Die Freie Wähler Landtagsfraktion und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft haben den gestern beschlossenen Koalitionsvertrag deutlich kritisiert. „Union und SPD haben sich auf dem Rücken der Landwirte geeinigt“, stellte etwa der Fraktionssprecher der Freien Wähler, Dr. Leopold Herz, fest.
„Ministerpräsident Seehofer ist gescheitert, ihm ist es nicht gelungen, sich fern der Heimat für die Belange der bayerischen Landwirte einzusetzen.“ Vor allem kritisiert Herz, dass die Erhöhung der Gemeinschaftaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ um jährlich 200 Mio. Euro nicht im Koalitionsvertrag verankert wurde. „Für bewährte Agrar-Umweltprogramme stehen somit weniger Mittel zur Verfügung: Die Auswirkungen werden besonders beim Naturschutz und im ländlichen Raum deutlich zu spüren sein“, erklärt Herz.
Zwar bleibt die Steuerermäßigung für Agrardiesel, wie es die Freien Wähler im Vorfeld gefordert hatten, ansonsten fehlten aber klare Zugeständnisse zugunsten der Land- und Forstwirte im Freistaat: „Die Aussage der Großen Koalition in Bezug auf die Gentechnik in der Landwirtschaft ist lachhaft und viel zu vage – der Anbau, die Freisetzung und die Zulassung gentechnisch veränderter Sorten in Deutschland und Europa hätte konsequent abgelehnt werden müssen“, kritisiert Ulrike Müller, stellvertretende Vorsitzende und forstpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion. Sie meint, die Koalition drücke sich bei dem Thema und ignoriere den Verbraucherwillen.
AbL: Agrarindustrie-Förderung, garniert mit leeren Floskeln
Eine klare Watsche bekommt der Koalitionsvertrag von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die nichts positives entdecken kann. Als „Dokument eines ungehemmten Agrarindustrialisierungs-Kurses zu Lasten von Bauernhöfen, Verbrauchern, Umwelt, ländlichen Räumen und Nutztieren“ bewertet der Landesverband Niedersachsen/Bremen die Vereinbarung. Viele nichtssagende Bekenntnisse und Floskeln könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass dringend anstehende Maßnahmen in Richtung einer bäuerlichen Landwirtschaft bewusst beiseitegelassen und konterkariert würden, heißt es.
Vor allem, so der AbL-Landesvorsitzende Ottmar Ilchmann, fehlten klare Schritte zugunsten einer stärkeren Marktstellung der Landwirte gegenüber Ernährungs- und Agrarindustrie-Konzernen, dies auch im Hinblick auf die immer bedrohlichere Preisexplosion auf den Boden- und Pachtmärkten. In Ostdeutschland solle die Vergabe staatlicher Flächen an agrarindustriell-neofeudale LPG-Nachfolgebetriebe offenbar weitergehen, wobei man allerdings deren bisherige Subventionen und Privilegien gegenüber agrarindustriellen Neueinsteigern verteidigen wolle. Bauern und Existenzgründer sollten offenbar auch weiterhin mit nichtssagenden Floskeln abgespeist werden.
Weitergehen solle offenbar auch die für die Bauern hierzulande und weltweit schädliche Orientierung auf die Erzeugung von erzeugerpreis-drückenden Überschüssen für den Weltmarkt, ermöglicht durch den Import von Gentechnik-Sojafutter aus Südamerika und den USA.
Auch konkrete Maßnahmen in Richtung einer wirklich artgerechten und flächengebundenen Tierhaltung sucht die AbL im Vertrag vergebens; auch nicht zur Umsetzung des Verbots des Schnabel- oder Schwänzekürzens sowie zur Schweinehaltung mit Stroh. Es fehle auch ein damit verbundenes Stall-Umbauprogramm auf eine artgerechte, flächenverbundene Tierhaltung in bäuerlichen Strukturen!
Ausgebremst hat die Koalition nach Ansicht der AbL auch die Ausweitung des Verbots für neue gewerbliche Ställe auf sämtliche Großanlagen. Schuldig geblieben sei man schließlich die Festlegung von Grenzwerten für antibiotika-resistente Keime zum Schutz der Anwohner und das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände. (ad)
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