Am heutigen Mittwoch sind in Brüssel die EU-Mitgliedsstaaten zusammen gekommen, um über die Wiederzulassung von Glyphosat zu entscheiden. Das abschließende Votum dürfte jedoch erst am Donnerstag fallen. Verschiedene Szenarien sind nun möglich.
In Brüssel sind am Mittwoch Vertreter der 28 EU-Staaten zusammen gekommen, um über die Neuzulassung des Herbizidwirkstoffes Glyphosat zu entscheiden. Das Treffen dauert bis Donnerstag an. Auf Grund der komplizierten Verhandlungslage wird in Brüssel mit einer möglichen Entscheidung auch erst am Donnerstag gerechnet. Ob die nötige Mehrheit zustande kommt ist derzeit unklar.
SPD beharrt auf Nein, Bundesregierung muss sich enthalten
Orientierung könnte die für heute angesetzte Probeabstimmung der Mitgliedstaaten geben. Deutschland wird sich dabei nach derzeitigem Stand enthalten. Grund sind die unterschiedlichen Positionen von Union und SPD hinsichtlich der Bereitschaft für eine Wiederzulassung. Die SPD-Minister der Bundesregierung beharren auf ihrer Ablehnung, die sie mit dem Vorsorgeprinzip des gesundheitlichen Verbraucherschutzes begründen. „Niemand sagt, dass absolut sicher sei, dass es nicht krebserregend ist, und ich finde: Safety first, Gesundheit first“, sagte der SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Sigmar Gabriel noch am Dienstagabend in der Tagesschau. Die Union ist über den Rückzug der SPD aus der bereits vereinbarten Haltung, der Zulassung von Glyphosat unter Auflagen zuzustimmen, brüskiert. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sagte, er habe „überhaupt kein Verständnis für die Rolle rückwärts“. Das Bundeskanzleramt hat sich bereits als Vermittler zwischen den Fachministerien eingeschaltet. Zu einer Aussprache könnte es in der Kabinettssitzung am Mittwoch kommen.
EU-Kommission plädiert für neun weitere Jahre
Die EU-Kommission legt den Mitgliedstaaten einen Vorschlag für eine Verlängerung von Glyphosat von neun Jahren vor. Den Wunsch des Bundesumweltministeriums, dass der Artenschutz im Zuge der Neuzulassung zu berücksichtigen sei, hatte die Kommission als Formulierung in ihren Vorschlag übernommen. Weil für die Wiederzulassung von Glyphosat eine qualifizierte Mehrheit nötig ist, die die Bevölkerungsstärke der Mitgliedsstaaten berücksichtigt, ist die Entscheidung mit der Enthaltung von Deutschland offen. Frankreich hatte sich bereits vergangene Woche darauf festgelegt, mit Nein zu stimmen. Bei der ersten Probeabstimmung im März hatten sich auch Italien und Schweden gegen Glyphosat ausgesprochen.
Verschiedene Szenarien für Glyphosat sind nun möglich
Für das weitere Verfahren um Glyphosat gibt es nun verschiedenen Szenarien. Einige Beobachter setzen darauf, dass die Entscheidung erneut vertagt wird. Dann müsste die EU-Kommission für die aktuelle Zulassung von Glyphosat eine dritte Verlängerung um sechs Monate bis Ende 2016 verhängen. Im Raum steht auch, ob die EU-Kommission Glyphosat im Alleingang die Wiederzulassung erteilt, das könnte diese tun, wenn die Mitgliedstaaten in der Abstimmung zu keinem mehrheitlichen Votum kommen. Sollten sich die Mitgliedstaaten mehrheitlich gegen die Wiedergenehmigung von Glyphosat stellen, würde die Zulassung für das Mittel am 30. Juni 2016 EU-weit wegfallen. Dann dürfte das Mittel nur noch für die Zeit einer dann festgelegten Übergangsfrist verwendet werden.
Politik kreist um drei wissenschaftliche Aufsätze
Über die weitere Verwendung von Glyphosat gibt es einen politischen Streit, der sich um die unterschiedliche Bewertung und Deutung von drei verschiedenen wissenschaftlichen Studien dreht. Erst am Montag hatte das zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehörende Joint Meeting of Pesticide Residues (JMPR) seine Einschätzung veröffentlicht, nach der es bei gebräuchlichen Mengen kein Krebsrisiko für Menschen durch Glyphosat-Rückstände gebe. Die Wissenschaftler stärkten damit die Ansicht der deutschen und der europäischen Behörden zur Risikobewertung, BfR und Efsa. Dagegen steht die Bewertung der ebenfalls zur WHO gehörenden Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC), die die Krebsgefahr, die von Glyphosat ausgeht, als wahrscheinlich bezeichnet.