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Bauer Willis Brief an die Politiker

Welche Partei steht noch für uns Landwirte? Nachdem Bauer Willi die Programme und andere Aussagen gelesen hat, kommt er zu einem ernüchternden Ergebnis. Meist laufen sie einem Weltbild nach, das mit der Realität nur noch wenig zu tun hat und wohl auch kaum zukunftsfähig ist.

Lesezeit: 7 Minuten

Welche Partei steht noch für uns Landwirte?  Nachdem Bauer Willi die Programme und andere Aussagen gelesen hat, kommt er zu einem ernüchternden Ergebnis. Meist laufen sie einem Weltbild nach, das mit der Realität nur noch wenig zu tun hat und wohl auch kaum zukunftsfähig ist. Warum sagt die Politik nicht offen und ehrlich, wohin der Weg gehen soll? Das kommt in Bauer Willis nachfolgenden Brief an die Politiker zum Ausdruck:


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Lieber Politiker....


 

…jetzt habe ich Ihres und alle andere Parteiprogramme gelesen. Mein Grundproblem als Bauer ist, dass sich Ihre Partei, ebenso wie andere Parteien auch, immer mehr dem Mainstream der sogenannten öffentlichen (oder besser: „veröffentlichten“) Meinung anpassen. Und in der kommen wir immer schlechter weg. Neulich war ich auf einem internationalen Symposium als Podiumsteilnehmer und durfte mir von einem Professor Vorwürfe (ja eigentlich schon Beschimpfungen) anhören wie „Sie verseuchen mein Grundwasser, sie verpesten unsere Ackerböden, in meinem Urin ist Glyphosat“.  Solche Vorwürfe, zumal sie von einem Wissenschaftler vor einem Publikum aus aller Welt vorgebracht wurden, sind schwer zu ertragen. Der normale Bürger denkt genauso, womit ich aber aufgrund meines fortgeschrittenen Alters noch einigermaßen zurechtkomme. Der Bürger weiß es halt nicht besser. Wie denn auch, bei dieser medialen Übermacht der Kritiker.




Für unsere Jugend sind diese Vorwürfe schon schwierig zu verkraften. Ich war bei  Landjugendverbänden eingeladen, auf denen mir die jungen Landwirte und Landwirtinnen erzählen, dass sie nicht mehr auf Feiern gehen, auf denen sie als Landwirt alleine sind. Wenn sie sich als Landwirte „outen“ werden sie sofort in Diskussionen verwickelt, denen sie (auch) emotional nicht mehr gewachsen sind. Also feiern sie nur unter sich. Das ist kein Einzelfall, auch wenn Sie mir das nicht glauben mögen. Heute wurde ich zu einen Landfrauenverband eingeladen und der Tenor ist der gleiche: „Wir Landwirte werden in der Gesellschaft nur noch angegriffen, müssen uns nur noch rechtfertigen und wissen eigentlich nicht wofür“. Ist das nicht eine kritische Entwicklung?




Vor zwei Wochen hatte ich Gelegenheit, Minister Schmidt zu sprechen, der mir aber auch nur antwortete, dass wir Landwirte wieder „in die Mitte der Gesellschaft“ gehören, wo wir aber derzeit nicht mehr seien. Wie wahr! Vor drei Wochen hatte meine Genossenschaft, in der ich ehrenamtlich tätig bin, Minister Remmel zu einem zweistündigen Gespräch in kleinem Kreis  eingeladen. Er äußerte die Befürchtung, dass die Landwirtschaft in Deutschland bald keine Rolle mehr spielt. Das sehe ich ähnlich, allerdings ist er mit seiner Politik daran nicht ganz unschuldig. Was ich ihm dann auch gesagt habe.




Was mir zunehmend Sorgen macht, ist die Einstellung des Handels, der sich mit den NGOs verbrüdert. Ob das REWE, EDEKA oder LIDL sind,  alle entdecken mittlerweile den Begriff der Nachhaltigkeit und des Tier- und Umweltschutzes für sich und nehmen sich WWF, NABU oder andere Organisationen mit an Bord. Und alle sehen uns Landwirte in der alleinigen Verantwortung. Das äußert sich dann in immer neuen Regelungen, die wir Landwirte einzuhalten haben oder ansonsten ausgelistet werden. Der LEH erhebt sich mittlerweile, gemeinsam mit den NGOs, zum neuen Gesetzgeber. Wenn dann unsererseits aber höhere Preise eingefordert werden, ist Schweigen im Walde. Und kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit der Initiative Tierwohl: da gibt es mehr enttäuschte Landwirte als glückliche. Denn beim nächsten Listungsgespräch sind die 4 Cent eh wieder futsch. Aber das große Plakat zur Initiative Tierwohl bei Aldi, Lidl und Co.  bleibt hängen. Das sehe ich jeden Tag und ärgere mich, weil das Fleisch oder die Milch im Laden wieder billiger geworden ist. Der LEH hat als Drehscheibe zwischen Produzent und Konsument nur noch die eine Seite, den Konsumenten, im Blick. Der Produzent ist austauschbar und das bekommt er jeden Tag zu spüren: “Wenn du nicht lieferst, dann halt ein anderer”. Und so machen das alle, auch ohne Kartell.




Zu den Medien möchte ich nicht viel sagen. Reportagen wie „Das Leiden der Turbo-Kühe“ oder Berichte in Frontal 21 („Die Gülle-Flut“) zielen ja auf Quote. Und da werden dann im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auch mal gerne Videos von Animal Right Watch gezeigt und so der Eindruck erweckt, als wäre das Gezeigte gängige Praxis in deutschen Ställen. Woher die Videos stammen wird nicht hinterfragt. Und ich finanziere das mit meinen Gebühren.




Warum ich das schreibe? Weil ich nach der Partei suche, die sich gegen den allgemeinen Mainstream stellt und sagt: „Stopp, bis hierhin und nicht weiter“.  Ein ethisch und wissenschaftlicher Diskurs über tiergerechte Tierhaltung mit der Gesellschaft sind schöne Worte. Ich kann Ihnen heute schon sagen, was die Gesellschaft möchte:


Bio! Aber bitte zum Schnäppchenpreis!


Dieses Dilemma kann nicht aufgelöst werden, da die gesellschaftlichen Ansprüche der Bürger und die Zahlungsmoral der Konsumenten nicht zusammenpassen. Oder anders: Der Bürger hat höchste Ansprüche an Umwelt-, Tier- und Naturschutz, der Konsument will billig.

Ich betreibe seit 35 Jahren praktische Landwirtschaft und habe selbst erlebt, wie sich unser Betrieb vom Idyll mit Kühen, Schweinen, Hühnern und Enten zu einem spezialisierten Ackerbaubetrieb mit modernster Technik entwickelt hat. Gleiches gilt für die tierhaltenden Kollegen mit Melkrobotern. Die Qualität unserer Produkte ist immer höher geworden, der relative Verkaufserlös immer niedriger. Von 100 kg Weizen konnte sich mein Vater 400 Brötchen kaufen, bei mir reichen 100 kg Weizen noch für 53 Brötchen. Das können Sie jetzt gerne mal in Prozent ausrechnen.




Doch ich möchte nicht über schlechte Preise jammern. Damit kann ich als selbstständiger Unternehmer umgehen. Und zwar, in dem der Betrieb noch größer wird, die Betriebszweige noch spezialisierter. Doch da bekommt der von allen Parteien so gern gebrauchte Satz vom „Erhalt des bäuerlichen Familienbetriebes“ einen zynischen Beigeschmack. Ich weiß es und Sie sollten wissen, dass diese Vorstellung nicht weiter aufrecht zu erhalten ist. Das beginnt schon mit der einfachen Tatsache, dass uns Bauern in wenigen Jahren der Nachwuchs fehlen wird, der unsere Betriebe weiterführt. Unser Sohn macht im nächsten Jahr seinen Master in Agrarwissenschaften und ich weiß nicht, ob ich ihm bei der gegenwärtigen geringen gesellschaftlichen Akzeptanz seines Berufes raten soll, den Betrieb zu übernehmen.




Sie fragen mich, ob ich Vorschläge habe, wie man das Prinzip von Wachsen oder Weichen ändern könnte. Nein, die habe ich nicht, aber ich bin auch kein Politiker sondern nur ein Bauer. Aber ich hätte eine Bitte: hören Sie und Ihre Kollegen in allen anderen Parteien endlich auf, uns mit Ihren Sprechblasen zu langweilen sondern sagen sie uns einfach mal die Wahrheit. Das wäre eine Überraschung, denn damit rechnet nämlich keiner. Und diese Wahrheit lautet: Wachsen oder weichen. Das ist der Markt! Kann aber auch sein, dass Sie das Ziel verfolgen, die deutsche Landwirtschaft komplett auf Bio umzustellen. Können wir, aber eben nicht zum Schnäppchenpreis. Den Hartz-IV-Satz sollten Sie übrigens nach der Umstellung auch schon mal kräftig anheben, um soziale Unruhen zu vermeiden. Vergessen Sie dabei bitte auch nicht die Flüchtlinge. Denn auch die sind auf preiswerte Lebensmittel angewiesen.




Denken Sie mal darüber nach. Und ich überlege, wen ich beim nächsten Mal wähle. Denn das werde ich auf jeden Fall tun, als anständiger Staatsbürger. Doch ob es Ihre Partei ist, hängt davon ab, wie sie handeln. Und nicht wie Sie reden.




Mit freundlichen Grüßen

Ihr Bauer Willi


Dieser Artikel erschien im Original auf der Seite www.bauerwilli.com

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