Heute war EU-Agrrakommissar Dacian Ciolos zu Besuch auf drei niedersächsischen Betrieben. Zusammen mit Landwirtschaftsminister Gert Lindemann, Landvolk-Präsident Werner Hilse sowie weiteren Politikern und Verbandsvertretern hat er mit den Betriebsleitern über die Agrarreform gesprochen und sich die Höfe angeschaut. Schwerpunktmäßig ging es um das Greening, die Definition des aktiven Landwirts sowie den Bürokratieabbau.
Lindemann hat dem Agrarkommissar dabei ein Positionspapier mit den Forderungen Niedersachsens an die Agrarreform übergeben. Vor allem das Greening geht den Norddeutschen zu weit. So stellt der Minister in dem Papier klar, dass bereits heute schon 6,5 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Naturschutzgebieten u.ä. liegen. Weitere 20 % seien in Überschwemmungsgebieten oder lägen in Landschafts- oder Wasserschutzgebieten. Zusammen mit weiteren 19 % in der Kulisse der Wasserrahmenrichtlinie wären somit 46 % der niedersächsischen Agrarfläche von Auflagen betroffen. 22 % der Bauern würden zudem an Agrarumweltmaßnahmen teilnehmen. „Wir unterstützen das Ziel der Kommission, verstärkt Umweltziele aufzunehmen, jedoch sollte das mit Augenmaß geschehen“, heißt es in dem Positionspapier.
Die von Ciolos geplanten Vorgaben (7 % ökol. Vorrangfläche, Anbaudiversifizierung, Erhalt von Dauergrünland) erfordern laut Lindemann zum Teil erhebliche Anpassungen in den Betrieben, die sehr kostenträchtig sind. Die Einkommenswirkung der Direktzahlungen werde hierdurch maßgeblich beeinträchtigt. Niedersachsen spricht sich daher für folgende Korrekturen aus:
- 7 % ökologische Vorrangfläche deutlich absenken auf 2-3 % und Anerkennung umwelt- und klimafreundlicher Produktionsweisen, z. B. Anbau umweltfreundlicher nachwachsender Rohstoffe.
- Kleine Betriebe (bis 15 ha) von den Auflagen zu ökologischen Vorrangflächen und Anbaudiversifizierung befreien.
- Bei der Anbaudiversifizierung Grünland als eine Fruchtart werten.
- Ausnahme bei der Anbaudiversifizierung für Betriebe mit sehr hohem Grünlandanteil (über 50 %).
- Grünlandumbruch nicht einzelbetrieblich und parzellenscharf umsetzen, um betriebliche Entwicklungen weiterhin zu ermöglichen.
- Lösungen für Dauerkultur- und Spezialbetriebe (z.B. Kartoffelanbau) schaffen.
- Trennung von Basis- und Greening-Zahlung auch bei den Sanktionen.
Regeln zum „aktiven Landwirt“ anpassen
Bekanntlich sollen künftig nur noch „aktive Landwirte“ die Prämien erhalten. Als Maßstab dafür sollen die Direktzahlungen mehr als 5 % der außerlandwirtschaftlichen Umsätze ausmachen. Für Lindemann ist diese Regelung aber nicht mit vertretbarem Aufwand umsetzbar. Betroffen wären allein in Niedersachsen ca. 32.000 Betriebe, deren Steuerbescheide oder Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen der Agrarverwaltung vorgelegt werden müssten. Im Ergebnis würden nur wenige Bewirtschafter mit sehr hohen außerlandwirtschaftlichen Einkünften ausgeschlossen. „Dabei möglicherweise aber auch solche, die wir gar nicht ausschließen wollen, weil sie umfangreiche Umsätze im Agrotourismus, der Biogaserzeugung oder der Forstwirtschaft haben“, so der Politiker.
„Aktiver Landwirt ist nach unserer Auffassung, wer eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Daher sollte bei der Definition des aktiven Landwirts eine Mindesttätigkeit auf den Flächen zählen, wobei auch eine Pflege der Flächen ausreichend sein muss.“
Zuletzt kritisiert das Positionspapier die neue Bürokratie. Allein das Greening würde einen Mehraufwand von 15 % bedeuten. Die Agrarförderung werde also nach einer Phase der Entkopplung und Prämienangleichung wieder deutlich komplizierter. Niedersachsen schlägt daher folgende Vereinfachungen vor:
- Junglandwirte- und Kleinlandwirteregelung sollen dort, wo sie aufgrund der Agrarstruktur oder des Altersdurchschnitts der Betriebsleiter nicht gebraucht werden, fakultativ für die Mitgliedstaaten sein.
- Die Definition des aktiven Landwirts muss auf die Flächennutzung abzielen.
- Wir brauchen praxisgerechte Messtoleranzen und angemessene Bagatellregelungen im Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS).
- Zusätzliche Belastungen der Mitgliedstaaten durch Monitoring und Evaluation der Maßnahmen der 1. Säule sind zu vermeiden. Hier kann die Kommission selbst die Evaluation mit weniger Aufwand durchführen.
- In der 2. Säule muss der Gesamtaufwand für Programmierung, Programmdurchführung und Evaluierung erheblich reduziert werden.
- Der föderale Aufbau der Bundesrepublik Deutschland muss bei der Programmerstellung berücksichtigt werden. Partnerschaftsabkommen und Leistungsreserve werden vor diesem Hintergrund abgelehnt.
- Dem demografischen Wandel muss im Rahmen der 2. Säule eine angemessene Bedeutung zukommen.
- Sollten die EU-Basis- und Durchführungsrechtsakte der Reform nicht bis Mitte 2013 beschlossen worden sein, ist ein roll-over der bestehenden Regelungen in das Jahr 2015 vorzusehen. (ad)