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Schmidt: „Schnelle Hilfen statt vorgegebene Produktionsmenge“

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt setzt auf eine vorzeitige Auszahlung der Direktzahlungen, mehr private Lagerhaltung und Liquiditätshilfen für die gebeutelten Milchviehhalter. Die Anhebung der Interventionspreise oder Vorgaben für die Produktionsmenge lehnt er im Interview mit top agrar ab.

Lesezeit: 4 Minuten



top agrar:Im Laufe der Woche haben Sie mit vielen Amtskollegen aus anderen EU-Staaten gesprochen. Wie ist das Meinungsbild?

Schmidt: Noch sehr heterogen. Die meisten sind der Meinung, dass Hilfen notwendig sind. Über die richtigen Instrumente gibt es aber noch sehr unterschiedliche Meinungen.

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top agrar: In Abstimmung mit dem polnischen und französischen Landwirtschaftsminister fordern Sie eine vorgezogene Auszahlung der Direktzahlungen. Wann soll die erfolgen?

Schmidt: Dazu brauchen wir die Kommission. Die ist leider in dieser Frage bisher so beweglich wie ein Betonmauerwerk. Wir prüfen gerade, inwieweit insbesondere die komplizierten Greening-Prüfungen für die Auszahlung abgeschlossen sein müssen, um eine zeitnahe Zahlung zu ermöglichen. Dabei müssen auch die Länder mitspielen, die die Prüfung und Zahlungen umsetzen müssen. Ich weiß, wie schwierig das ist und habe auch viel Verständnis für die Länder. Aber neue Herausforderungen erfordern auch neue Herangehensweisen. Deshalb appelliere ich an die Länder, dass wir spätestens im November zu einer Auszahlung kommen. 


top agrar: Als weitere Maßnahme wollen Sie die private Lagerhaltung ausdehnen. Verschieben Sie damit nicht die Probleme von heute auf die Zukunft?

Schmidt: Ich bleibe zwar skeptisch bei der Privaten Lagerhaltung von Schweinefleisch, das nicht so lange lagerfähig ist. Wir stellen gerade fest, dass die im Frühjahr insbesondere von Dänemark eingelagerten Mengen jetzt auf den Markt drängen und damit den mit der leichten Markterholung verbundenen Preisanstieg wieder zunichte machen.  Das mag bei länger haltbaren Produkten wie Milchpulver anders aussehen. Deshalb ist die Private Lagerhaltung hier weniger kritisch. Ich halte Sie aber auf jeden Fall für besser als eine staatliche Intervention.


top agrar: Sind Sie wie Frankreich auch für eine Anhebung der Interventionspreise?

Schmidt: Da bin ich sehr skeptisch. Eine Erhöhung der Interventionspreise auf 25 oder 26 Cent/kg hilft den deutschen Milcherzeugern überhaupt nicht. Ich befürchte, dass sich der Milchpreis dann auf dieses Niveau einpendelt. Das können wir nicht wollen. Ich habe diese Sorge auch meinem französischen Amtskollegen Le Foll dargelegt. Wir prüfen jetzt gemeinsam nochmals diese Option.


top agrar: Was bringt eine Exportoffensive in der aktuellen Preiskrise?

Schmidt: Das ist keine kurzfristige Maßnahme, sondern auf die Zukunft ausgerichtet. Zunächst muss man einmal festhalten, dass unsere Exportmärkte nicht zusammengebrochen sind. Die Milchpulverausfuhren nach China sind nach wie vor ein wichtiges Standbein des Exports. Auch die weggebrochenen russischen Exporte sind nicht allein für die aktuelle Preiskrise verantwortlich.  Wir haben bezogen auf die Exportförderung in meinem Ministerium schon viel getan. Die Zahl meiner Mitarbeiter, die sich mit Exportgenehmigungen, Bescheinigungen und Marktöffnungen beschäftigt, ist in den vergangenen Jahren auf mehr als 50 Personen verdoppelt worden. Zusammen mit der Wirtschaft wollen wir jetzt schauen, wo der Schuh noch drückt. Aber das ist nichts, was kurzfristig hilft. Da geht es eher um Liquidität, um Marktentlastung und Marktstimulation.


top agrar: An welche Liquiditätshilfen denken Sie?

Schmidt: Zum Beispiel an Zinsentlastungen. Diese Maßnahme ist aber bei vielen, die in den vergangenen Jahren Kredite mit sehr niedrigen Zinsen aufgenommen haben, nur begrenzt wirksam. Deshalb denken wir als nationale Maßnahme auch an die flankierende Übernahme von Bürgschaften.


top agrar: Wird es wie 2009 auch wieder eine Kuhschwanzprämie geben?

Schmidt: Das muss man prüfen. Ich habe aber bislang weder in der Politik noch im Berufsstand jemanden gefunden, der eine solche Maßnahme für ideal hält.


top agrar: Wie stehen Sie zu Marktentlastungs- und Marktmanagementprogrammen?

Schmidt: Ich will nicht wieder zur Quote zurück. Für alle Quotenfans erinnere ich daran, dass 2009 eine Quote bestand und es trotzdem eine Preiskrise gab. Die Frage, ob man mittelfristig zu einem Marktmanagement der Marktteilnehmer kommt, das die Höhe der Preisausschläge dämpft, muss man ernsthaft diskutieren. Das umfasst steuerliche Fragen, die Option einer Fondbildung oder Versicherungslösungen. Für mich stellt sich in diesem Zusammenhang allerdings die Frage, warum die Möglichkeiten, die das EU-Milchpaket bietet, in Deutschland bisher so wenig genutzt worden sind.

Aber damit wir uns richtig verstehen: In einem globalen Milchmarkt sind Marktordnungssysteme, die nur auf die heimischen Märkte ausgerichtet sind und auf weltweite Zusammenhänge nicht reagieren können, nicht zielführend. Ignaz Kiechle musste 1984 nur auf den europäischen Markt schauen. Das geht heute nicht mehr. Wenn wir in Deutschland nicht auf den Export setzen, können wir unsere Milch nicht verkaufen. Das ist die bittere Wahrheit. Unter dieser Maßgabe müssen wir die verschiedenen Instrumente prüfen. Eine Marktordnungsbehörde, die die Produktionsmenge vorgibt, gehört ausdrücklich nicht dazu.   


Das Interview mit Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt führten die top agrar-Redakteure Dr. Ludger Schulze Pals und Claus Mayer.

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