Für das Europaparlament ist der Weg hin zu mehr Einfluss in der EU-Agrarpolitik jetzt endgültig frei. Nachdem Tschechien den Lissabonvertrag unterzeichnet hat, können die Europaabgeordneten ab dem 1. Dezember erstmals auch in der Agrarpolitik mitbestimmen. Das bedeutet, dass die EU-Landwirtschaftsminister künftig gezwungen sind, nicht nur untereinander, sondern auch mit den Abgeordneten Kompromisse zu suchen. Bisher musste der Rat das Parlament vor einer politischen Einigung nur anhören, konnte Änderungswünsche aber in der Regel ignorieren. Eine Ausnahme bildete die Finanzierung des ländlichen Raums - für die Zweite Säule hatte das Hohe Haus bereits bisher das Recht, Haushaltspositionen verbindlich zu ändern. Künftig dürfte das System zweier Lesungen auch in der Agrarpolitik die Regel werden.
Beobachter erwarten dadurch eine Verlängerung des Entscheidungsprozesses vom Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission bis hin zur Veröffentlichung der am Ende gefundenen Lösung im EU-Amtsblatt. Die Minister müssen das Parlament ernster nehmen - gleichzeitig sollten sich die Abgeordneten darauf gefasst machen, dass eingebrachte Änderungsanträge womöglich nur in sehr abgewandelter Form in den Schlusskompromiss einfließen.