein verzerrtes Bild erzeugt.

Lesezeit: 6 Minuten

Das Deutsche Biomasseforschungszentrum (DBFZ) lässt kein gutes Haar an der Studie der Nationalen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina). Sie habe zwar versucht einen pointierten Beitrag zur Diskussion um eine nachhaltige Energieversorgung zu leisten. Jedoch werde durch die lückenhafte und teilweise überholte Argumentation ein verzerrtes Bild erzeugt. So wurden wichtige politische Randbedingungen übersehen und Forderungen erhoben, die bereits gelöst sind. Dazu zählen laut DBFZ folgende Punkte:

 

(1) Ziele der EU: Das EU-2020-Konzept fordert 10 % des Gesamtenergieverbrauchs im Verkehrssektor durch erneuerbare Energien zu ersetzen, und nicht wie in der Studie teilweise widersprüchlich dargestellt, dass 10 % allein durch Bioenergie bereitgestellt werden sollen. Entsprechend der Richtlinie kann die Quote aber z. B. auch über Elektromobilität und den stromgebundenen Schienenverkehr erfüllt werden. Zudem werden bei der Berechnung des Quotenanteils für Biokraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen doppelt angerechnet, um so die gezielte Nutzung von biogenen Reststoffen zu fördern.

 

(2) Berücksichtigung aller Klimagasemissionen: Anders als dargestellt, ist der Treibhausgasaufwand für die Bereitstellung von Bioenergie bei der Bewertung der Klimaeffekte sowohl wissenschaftlich etabliert als auch in ersten politischen Instrumenten berücksichtigt. Nach der EU-Richtlinie 2009/28/EG (EU RED) ist ein zu erfüllendes Kriterium für die Biokraftstoffe und flüssige Bioenergieträger die Mindestreduktion an Treibhausgasemissionen gegenüber der fossilen Referenz.

 

Bei dieser Berechnung fließen auch die Aufwendungen aus der Produktion und Konversion der Biomasse sowie der Nutzung von Energieträgern und Hilfsstoffen ein. Der derzeitige Mindestwert von 35 % Reduktion steigt für neue Produktionsanlagen bis 2018 auf 60 %. Des Weiteren wird in Deutschland ab dem Jahr 2015 die Berechnungsmethodik der Biokraftstoffquote von einer prozentualen Mindestmenge auf die tatsächliche Treibhausgasvermeidung umgestellt, sodass Biokraftstoffe mit einer hohen Vermeidung gegenüber der fossilen Referenz wesentliche Vorteile besitzen und damit effiziente Anreize zur hochwertigen Nutzung der begrenzten Biomassen gesetzt werden. Da diese Politikinstrumente in der Studie nicht erwähnt werden, ist zu befürchten, dass sie auch nicht in die Abwägung zum künftigen Ausbau der Bioenergie eingeflossen sind.

 

(3) Schutz wertvoller Flächen: Durch die in der EU-Richtlinie 2009/28/EG (EU RED) geforderte Zertifizierung von Biomasse sind erste Nachhaltigkeitsanforderungen für die Biokraftstoffe und flüssige Bioenergieträger etabliert, die in Hinblick auf eine nachhaltige Agrarproduktion Vorbildcharakter haben. Eine Anerkennung bzw. Förderung erfolgt nur, wenn die Kriterien zum Anbau, der Produktion und zum Handel nachweislich, durch entsprechende Zertifizierungssysteme geprüft, eingehalten werden. Die Kriterien gelten gleichermaßen für heimische wie auch für importierte Biomassen.

 

(4) Kosten der Bioenergie: Die in der Studie getroffene Aussage, dass von den alternativen Energietechnologien Biomasse den höchsten Preis je eingesparter Tonne CO2-Äquivalent hat, ist für die Bereitstellung von Biokraftstoffen aus Energiepflanzen sachlich richtig. Gleichwohl haben diese Biokraftstoffe – wie im zweiten Teil der Leopoldina-Studie dargestellt – infolge fehlender Alternativen zumindest mittelfristig einen hohen strategischen Stellenwert für eine nachhaltige Mobilität. Bioenergie für die Sektoren Strom und Wärme werden bereits heute zu einem großen Anteil aus Rest- und Abfallstoffen bereitgestellt. Die Nutzung dieser Substrate ist mit vielfach geringen bis sehr geringen Treibhausgas-Vermeidungskosten verbunden.

 

(5) Import von Biomasse: Die für 2010 genannten Biomasseimportraten von über 50 % für die energetische Nutzung sind nicht nachvollziehbar. In der Berichterstattung des Nationalen Aktionsplans für erneuerbare Energien der Bundesregierung an die Europäische Kommission werden rund 26 % für 2010 bilanziert. Für das Jahr 2020 wird eine Verfügbarkeit von inländischer Biomasse von über 1.200 Petajoule erwartet.

 

Wichtige Zusammenhänge fehlen

 

Nicht in notwendiger Tiefe und Breite reflektiert werden zudem die Systemzusammenhänge und Wechselwirkungen der Bioenergie. Von technischen Aspekten der Kaskadennutzung über die Einordnung agrarökonomischer Verteilungsfragen zwischen Futtermitteln und Energieträgern bzw. zwischen Biomasse produzierenden und nutzenden Ländern bis hin zu den systemtechnischen Notwendigkeiten einer weitgehend auf erneuerbaren Energien fußenden Energieversorgung fehlen viele wesentliche Blickwinkel zur problemadäquaten Einordnung der Möglichkeiten und Grenzen:

 

(1) Nutzungskaskaden für die energetische Biomassenutzung: Am Beispiel Stroh wird aufgezeigt, dass nennenswerte Potenziale zur energetischen Nutzung vorhanden sind. Allerdings fallen diese in der Studie vergleichsweise gering aus. Gleichzeitig wird festgestellt, dass ein vergleichbar großer Anteil als Einstreu in der Viehhaltung verwendet wird. Dieses Einstreu steht am Ende der Nutzung jedoch ebenfalls der energetischen Nutzung zur Verfügung. Unter Berücksichtigung der Nutzungskaskade sind die Potenziale zur energetischen Nutzung also doppelt so hoch wie angegeben. Zumal – wie in der Studie festgestellt – bei der Erzeugung von Biogas ein Großteil der Nährstoffe zurück auf die Flächen geführt wird, sodass durch Schließen eines Teils der Nährstoffkreisläufe der Bedarf an mineralischen Düngern verringert wird.

 

(2) Nahrungsmittelsicherheit versus Bioenergie: Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat ohne Wenn und Aber Priorität vor der Energieversorgung. Gleichwohl hat die Frage, welche Nahrungsmittel im Sinne der begrenzten Ressourcen, aber auch im Sinne einer gesundheitsfördernden Versorgung eigentlich benötigt werden, ihre umfassende Berechtigung.          Die Studie kommt selbst zu dem Ergebnis, dass mit 60 Mio. Tonnen Kohlenstoff mehr als 50 % des in Deutschland vereinnahmten Kohlenstoffes als Futtermittel aufgewendet werden. Auch ein großer Teil der Biomasseimporte resultiert aus der tierischen Veredelung. Bei der Betrachtung dieser Importe muss jedoch das gesamte Außenhandelssaldo berücksichtigt werden. So ist in den vergangenen Jahren bspw. der Außenhandel mit Fleisch und tierischen Erzeugnissen stetig gewachsen und befindet sich derzeit auf einem Rekordniveau. Der Selbstversorgungsgrad mit Fleischprodukten lag 2011 bei 117 %. Solche differenzierten Diskussionen bedürfen der Einbindung von Agrarwissenschaftlern und Ökonomen. Gleiches gilt für die pauschale Aussage, dass Import von Stoffen automatisch zum Export von Umweltproblemen führt.

 

(3) Alternativen zur Bioenergie: Über 60 % der erneuerbaren Energien in Deutschland, Europa und weltweit basieren auf Bioenergie. Auch wenn andere Energieträger in den kommenden zwei Dekaden an Bedeutung deutlich gewinnen werden und die Energieeffizienz für den Übergang in eine nachhaltige Energieversorgung unumgänglich sind, wird Bioenergie eine tragende Rolle in der Transformation einnehmen. Ein Ausstieg aus dem Bioenergieausbau führt zumindest mittelfristig zurück in die fossile Energieversorgung, wo es aufgrund neuer Fördertechniken und der Erschließung neuer Quellen, wie Ölsanden, Schiefergas und arktischen Tiefseevorkommen, sicher nicht zu geringeren Klimagasemissionen kommt. Dies hätte der Einbindung von Systemwissenschaftlern zur Bewertung der anthropogenen Stoffströme bedurft.

 

Damit bleibt die Frage, ob, in welchem Umfang und mit welchen technologischen Ausrichtungen der weitere Bioenergieausbau in Deutschland erfolgen soll, unbeantwortet. Das Verfasserteam kann das nicht leisten. Umso mehr betrübt es, dass es sich trotzdem zu umfassenden Empfehlungen entschlossen hat.

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