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Plusminus über Patente auf Saatgut: Wie Schutzrechte ausgehöhlt werden

Das ARD-Magazin Plusminus ist am Mittwochabend der Frage nachgegangen, warum das Europäische Patentamt in München Patente auf Saatgut zulässt, obwohl Patente auf Pflanzensorten oder klassische Züchtungen nach den europäischen Patentgesetzen eigentlich verboten sind.

Lesezeit: 5 Minuten

Das ARD-Magazin Plusminus ist am Mittwochabend der Frage nachgegangen, warum das Europäische Patentamt in München Patente auf Saatgut zulässt, obwohl Patente auf Pflanzensorten oder klassische Züchtungen nach den europäischen Patentgesetzen eigentlich verboten sind. Beispielhaft angeführt wurde das neue Patent auf Tomaten mit erhöhtem Flavonolgehalt der Firma Syngenta.


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Christoph Then vom Bündnis "Keine Patente auf Saatgut" beobachtet die Agrarbranche seit Jahren. Nach seinen Recherchen wurden bislang mehr als 120 Patente erteilt. Rund 1.000 weitere sind beantragt. Er meint dazu: "Die Idee ist, den Markt schrittweise mit diesen Patenten zu überziehen, strategische Patente anzumelden, um die Wettbewerber möglichst aus dem Markt rauszubekommen. Es ist also eigentlich ein Instrument zur Marktkontrolle und das ist bestimmt eben nicht im Interesse der Gärtner, der Landwirte und der Verbraucher. Die wollen eine entsprechende Vielfalt haben und nicht in Abhängigkeit von den großen Konzernen geraten." Schon jetzt würden die drei größten Konzerne Monsanto, Syngenta und Dupont rund 50 % des Saatgutmarktes weltweit kontrollieren.


"Nicht das Verfahren, die Eigenschaft ist neu erfinderisch"


Ein biologisches Verfahren, wie zum Beispiel die Kreuzung zweier Sorten ohne den Einsatz von Gentechnik, kann man laut Then eigentlich nicht patentieren lassen. Syngenta meint trotzdem, das Patent zu Recht bekommen zu haben. Dr. Michael Kock, Leiter der Patentabteilung bei Syngenta sagt dazu: "Das Verfahren als solches ist vielleicht nicht patentfähig, weil es Schritte wie Züchtung und Kreuzung beinhaltet, aber das Produkt hat am Ende eine überraschende Eigenschaft, die neu erfinderisch ist und auch so beschrieben ist, dass jemand anderes sie nacharbeiten kann."


Die Eigenschaft der Pflanze zu patentieren ist laut Plusminus also ein Schlupfloch. Damit nutze der Konzern die schwammige Formulierung im Gesetzestext. Für Züchtungen gibt es normalerweise nur den Sortenschutz. Der bedeutet, dass andere Züchter mit dem Samen weiterarbeiten dürfen. Für Konzerne ist das aber weniger lukrativ als ein Patent.


Wissenschaftler warnt vor Blockaden durch Patente


Professor Michael Stephan ist Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Marburg und beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Patenten. Der Schutz von Neuheiten sei zwar wichtig, sonst gebe es keine Innovationen, aber das Patent für die flavonolhaltige Tomate findet er problematisch: "Patente könnten in der konventionellen Züchtung zu Blockaden führen. Das heißt, Züchter hätten nicht mehr unbeschränkt Zugriff auf das Pflanzenmaterial, wie das früher beim Sortenschutz der Fall war. Und die Patentinhaber könnten sozusagen hier eine marktbeherrschende Stellung erhalten, weil Patente einfach einen viel breiteren Schutz entfalten und folgende Züchtungen blockieren können."


Behörde sieht sich zur Erteilung der Patente gezwungen


Doch warum werden solche weitreichenden Patente überhaupt erteilt, fragt das Magazin? Beim Europäischen Patentamt in München heißt es, man könne nicht anders. Rainer Osterwalder vom Europäischen Patentamt erklärt: "Wir sind ganz klar durch die Bestimmungen des europäischen Patentrechts gebunden und müssen dieses Recht ausführen. Und wir haben diesbezüglich keinen Spielraum, was die Erteilung von Patenten oder das Versagen von Patenten anbelangt, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind."


Kritiker Christoph Then hält dagegen: "Das ist eine Schutzbehauptung im eigenen Interesse. Das Europäische Patentamt verdient an Patenten, möchte möglichst viele Patente erteilen und nutzt eben diesen Spielraum aus, der durch diese ungenauen Gesetze zum Teil auch mit bedingt ist, um möglichst die Verbote zu umgehen."

Das Patentamt finanziert sich über die Gebühren für Patente. Je mehr es erteilt, desto mehr nimmt es ein. Eine Kontrolle von außen findet praktisch nicht statt. Weder nationale Gerichte noch der Europäische Gerichtshof sind zuständig.


Kleinere Züchter können sich eigene Patente meist nicht leisten. Zusätzlich müssen sie noch darauf achten, nicht das Patent einer großen Firma versehentlich zu verletzen. Sonst wird es für sie richtig teuer.


Politik reagiert nicht


Eigentlich hatte sich schon die letzte Bundesregierung aus Union und FDP im Koalitionsvertrag 2009 gegen solche Patente ausgesprochen. Da hieß es ganz eindeutig: "Wir wollen auf landwirtschaftliche Nutztiere und -pflanzen kein Patentrecht." Passiert sei seither nicht viel, so Plusminus weiter. Der Justizminister der aktuellen großen Koalition wolle sich dazu nicht äußern. Schriftlich heißt es, man sei dabei, "Gestaltungsspielräume in diese Richtung auszuloten".


Das Patentamt schafft unterdessen weiter Fakten, erteilt Patente, die umstritten sind und die Politik wartet ab, kritisiert das ARD-Magazin. Then warnt: "Damit sinkt die Vielfalt in der Pflanzenzüchtung, sinkt natürlich auch die Vielfalt im Hinblick auf die Nahrungsgrundlagen, die wir haben. Die Welternährung hängt ja auch davon ab, dass wir Pflanzen innerhalb kurzer Zeit züchten, die angepasst sind, an den Klimawandel, an unsere Bedürfnisse und das wird durch Patente behindert. Das heißt, letztendlich gefährden Patente langfristig auch die Welternährung."


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