Am morgigen Dienstag will die EU-Kommission über das neue Gentechnikgesetz abstimmen. Die EU-Mitgliedsstaaten sollen das Recht erhalten, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf ihrem Territorium verbieten zu können, ohne dies wissenschaftlich begründen zu müssen. Gleichzeitig soll es weiter ein einheitliches europäisches Zulassungsverfahren geben. Wie bisher werden Zulassungen für GVO-Produkte allein auf Basis der wissenschaftlichen Sicherheitsbewertung erteilt, für die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zuständig ist, teilt das Bundesforschungsministerium mit. Ein politisches Kalkül dabei ist, dass "gentechnik-kritische" Länder GVO-Zulassungen im Ministerrat passieren lassen, wenn sie ihr wichtigstes Ziel \- den Anbau von GV-Pflanzen auf ihrem Gebiet zu unterbinden \- unabhängig von Brüssel erreichen können. Die Kommission will dazu die Koexistenz-Leitlinien von 2003 austauschen. Künftig sollen sich die Koexistenzmaßnahmen nicht mehr an dem damals von allen Mitgliedsstaaten beschlossenen 0,9 %-Schwellenwert orientieren. Bei GVO-Einträgen in konventionelle Pflanzen gilt das dann allenfalls als ökonomischer Schaden. Liegen die GVO-Einträge über der 0,9 %-Schwelle, werden auch konventionell erzeugte Futter- oder Lebensmittel kennzeichnungspflichtig. In vielen Ländern muss der betreffende Landwirt dadurch wirtschaftliche Verluste hinnehmen, da die Marktpreise für gekennzeichnete Produkte deutlich niedriger liegen. Nun räumt die EU-Kommission in ihrem Vorschlag für künftige Koexistenz-Leitlinien ein, dass auch weitaus geringere GVO-Einträge als wirtschaftlicher Schaden anzusehen sind. Vor allem bei Produkten, die ausdrücklich "ohne Gentechnik" erzeugt werden, oder bei Produkten des ökologischen Landbaus würden die Konsumenten GVO-Einträge generell nicht tolerieren. Zukünftig können die Länder Koexistenz-Maßnahmen vorschreiben, die darauf abzielen, GVO-Einträge generell zu vermeiden. Dabei sollen die Länder die unterschiedlichen regionalen Bedingungen \- etwa Feldgrößen, Fruchtfolgen, Produktionssysteme, Klima und Landschaftsformen - berücksichtigen, unter denen die Landwirtschaft arbeitet. Auch bei den "gentechnik-freien" Zonen macht die Kommission eine Kehrtwende. Waren diese bisher nur in Form freiwilliger Vereinbarungen mit dem EU-Recht vereinbar, sollen nun "unter bestimmten ökonomischen Bedingungen die Mitgliedsstaaten berechtigt sein, den Anbau von GV-Pflanzen auf größeren Gebieten zu verbieten, um unerwünschte GVO-Einträge in konventionellen oder ökologisch angebauten Pflanzen zu vermeiden." Um ein regionales oder nationales Anbauverbot zu erlassen, muss der Mitgliedsstaat gegenüber der Kommission lediglich darlegen, dass mit anderen Koexistenz-Maßnahmen \- etwa Abstandsflächen \- die angestrebte Vermeidung von GVO-Einträgen nicht zu erreichen ist.
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