Ein Kommentar von Gerburgis Brosthaus, Wochenblatt Westfalen-Lippe:
Mit der Initiative Tierwohl hat am 1. Mai ein einzigartiges System Premiere. Deutschlandweit geben Schweinehalter ihren Tieren mehr Platz, mehr Licht, mehr Raufutter, mehr Spielzeug.
- Erstmals ziehen Lebensmittelhandel, Schlachtunternehmen und Bauern an einem Strang.
- Erstmals bekommen Landwirte außerhalb von Markenfleischprogrammen vom Handel einen Ausgleich für zusätzliche Kosten.
- Erstmals heißt es nicht „Du musst“, sondern „Du darfst“.
Doch ist längst nicht alles im grünen Bereich. Denn noch immer tauchen neue Fragen bei der Auslegung der Tierwohlkriterien auf. Auch die Basiskriterien von QS sind nicht immer unumstritten. Nur top oder hopp ohne Ermessensspielraum – das ist ein grundsätzlicher Systemfehler.
Die Landwirte sind in Vorleistung, um ihre Ställe in Sachen Tierwohl auf Vordermann zu bringen. Wenn schon eine einzige nicht gefüllte Strohraufe das Aus für den Betrieb bedeutet, dann ist das mehr als kleinkariert angesichts des vielfältigen Anforderungskatalogs.
Ein weiteres Damoklesschwert schwebt über den Landwirten. Denn die Teilnehmerzahl ist eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Die Anmeldequote bei den Betrieben, die Platzzahl sowie die Summe der gewählten Kriterien sind nicht vorhersehbar. Alle Beteiligten wollen zwar, dass das Projekt ein Erfolg wird. Wenn aber das Geld im Tierwohlfonds nicht für alle angemeldeten Betriebe reicht – und danach sieht es nach Einschätzung von Experten im Augenblick aus –, werden viele Landwirte leer ausgehen.
Wenn 95 % der Betriebe den 2. Mai als frühestmögliches Datum für ein Audit angeben, kann der Topf schon am ersten Tag leer sein. Das bedeutet, dass die Initiative Tierwohl unter den Betrieben losen müsste. Das führt nur zu Unfrieden in den Bauerschaften, wenn ein Schweinehalter den Zuschlag bekommt, sein Nachbar aber nicht, obwohl er auch alle Voraussetzungen erfüllt.
Die Bauern haben geliefert. Jetzt ist der Lebensmittelhandel gefordert, Mittel nachzuschießen, wenn der Fonds überzeichnet wird. Damit kann er zeigen, dass es ihm wirklich um Tierschutz geht und nicht um reine PR. Denn der Imageschaden dürfte beträchtlich sein, wenn der Handel Tierwohl am Geld scheitern lässt.