Der Ansehensverlust der Nutztierhaltung in Deutschland ist nur zu stoppen, wenn sich alle Akteure der Branche dieser Herausforderung stellen und gemeinsam Lösungen finden. So lautete am Montag vergangener Woche das Fazit bei der Tagung „Wege zur gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung - Aktuelle Herausforderungen an die Schweinepraxis“, die von der Bayer Nutztierakademie in Melle veranstaltet wurde.
Vor mehr als 90 Fachexperten, darunter viele Veterinäre, mahnte Prof. Matthias Gauly von der Freien Universität Bozen dringenden Handlungsbedarf an: „Wenn wir nichts tun, verlieren wir Produktion in Deutschland“. Der Mitautor des Gutachtens „Wege zu einer akzeptierten Nutztierhaltung“ des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik beim Bundeslandwirtschaftsministerium riet dazu, Haltungssysteme und Produktionsweisen stärker in Richtung Tier- und Umweltschutz zu entwickeln und dafür auch die Verbraucher finanziell in die Pflicht zu nehmen.
Der Referent für Agrar- und Wirtschaftspolitik des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), Dr. Bernhard Schlindwein, warnte ebenfalls davor, dass „wir Akzeptanz verlieren, wenn wir keine Veränderungsbereitschaft zeigen“. Allerdings habe sich die Landwirtschaft mit verschiedenen Partnern und Projekten bereits auf den Weg gemacht, darunter auch mit der Initiative Tierwohl. Die Anstrengungen der Wirtschaft zur eigenen Problemlösung gelte es auszubauen und zu stärken, da sie gegenüber einer staatlichen Ordnungspolitik vorzuziehen seien.
Der Leiter des Deutschlandgeschäfts der Bayer-Tiergesundheitssparte, Thomas Steffens, stellte zum Thema Antibiotika klar, dass sich sein Unternehmen „der Verantwortung im Umgang mit diesem Medikament bewusst ist“ und auch alternative Behandlungsmethoden erforsche.
Für die Bayer-Laborleiterin Dr. Carolin Ludwig ist der umsichtige Einsatz von Antibiotika in der Veterinär- und der Humanmedizin entscheidend für den Erhalt der Medikamentenwirksamkeit.
Glaubwürdigkeit zurückgewinnen
Nach Ansicht von Gauly hat die Landwirtschaft an Glaubwürdigkeit verloren, die durch Änderungen im System zurückgewonnen werden müsse. Selbst richtige Aussagen und fachlich begründete Botschaften könnten nur noch schwer transportiert werden. Notwendig sei deshalb eine offene Diskussion der Probleme, wie sie beispielsweise für die Schweinehaltung auch vom Bauernverband in den Niederlanden geführt werde.
„Wir müssen den Finger in unsere Wunden legen“ und ehrlich ansprechen, was verändert werden soll, empfahl der Wissenschaftler. Dazu zähle nicht unbedingt die Bestandsgröße, da es keinen wissenschaftlichen Beleg für einen Zusammenhang mit dem Tierwohl gebe. Beispiele seien jedoch die Haltungsbedingungen oder der stark gestiegene Leistungsanspruch an die Tiere. In der Kommunikation könne aber auch auf bereits erfolgte Fortschritte verwiesen werden, die zweifellos vorhanden seien. Es gebe dabei auch gute Beispiele, dass ein Mehr an Tierschutz und -gesundheit sich auch wirtschaftlich rechne, beispielsweise wenn das Abgangsalter der Kühe verlängert werde, so Gauly.
Detaillierte Vorschläge für einen Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland seien im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats gemacht worden, und zwar mit dem Ziel, die Produktion in Deutschland über eine höhere öffentliche Akzeptanz zu erhalten. Das werde unzweifelhaft Geld kosten, wobei die Mehrkosten vom Staat, der Wirtschaft und vor allem von den Verbrauchern aufzubringen seien. Ein guter Ansatz dafür sei die Initiative Tierwohl, erklärte Gauly und fügte hinzu, dass man notfalls „den Verbraucher zwingen muss, ein Stück weit mehr zu zahlen.“