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Der Abstieg des Ökolandbaus in Deutschland

Mehr als 600 steigen jährlich wieder aus dem Ökolandbau aus. Laut Jürn Sanders sind in einigen Bundesländern in manchen Jahren mehr Flächen in konventionelles Ackerland zurückverwandelt worden als umgekehrt. Neben den hohen Auflagen macht den Bauern auch die Billigkonkurrenz aus dem Ausland zu schaffen.

Lesezeit: 4 Minuten

Mehr als 600 steigen jährlich wieder aus dem Ökolandbau aus. Hans Hinrich Hatje ist einer von ihnen. Bis zum Herbst 2012 gehörte der Landwirt aus dem schleswig-holsteinischen Gothendorf zu den Öko-Pionieren seines Landes. 21 Jahre lang hatte er seine 170 ha nach den strengen Bioland-Richtlinien beackert – und auf Besserung gehofft, berichtete das Wirtschaftsmagazin "brand eins" in einem Artikel am Montag.


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"Wir sind, was die Erträge betrifft, einfach total hinten runtergefallen", sagt der 56-jährige Agraringenieur mit leiser Stimme. "Was nützt es denn, wenn man mit großem Aufwand die Umwelt schont und der Hof dabei koppheister geht." Daher ist Hatje zur konventionellen Landwirtschaft zurückgekehrt. Seine Ernte heute: dreimal so viel Getreide wie früher – und jede Menge Diskussionen.


Zwar gibt es heute siebenmal mehr Biobetriebe als vor 20 Jahren. Aktuell bewirtschaften hierzulande 23.000 Biobauern 6,3 % der landwirtschaftlichen Fläche. Um die Nachfrage zu decken, bräuchte es aber viel mehr und größere Betriebe. Mehr noch: Auf zehn Umsteiger kommen vier Aussteiger, so das Magazin weiter.


Heute finde man das grüne EU-Biosiegel in jedem Supermarkt, die Branche setzt Milliarden um. Vergangenes Jahr haben die Deutschen Ökolebensmittel für 7 Mrd. Euro eingekauft – so viele wie nie zuvor und niemand sonst in Europa. Hans Hinrich Hatje und seine Kollegen aber hielten mit dem Boom längst nicht mehr Schritt.


Teilweise mehr Rückwechsler als umgekehrt


"Die hohe Zahl der Rückumsteller überrascht auf den ersten Blick, schließlich hört man Jahr für Jahr von wachsender Öko-Anbaufläche und boomender Nachfrage", sagt Jürn Sanders vom Thünen-Institut in Braunschweig. Tatsächlich sind aber in einigen Bundesländern in manchen Jahren mehr Flächen in konventionelles Ackerland zurückverwandelt worden als umgekehrt.


Laut Sanders steigen im Schnitt jedes Jahr 606 Landwirte aus dem Ökolandbau aus. Zwei Drittel von ihnen kehren wie Hatje zu konventionellen Anbaumethoden zurück, ein Drittel gibt endgültig auf. Die meisten begründen ihre Entscheidung mit den strengen Bio-Richtlinien, unzureichenden Vermarktungsmöglichkeiten, geringen Erträgen und mit einer wankelmütigen Förderpolitik, so der Fachmann.


Wie viele Neulinge machte auch Hatje bald die Erfahrung, dass die kleinen Molkereien und Brauereien, Landhändler und Vermarktungsgemeinschaften in der Region sterben. Während immer mehr Landwirte auf Bio umschwenkten, ging ihnen der lokale Absatzmarkt verloren. "Besonders für abgelegene Höfe und Höfe ohne Hofladen kann die Produktvermarktung ein Problem sein", sagt der Agrarfachmann Sanders. "Nicht selten müssen solche Betriebe ihre Produkte notgedrungen auf der konventionellen Schiene und damit ohne einen Bio-Mehrpreis losschlagen."


Das Ausland hat den deutschen Biomarkt entdeckt


Aber nicht nur die deutschen Biobauern legen immer weitere Wege zurück, auch ihre ausländischen Konkurrenten tun es, schreibt brand eins weiter. Je populärer die Produkte wurden, desto häufiger sei Hans Hinrich Hatje auf Konkurrenten aus Polen, Tschechien oder Ungarn gestoßen. Biolandwirte aus ganz Europa haben in den vergangenen Jahren den deutschen Markt entdeckt, für den sie viel billiger produzieren können als ihre Kollegen hierzulande. In Polen legte die ökologisch bewirtschaftete Fläche zwischen 2004 und 2010 um 531 % zu (das deutsche Flächenwachstum betrug im selben Zeitraum bescheidene 29 %). Heute stammt jeder zweite Bio-Apfel und jede zweite Bio-Möhre – Deutschlands meistverkaufte Biolebensmittel – aus dem Ausland. Auch dänische Viehzüchter, die lange zu Hatjes treuen Kunden gezählt hatten, ließen sich ihr biologisches Futtergetreide plötzlich aus Osteuropa liefern. Denn dort war es nur halb so teuer, heißt es.


"Mit regionaler Erzeugung und Klimaschutz hat das weiträumige Herumkarren von Biolebensmitteln nur noch wenig zu tun", schimpft Hatje. Um nach Bioland-Richtlinien kostendeckend wirtschaften zu können, hätte er für seinen Hafer und Weizen mindestens 40 Euro pro Doppelzentner erlösen müssen. Seine osteuropäischen Wettbewerber konnten ihr Getreide teils für 20 Euro anbieten, denn sie profitierten nicht nur von geringeren Lohnkosten, sondern häufig auch von der großzügigeren europäischen Bio-Verordnung. Die erlaubt beispielsweise unbegrenzte Futterzukäufe und ein Nebeneinander von konventioneller und ökologischer Produktion auf demselben Hof. Und ist damit einfacher zu erfüllen als die Bioland-Richtlinien, an die sich Hans Hinrich Hatje halten musste.


Konsequenz ist laut dem Landwirt, dass ohne staatliche Förderung in Deutschland heute nichts mehr geht. Für deutsche Biobauern sei diese staatliche Finanzspritze so überlebenswichtig wie die regelmäßige Insulinzufuhr für einen Diabetespatienten. Analysen des Thünen-Instituts zeigen, dass der durchschnittliche Gewinn von Ökobetrieben in den vergangenen zehn Jahren zwar stets über jenem konventioneller Vergleichsbetriebe lag – aber nur dank der Prämie. Ohne sie schneiden Biobauern im Schnitt schlechter ab als ihre konventionelle Konkurrenz.

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