Die Debatte über den Tierschutzstandard in der biologischen Haltung von Puten ist vergangene Woche durch Medienberichte über angeblich tierschutzwidrige Umstände befeuert worden, die vom Anbauverband Naturland und dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) umgehend zurückgewiesen wurden.
Sowohl das ARD-Magazin Fakt als auch Spiegel Online hatten am 3. September unter Verweis auf Aufnahmen der Tierschutzorganisation Animal Rights Watch (Ariwa) über Bioputen in schlechtem gesundheitlichem Zustand berichtet. Demnach zeigen viele Tiere in der Biohaltung „dieselben Krankheitsmerkmale und Verletzungen wie Puten aus der konventionellen Massentierhaltung“, womit laut Spiegel Online offene Wunden und verletzte Flügel sowie „apathisch zerrupfte“ und „dreckige“, zum Teil tote Tiere gemeint sind.
Dass es sich bei diesem Befund nicht um Einzelfälle handelt, belegt den Medienberichten zufolge eine Dissertation, die voriges Jahr an der Universität Leipzig vorgelegt wurde. Die Tierärztin Olga Ermakowa kommt darin zu dem Ergebnis, dass der Gesundheitsstatus von Bioputen sogar eher schlechter sei als der konventionell gehaltener Artgenossen. Das liege am Einsatz nicht geeigneter Rassen.
Die Verbände Naturland und BÖLW räumten ein, dass die heute verfügbaren Rassen die Ansprüche der Ökohalter nur unzureichend erfüllten und die Entwicklung weiterer Zuchtlinien notwendig sei. Dennoch bildeten die Medienberichte allenfalls Einzelfälle ab und nicht die Realität in den betrieblichen Gesamtbeständen.
Öffentliche Gelder für Zucht gefordert
Naturland wies darauf hin, dass die jetzt veröffentlichten Aufnahmen „bei nächtlichen Einbrüchen in Ställen von zwei Naturland Mitgliedsbetrieben gedreht worden“ seien. Die nun durchgeführte Überprüfung dieser beiden Höfe habe keine „Auffälligkeiten oder gar Richtlinienverstöße“ gezeigt. Vielmehr sei festzuhalten, dass die ökologische Putenerzeugung in Sachen Tierwohl einen weitaus höheren Standard als die konventionelle Haltung sichere, hob Naturland hervor und nannte ein größeres Platzangebot, eine tiergerechtere Stallausrüstung und den Verzicht auf das Schnabelkürzen.
Auch der BÖLW stellte fest, dass Puten in Biohaltung deutlich tiergerechter erzeugt würden als in konventionell geführten Ställen. Die Züchtung robuster und leistungsfähiger Rassen müsse allerdings vorangebracht und von der öffentlichen Hand gefördert werden. Die großen Züchterkonzerne und ihre „einseitigen Zuchtziele“, konkret ein hohes Endgewicht bei möglichst kurzer Mastzeit, müssten dabei außen vor bleiben.
Wiesenhof kündigt Vertragsverhältnis
Die Geflügelwirtschaft war vorige Woche auch Thema in der Zeitschrift Stern und dem gleichnamigen TV-Magazin bei RTL. Berichtet wurde über eine Hähnchenmastanlage, in der angeblich „noch lebende Tiere in den Müll“ geworfen wurden. Zudem sei es in dem Wiesenhof-Zulieferbetrieb zu unsachgemäßen Nottötungen schwacher Tiere gekommen.
Das zur PHW-Gruppe gehörende Unternehmen Wiesenhof teilte nach Ausstrahlung der Beitrags mit, nach Sicherung des Filmmaterials sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass die auf dem gezeigten Betrieb durchgeführte Art der Nottötung an selektierten, nicht lebensfähigen Tieren einen „klaren Verstoß gegen das geltende Tierschutzrecht darstellt“. Die PHW-Gruppe habe die Vorwürfe der zuständigen Überwachungsbehörde gemeldet, das Vertragsverhältnis mit dem Landwirt gekündigt und Strafanzeige gestellt. (AgE/ad)
Hintergrund:
ARD Fakt: Schwerkranke Bio-Puten für Hipp zur besten Sendezeit (4.9.2013)