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„Wir dürfen keine Angst vor den Mitgliedern haben“

Angesichts der Agrarkrise ist der Berufsstand zunehmend gespalten; über den richtigen Lösungsansatz gibt es unterschiedliche Auffassungen. Und so steht auch der Bauernverband für seine Haltung häufiger im Kreuzfeuer. Zuletzt zeigte sich das bei einer Demonstration von Milchbauern vor dem Bauernverbandsbüro Rendsburg.

Lesezeit: 6 Minuten

Angesichts der Agrarkrise ist der Berufsstand zunehmend gespalten; über den richtigen Lösungsansatz gibt es unterschiedliche Auffassungen. Und so steht auch der Bauernverband für seine Haltung häufiger im Kreuzfeuer. Zuletzt zeigte sich das bei einer Demonstration von Milchbauern vor dem Bauernverbandsbüro Rendsburg in Schleswig-Holstein.

 

Dort stellte sich Bauernpräsident Werner Schwarz der Kritik und verteidigte seine Haltung. Warum er sich in die hitzige Debatte mit den Bauern vor Ort hineinwagte, erklärte er am Dienstag bei einem Vortrag in Münster: „Wir dürfen keine Angst vor den Mitgliedern haben“, sagte er, schränkte aber ein: „Allerdings müssen die Protestierer auch Mitglied im Bauernverband sein.“  


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"Wir brauchen Hilfe, um wieder alleine klar zu kommen"


Ihm sei klar, dass die Spannungen derzeit weiter wachsen, auch innerhalb der Landwirtschaft. „Internationale Märkte, Misstrauen, zunehmende Kritik von außen und überbordende Bürokratie machen Angst, der freie Markt birgt Risiken, bietet aber auch Chancen. Eins dürfen wir jedenfalls heute nicht mehr erwarten: Kontinuität“, so Schwarz. Seiner Meinung nach ist die Krise jetzt an einem Punkt, wo sie Instrumente brauche, weil der Markt schlicht versagt. „Wir brauchen jetzt temporär Hilfen, damit die Landwirte aus der Krise herauskommen und dann wieder selbst klarkommen. Was wir nicht brauchen sind Instrumente, die den freien Markt ersetzen!“

 

Aktuell gehe der Bauernverband an die Politik, damit diese Verantwortung übernehme. „Das Russland-Embargo ist nicht Markt, sondern Politik. Da können die Bauern nichts dafür, daher ist die Bundesregierung gefragt. Auch die Tengelmann-Übernahme durch Edeka ist nicht Markt, sondern eine politische Entscheidung gegen den Markt. Bei solchen staatlich verursachten Kosten und Nachteilen muss die Politik also helfen und vor allem künftig Maß halten, damit der freie Markt auch funktionieren kann“, so Schwarz. Richtung Berlin sagte er, dass die Bauern auf ihren Höfen Kosten einsparen können, aber auf die Verluste die ihnen politische Entscheidungen einbrocken, hätten sie keinen Einfluss.


"Auf dem Spiel steht die bäuerliche Familienlandwirtschaft"


Laut dem Bauernpräsidenten gibt es immer mehr Kontrollen, Auflagen und Dokumentationen. Daher plädiert er dringend für eine Vorabprüfung neuer Gesetze, was die eigentlich für die Praxis bedeuten und welchen Einfluss sie auf die Betriebe haben. Zudem müsse künftig für jede neue Vorgabe eine alte gestrichen werden.

 

„Wir sparen nicht bei den Pflanzen und Tieren, sondern nicht selten an der Familie“, verdeutlichte Schwarz die selbstverständliche Einstellung seiner Berufskollegen. Er fordert daher mehr Sachlichkeit und Fairness in der Öffentlichkeit und in den Medien. „Wir haben etwas zu verlieren, eine bäuerlich geführte Familienlandwirtschaft, eine ländliche Agrarkultur, eine hohe Lebensmittelqualität und unseren Frieden. Wir bleiben auf dem Land, auch wenn es gerade nicht einfach ist“, appellierte Schwarz.


"Welche Qualifikation haben die Tier- und Umweltschützer?"


Ein Rätsel bleibe ihm, wieso die Bürger dem Fachmann Klempner, Maurer oder Elektriker selbstverständlich vertrauen, dem hochausgebildeten Landwirt aber nicht. Dieser könne nicht nur mehrere Aus- und Fortbildungen vorweisen, sei staatlich geprüft oder Meister, sondern werde auch lückenlos kontrolliert, müsse laufend etliche Nachweise erbringen und alles dokumentieren. Gerade ihnen werde soviel Misstrauen entgegengebracht. Das gebe es in anderen Branchen nicht. „Über die Bauern heiße es schnell, das seien alles Tierquäler, auf den Schulen ginge es nur darum, wie man möglichst viel Geld verdient und wie man Boden und Tier möglichst effektiv ausbeuten könne“, schimpft Schwarz. „Die uns angeborene Ehrfurcht vor der Schöpfung und unser Verständnis von Tier und Pflanze, das jedes Bauernkind schon in die Wiege gelegt bekommt, sieht keiner.“

 

In diesem Zusammenhang zeigte sich Schwarz fassungslos, dass Medien, Politiker und letztlich die Verbraucher meinen, dass die Bauern den Schweinen die Schauzen abschneiden, damit sie in das Stallsystem passen – wie es 2013 Cem Özdemir im Fernsehen sagte – oder dass wir Glyphosat als Dünger verwenden (Ute Vogt, SPD, im Mai 2016). „Je hohler das Schlagwort, desto lauter der Lärm“, so seine Feststellung.

 

Das führt ihn zu der Frage, welche Qualifikation denn die Kritiker hätten. „Welchen fachlichen Hintergrund haben die Tierschützer? Jäger haben einen Jagdschein, Angler einen Angelschein und Tierschützer einen Heiligenschein?“, fragt der im DBV für Öffentlichkeit zuständige Verbandsvertreter. „Wir müssen allerdings zugeben, dass wir 30 Jahre lang zu wenig gemacht haben, um die Bürger mitzunehmen.“ Der wichtigste Botschafter der Landwirtschaft sei der Bauer selbst, weil er sein Fach gelernt hat. Leider nur bekämen die NGOs recht, weil sie moralisch recht zu haben glauben. „Wir sollten die Gegner ins Boot holen, kleine Annäherungsschritte seien wichtiger als große Kompromisse.“


Der persönliche Kontakt ist wichtiger denn je


Schwarz weiß auch, dass die Meinungsbildung für den Bauernverband heute schwierig geworden ist. Abhilfe sollen die Hoffeste und der persönliche Kontakt zum Verbraucher bringen. Ein Erfolg sei auch die Initiative Tierwohl: „Wir handeln, wo andere nur schimpfen.“ Die Initiative habe bewirkt, dass der Handel und die Landwirtschaft zum ersten Mal überhaupt auf Augenhöhe stehen und Mehrarbeit entlohnt werde.

 

„Statt Opfer von Kampagnen zu sein müssen wir selber kampagnenfähig werden. Wir plädieren für entwaffnende Kampagnen, mit Glaubwürdigkeit, Echtheit, Offenheit und Ehrlichkeit. Fakten erregen heute keine Glaubwürdigkeit mehr, erst der echte Bauer bringt Leben rein“, so der Landwirt. Echtheit bedeute für ihn z.B. eine Stallkamera, um das Bildmonopol der Gegner zu brechen. „Es geht heute nicht mehr ohne Selbstdarstellung und Offenheit! Wir lassen uns zuviele Themen von außen vorgeben, wie bei Glyphosat, Tierwohl etc. Wir müssen viel mehr unsere Schwachstellen aufdecken und lösen. Und wir müssen klären, was wir mit Berufskollegen machen, die gegen Regeln verstoßen und uns alle in Misskredit bringen.“

 

Laut Schwarz sind Aktionen wie „Wir machen Euch satt“ oder die „Bauerwiki“ wichtige Schritte, das Heft wieder selbst in die Hand zu nehmen. Große Erfolge zeigten sich auch in den Sozialen Netzwerken, wo Bauern den direkten Kontakt zu den Bürger suchen. Dort treten immer mehr Kollegen mit viel Selbstbewusstsein auf, „so stelle ich mir Bauernverbandsarbeit vor“, so der Schleswig-Holsteiner.

 

Seinen Vortrag beendete er mit einem Satz an die Öffentlichkeit: „Wir haben den Eindruck, dass uns die Bürger nicht wollen. Aber wundern Sie sich nicht, wenn wir Ihnen irgendwann einmal den Wunsch erfüllen.“

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