Das Ende der Milchquote im Jahr 2015 hat Prof. Ludwig Theuvsen von der Universität Göttingen in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "molkerei industrie" kommentiert. Hier der Text im Wortlaut:
Die Würfel sind gefallen, das Ende des – ursprünglich nur als Kurzfristmaßnahme gedachten – Milchquotensystems ist politisch beschlossen. Ab dem 1. April 2015 kann jeder Milcherzeuger in der EU die Menge erzeugen, die für seinen Betrieb die sinnvollste ist.
Obwohl die EU-Kommission bereits seit Jahren auf diesen Tag hinarbeitet, kam auf der Zielgeraden nochmals Unsicherheit auf: Was wird auf dem europäischen Milchmarkt passieren, wenn die Quote weg ist? Wird es zu einem unkontrollierten Wachstum der Milchmenge mit unabsehbaren Folgen für die Preise kommen? Auch die EU-Kommission selbst schien plötzlich Angst vor der eigenen Courage zu bekommen.
Die agrarökonomische Forschung ist sich aber einig: Es gibt kein Indiz dafür, dass es zu sprunghaften Angebotserweiterungen oder dramatischen Preiseffekten kommen wird. Insofern lautete der Rat der Wissenschaft stets: Die Milchquote sollte abgeschafft werden!
Die aktuelle Entwicklung ist deshalb zu begrüßen. Gleichzeitig verweist die Wissenschaft aber auch auf die Notwendigkeit – und möglichst sogar Stärkung – eines Sicherheitsnetzes, das angesichts volatiler Weltmarktpreise verhindert, dass in länger andauernden Phasen sehr niedriger Milchauszahlungspreise ungewollte und für die Zukunft des europäischen Milchsektors nachteilige strukturelle Brüche auf der Erzeugerebene auftreten. Dies ist eine Lehre aus der Kreise des Milchmarktes 2009, als es die besonders wettbewerbsfähigen Groß- und Wachstumsbetriebe waren, die aufgrund hoher laufender Auszahlungen, namentlich für familienfremde Arbeitskräfte und Kapitaldienst, als erste in ernsthafte Liquiditätsschwierigkeiten gerieten.
Außerhalb der Wissenschaft, so in Teilen der Politik sowie des bäuerlichen Berufsstandes, wird dagegen weiterhin Kritik an der Liberalisierung des Milchmarkts laut. Verschiedentlich wird gefordert, für den Fall einer Krisensituation auf dem Milchmarkt die Möglichkeit eines „freiwilligen“ Produktionsverzichts zu eröffnen, einen Preiskorridor für Milch zu etablieren oder gar ein „politisches Marktsteuerungssystem“ zu implementieren.
Allen diesen Überlegungen ist aus verschiedenen Gründen eine klare Absage zu erteilen. So wird die Effektivität dieser Maßnahmen weit überschätzt. Denn: Die europäische Milchwirtschaft ist eng in die Weltmärkte integriert. Die Frage, was bei der letztlich intendierten Abkoppelung des europäischen Milchpreises vom Weltmarktpreis mit den dann wegbrechenden Exportmengen geschehen soll, bleibt in all den genannten Konzepten unbeantwortet. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden diese Mengen auf den EU-Markt drängen und dort die eigentlich angestrebte Preisstabilisierung konterkarieren. Die genannten Konzepte sind zudem kaum zu administrieren; dies gilt vor allem für das Konzept des „freiwilligen“ Produktionsverzichts.
Last but not least sind – wie Berechnungen des Thünen-Instituts zeigen – Instrumente wie ein gegen Kompensationszahlungen an die Landwirtschaft erfolgender Produktionsverzicht ausgesprochen teuer; Beträge zwischen 0,5 und 1,5 Mrd. € sind schnell erreicht. Die Quote geht, und das ist gut so, meint daher Ludwig Theuvsen