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Pro und Contra: 10 Ct/dt Mischfutter extra für Öffentlichkeitsarbeit?

Jeder Mischfutterhersteller in Deutschland soll laut einem Vorschlag 10 Cent pro Dezitonne Mischfutter an eine eigens zu gründende Stiftung abführen. Bei ca.23 Mio. t Mischfutter im Jahr kämen damit über 23 Mio. Euro pro Jahr zusammen. Das Geld könnte dann für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden.

Lesezeit: 7 Minuten

Jeder Mischfutterhersteller in Deutschland soll laut einem Vorschlag 10 Cent pro Dezitonne Mischfutter an eine eigens zu gründende Stiftung abführen. Bei ca. 23 Mio. t Mischfutter im Jahr kämen damit über 23 Mio. Euro pro Jahr zusammen. Das Geld könnte dann für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden. Ein großer Schwerpunkt sollte die Fernsehwerbung sein, heißt es, um Verbrauchern mehr Kenntnisse über die heutige Landwirtschaft zu vermitteln. Am Ende könnte so wieder mehr Akzeptanz und Wertschätzung für die Arbeit der Bauern stehen. top agrar sprach mit zwei Branchenkennern, die unterschiedlicher Auffassung sind.


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PRO: „10 Cent für ein besseres Image!“


Zehn Cent pro Dezitonne Mischfutter will Stefan Nießing bei den Herstellern einsammeln und damit Werbung für die Landwirtschaft machen. Er ist geschäftsführender Vorstand der AgriV Raiffeisen eG. Die Genossenschaft hat mehr als 2400 Mitglieder im Westmünsterland und am Niederrhein.

 

Herr Nießing, die Idee stammt von Ihnen. Warum sind die Futtermittelhersteller gefordert und nicht die Landwirte?

 

Nießing:Jeder Mischfutterhersteller bedient die Landwirtschaft. Deshalb sind diese Unternehmen ein schlanker Flaschenhals für die Umsetzung.

 

Mit wem haben Sie schon gesprochen?

 

Nießing: Zuerst mit den ehrenamtlichen Gremien unserer Genossenschaft. In Vorstand, Aufsichtsrat und Beirat sitzen insgesamt 54 Landwirte, die meinen Ansatz zu 100 % unterstützen. Mit dieser Rückendeckung habe ich dann bei genossenschaftlichen und privaten Mischfutterherstellern in Norddeutschland „Klinken geputzt“.

 

Wie sind die Rückmeldungen?

 

Nießing: Gemischt. Alle sehen Handlungsbedarf. Genossenschaften mit ehrenamtlichen Bauern in den Gremien sind dabei deutlich offener als die Privaten. Unabhängig der Rechtsform wollen aber alle sicherstellen, dass sich auch der Nachbar mit seinem Mischfutterwerk beteiligt, um im harten Wettbewerb nicht den Kürzeren zu ziehen.

 

Wer trägt am Ende die Kosten?

 

Nießing: Die Hersteller müssen die Kosten schon weitergeben. Auch für die Agrarwirtschaft gilt der alte Grundsatz: „Wer nicht wirbt, der stirbt.“ Andere Industriebereiche geben deutlich zweistellige Prozentsätze des Umsatzes für Werbung aus. Davon ist die Landwirtschaft weit entfernt.

 

Sind den Landwirten in der aktuellen Zeit zusätzliche Kosten zuzumuten?

 

Nießing: Natürlich zählt im Moment jeder Cent. Aber wir müssen auch langfristig denken: Die Landwirtschaft muss begreifen, dass Werbung und Öffentlichkeitsarbeit fester Bestandteil ihres Handelns werden muss.

 

Wie viel Geld müsste zusammenkommen, damit Sie beginnen können?

 

Nießing: Um unsere Inhalte nachhaltig in den Köpfen der Menschen zu verankern, brauchen wir mindestens 15 Mio. €/Jahr, zum Beispiel für Botschaften vor der Tagesschau.

 

Warum soll das Geld in eine Stiftung fließen?

 

Nießing: Weil diese neutral ist. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass alternativ das Forum Moderne Landwirtschaft diesen Part übernimmt. Wichtig ist eine schlanke Organisation.

 

Ist das mit dem Kartellrecht vereinbar?

 

Nießing: Davon gehen wir aus. Ich habe das von einer auf Kartellrecht spezialisierten Kanzlei prüfen lassen. Diese sieht jedenfalls keine Probleme.

 

Was sagt das Kartellamt selber?

 

Nießing: Das weiß ich nicht. Warum sollte ich mit den Wettbewerbshütern sprechen? Es wird ja niemand gezwungen mitzumachen. Darin liegt der entscheidende Unterschied zur ehemaligen CMA. Aber jeder, der nicht mitmacht, muss sich fragen, ob er sich als Trittbrettfahrer noch wohlfühlt.

 

Was soll mit dem Geld passieren?

 

Nießing: Es geht vor allem darum, Wissen über die Landwirtschaft zu vermitteln. Das haben viele Verbraucher nicht mehr und das macht sie anfällig für die vermeintlichen Argumente der Kritiker. Einige Politiker und der Lebensmitteleinzelhandel nutzen das aus und machen auf Kosten der Landwirte Stimmung, um zusätzliche Wähler und Verbraucher zu gewinnen.

 

Was ist Ihnen besonders wichtig?

 

Nießing: Erstens möchte ich den Bauern Mut machen, sich wieder aktiv in die teils unsachlichen Diskussionen einzumischen. Zweitens müssen wir aufklären, wie vielfältig die heutige Landwirtschaft ist. Und drittens brauchen wir ein schnelles und schlankes Entscheidungsgremium mit klar definierten Zielen. Die eigentliche Arbeit machen dann externe Marketingprofis.

 

Was haben die Hersteller davon?

 

Nießing:
Eine gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft, die profitabel Tiere halten kann. Ohne solche Kunden können wir unser Geschäft auch nicht erfolgreich betreiben.


CONTRA: „Geld allein überzeugt niemanden!“


Die Mischfutterhersteller wollen keine Zwangsumlagen. Sie setzen auf Qualität und Transparenz. Dafür braucht es glaubwürdige Gesichter, meint Dr. Hermann-Josef Baaken. Er ist Geschäftsführer des Deutschen Verbands Tiernahrung (DVT) in Bonn. Der Verband vertritt knapp 300 Futtermittelhersteller.

 

Was hält der DVT von der Idee?


Baaken: Wir begrüßen grundsätzlich alle Maßnahmen, mit denen das Image der Landwirtschaft und der gesamten Warenkette verbessert werden kann. Dabei setzen wir auf Freiwilligkeit statt einer Umlage. Jedes Unternehmen soll selbst entscheiden, ob und wie viel Öffentlichkeitsarbeit es macht.

 

Was spricht gegen den Vorschlag?

 

Baaken: Wir sitzen alle in einem Boot: Mischfutterhersteller, Vorlieferanten, Landwirte, Verarbeiter und weitere Vertreter in der Wertschöpfungskette. Zudem decken wir nur einen Teilbereich der tierischen Veredlung ab.

 

Die Hersteller können die Kosten doch an die Bauern weitergeben. Wo liegt das Problem?

 

Baaken: Mischfutter umfasst nur ein Drittel des Futtermitteleinsatzes. Eine Weitergabe von Kosten wäre nicht gerecht und auch nicht erlaubt. Wir sollten den Fehler einer Umverteilung nicht wiederholen.

 

Stimmt es, dass vor allem die privaten Unternehmen gegen die Idee sind?

 

Baaken: Nein. Im DVT ziehen wir an einem Strang. Uns allen ist das Ansehen der Landwirtschaft sehr wichtig.

 

Sehen Sie keinen Bedarf für mehr Öffentlichkeitsarbeit in der Agrarwirtschaft?

 

Baaken: Natürlich gibt es den. Aber allein auf Öffentlichkeitsarbeit zu bauen, reicht nicht aus. Es gibt ein grundsätzliches Akzeptanzproblem in breiten Teilen der Bevölkerung. Darauf müssen wir gemeinsame Antworten finden.

 

Welche haben Sie?

 

Baaken:Ein Beispiel ist unsere Kampagne „Gesichter der Branche“ mit Kurzfilmen über die Futtermittelwirtschaft und die Landwirte, die mit uns für das Wohl der Tiere sorgen. Wir gehen mit Transparenz und Offenheit in die Medien. Und wir investieren in ein sehr striktes Qualitätsmanagement für unser Futter. Glaubwürdigkeit und Image entstehen am ehesten über erfolgreiche Produkte.

 

Wie viel Geld stellt der DVT für die Öffentlichkeitsarbeit bereit?

 

Baaken: Wir haben unsere eigenen Aktivitäten in den letzten zwei Jahren verdoppelt und durch viele Netzwerke und Kooperationen ergänzt. Eines dieser Netzwerke ist das Forum Moderne Landwirtschaft. Wir sind dort seit Langem Mitglied, weil wir es für notwendig halten, die vielfältigen Maßnahmen der Branche zusammenzuführen und einheitlich zu kommunizieren. Darüber hinaus unterstützen wir die Landwirte ganz konkret und direkt bei ihren Aktionen. Denn nichts ist glaubwürdiger als die Person, die tagtäglich die Tiere betreut.

 

Das hört sich im Vergleich zum Mittelvolumen der vorgeschlagenen „Futtermittelabgabe“ bescheiden an. Reicht das?

 

Baaken: Es kommt nicht auf die Höhe, sondern auf die Effektivität an. Wenn man alle existierenden Programme zusammenlegen würde, käme eine nicht unerhebliche Summe heraus. Dies zu bündeln, ist eine große und Erfolg versprechende Aufgabe. Nur auf Werbeanzeigen zu setzen, wird nicht reichen. Auf diese Weise kann man die Millionen allerdings schnell verbrennen!

 

Wer muss sich aus Ihrer Sicht vor allem engagieren, die Bauern selber oder der vor- und nachgelagerte Bereich?

 

Baaken: Alle. Jeder in seinem Arbeitsgebiet und in seiner Verantwortung. Dazu brauchen wir Gesichter, die selbstbewusst, überzeugend und authentisch für die Branche sprechen.

 

Können sich die Unternehmen, die das Konzept von Herrn Nießing überzeugend finden, zusammentun und starten?

 

Baaken: Wer eine gute Idee hat, sollte sich Verbündete suchen. Ich kann nur jeden motivieren, zusammen mit Profis, die sich in der Landwirtschaft auskennen, aktiv zu werden.

 

Liebe Leser, was halten Sie von dem Vorschlag? Wir freuen uns auf Ihre Meinung (redaktion@topagrar.com) oder unten als Kommentar.

 

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