Prof. Albert Sundrum von der Universität Kassel hat beim DLG-Kolloquium„Zukunft Nutztierhaltung" davor gewarnt, die aktuelle gesellschaftliche Ablehnung der jetzigen Tierhaltung zu unterschätzen. Sundrum betrachtet die exportorientierte Wirtschaftsweise vor diesem Hintergrund als Irrweg und sieht die heutige Viehhaltung in einer grundlegenden Krise.
Wegen der Exportorientierung und der beständigen Maximierung der Produktion dominierten in zahlreichen Märkten Überangebot und niedrige Preise. Da die Landwirtschaft nach Darstellung des Kasseler Agrarwissenschaftlers zudem Verursacher hoher Umweltkosten ist und zudem in der gesellschaftlichen Kritik steht, kann sie sich nach seiner Ansicht auch nicht über immer neue Labels und einzelne Initiativen der Diskussion um eine Neuausrichtung entziehen.
Sundrum empfiehlt der Branche deshalb eine konsequente Umsteuerung der Produktion auf qualitäts- und tierwohlorientierte Ziele. Ihm zufolge müssen dafür Produkt- und Prozessqualitäten eindeutig definiert werden. Nötig seien neben effizienten Kontrollsystemen auch verifizierbare Indikatoren auf Betriebsebene.
Auf der anderen Seite macht der Wissenschaftler einen Erfolg dieser Strategie auch von einer entsprechenden Zahlungsbereitschaft der Verbraucher und von einer zielgerichteten Politik abhängig. Letztere müsse beispielsweise den unfairen Wettbewerb auf Handelsebene beenden und dafür sorgen, dass mehr als die üblichen 25 % des Ladenerlöses beim Erzeuger ankämen.
Ökonomie geht vor
Dr. Friedhelm Adam vom Versuchsgut Haus Düsse sieht unterdessen die landwirtschaftliche Fachberatung vor dem Problem, die teilweise voneinander abweichenden Ziele der Agrarwirtschaft und der Gesellschaft unter einen Hut zu bringen. Nach seiner Einschätzung müssen bei der Fortentwicklung des Tierwohls aber auch Verbraucher und Handel ihren Beitrag leisten.
Adam ist sich sicher, dass die weitere Entwicklung der tierhaltenden Betriebe auch in den kommenden Jahren in erster Linie ökonomisch geprägt sein wird. Ungeachtet dessen dürften andere Ziele, allen voran der Umwelt- und Tierschutz, immer öfter eine Rolle spielen.
Neben dem Wertewandel in der Gesellschaft sind mögliche Verbesserungen in den Haltungsbedingungen laut dem Agrarfachmann auch moralisch geboten. Angesichts der aktuellen prekären Lage an vielen tierischen Märkten sei die Investitionsbereitschaft in neue Konzepte jedoch gering. Auch deshalb könnten bessere Haltungsbedingungen vorrangig nur in bestehenden Ställen umgesetzt werden, was die Möglichkeiten spürbar einschränke, so Adam.
Nach seiner Darstellung sollte deshalb in Zukunft zwar verstärkt auf die gesellschaftlichen Ansprüche eingegangen werden. Umgesetzt werden könne aber nur das, was fachlich begründet sei, schränkte der Agrarberater ein. Dabei schließt sich hier nach seiner Meinung wieder der Kreis zum Verbraucher, der die zuvor formulierten Forderungen später auch mit seinem Kaufverhalten tragen müsse.
Hintergrund:
Bartmer: Tierhalter müssen gesellschaftliche Akzeptanz erarbeiten (4.12.2015)