Dass die Bürger in Europa der Biotechnologie in der Landwirtschaft mit Widerstand begegnen, liegt nach Einschätzung einer bekannten deutschen Genetikerin auch an der Gunstlage der EU für die Agrarproduktion. „Wir haben es nicht nötig. Europa hat das beste Klima der Welt“, sagte Prof. Christiane Nüsslein-Volhard vom Tübinger Max-Planck-Institut (MPI) für Entwicklungsbiologie in Berlin bei einer Veranstaltung der Gregor-Mendel-Stiftung.
Mit „unseren fruchtbaren Böden“ könne man hierzulande „sehr gut hinkommen“. Dieser Lage stellte die Nobelpreisträgerin (68) die Situation in anderen Weltregionen mit höherem Schädlingsbefall gegenüber, so in tropischen Gebieten. Auch setzt sie Hoffnungen auf die Grüne Gentechnik, wenn es um Chancen geht, verkarstete Böden wieder fruchtbar zu machen. Die Biochemikerin kritisierte somit die Nabelschau der Europäer.
Im Rückblick auf die Entwicklung der Roten Gentechnik, also der Nutzung der Biotechnologie in der Medizin, warnte Nüsslein-Volhard davor, den Anschluss an internationale Entwicklungen zu verpassen. Damals - es vergingen 14 Jahre, bis die Insulinherstellung auf Basis gentechnischer Methoden in Deutschland genehmigt wurde - verließen laut ihrer Darstellung viele junge Forscher die Bundesrepublik.
Eine ähnliche Tendenz wie seinerzeit in der Medizin erkennt die Biologin nun im Bereich der Pflanzenzucht. „Die Chancen junger Wissenschaftler werden eingeschränkt, weil es keine Möglichkeiten in Deutschland gibt, gentechnisch veränderte Organismen (GVO) anzuwenden und zu entwickeln“, erklärte Nüsslein-Volhard und plädierte für eine „vernünftigere Gesetzgebung“. Die Grüne Gentechnik werde sich auf Dauer durchsetzen, auch wenn die Deutschen nicht mitmachten.
Parallelen zur Haltung bei der Grünen Gentechnik sieht sie in Deutschland bei der Stammzellenforschung. Man tue so, als sei man liberal, gestalte den Rahmen aber so restriktiv, dass er für die Wissenschaft uninteressant sei. (AgE)