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Höfesterben: Teil der Bauernkinder sieht keine Zukunft mehr in Landwirtschaft

DBV-Präsident Rukwied will (noch) nicht von einem Höfesterben sprechen. Laut einer Studie der DZ-Bank droht aber der "Abschied vom jahrhundertealten Modell des bäuerlichen Familienbetriebs".

Lesezeit: 4 Minuten

Rund 5000 bäuerliche Betriebe schließen pro Jahr in Deutschland (1,5 bis 1,7 %) und die Tendenz zu größeren Höfen steigt weiter. Trotzdem will DBV-Präsident Joachim Rukwied nicht von einem Höfesterben sprechen. Die Entwicklung sei „durchaus verträglich“ und entspreche dem natürlichen „Strukturwandel“, sagt Rukwied der Wochenzeitung DIE ZEIT. Auch veränderte Lebensentwürfe trügen dazu bei. „Ein Teil der Bauernkinder sieht keine ökonomischen Zukunftsperspektiven in der Landwirtschaft.“

Als kritisch betrachtet der Bauernvertreter hingegen die Lage bei den Schweinehaltern. Deren Zahl habe sich in weniger als zehn Jahren halbiert, sagt der Landwirt. Er macht dafür vor allem neue Umweltauflagen verantwortlich, die den Landwirten hohe Investitionen für Ställe und Gülledepots abverlangten.

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In dem lesenwerten Artikel in der ZEIT stellen die Autoren fest, dass die "Klasse der Überlebenden - die Bauern", wie es Schriftsteller John Berger einst sagte, zum ersten Mal in der Geschichte nicht überleben könnte. Gab es im Jahr 1960 in Deutschland rund 1,5 Millionen bäuerliche Betriebe, so ist davon heute nur noch etwa ein Fünftel übrig. Rund 5000 weitere schließen derzeit pro Jahr – Tendenz zunehmend. Laut einer Studie der DZ Bank könnten im Jahr 2040 bloß noch 100.000 Höfe existieren. Es drohe der "Abschied vom jahrhundertealten Modell des bäuerlichen Familienbetriebs", heißt es.

Etwas mehr Hoffnung hat DLG-Präsident Hubertus Paetow, der kürzlich sagte, die Zukunft auf dem Land wird nicht traurig, nur anders. Er gesteht ein, dass die Branche in der Vergangenheit immer nur auf jene Landwirte geschaut habe, die bleiben und wachsen. Bei der letzten Wintertagung habe die DLG nun erstmals über eine Ausstiegsökonomie diskutiert. Jetzt will man auch jenen, die aufgeben, Wege weisen, wie sie das wirtschaftlich klug planen. Weil die Konzentration unausweichlich sei.

Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), spricht die andauernden Änderungen bei den gesetzlichen Vorschriften an. Landwirte wüssten oft nicht, mit welchen Belastungen sie rechnen müssen und auf welche Unterstützung sie bauen können, wenn sie mehr für das Gemeinwohl tun. "Diese Ungewissheit macht mürbe", sagt Janßen.

Druck von allen Seiten

Der Artikel beleuchtet auch den Druck auf die Bauern. So würden EU-Direktzahlungen heute einfach auf die Flächen verteilt. Große Betriebe könnten da ganz anders auf dem Pacht- und Kaufmarkt auftreten, berichtet Reinhard Jung vom brandenburgischen Bauernbund. Und nur wer sich bessere Maschinen und moderne Stalltechnik leisten kann, könne seine Produktionskosten senken. Für kleinere Betriebe seien die hohen Schuldenlasten eine schwere Bürde. In diese Tretmühle haben Agrarpolitiker die Bauern gezwungen, damit Nahrungsmittel in großen Mengen billig erzeugt werden, stellt die ZEIT fest.

Zu den ökonomischen Engpässen komme die beständige Kränkung etwa von Umweltschützern. Immer mehr Kollegen ließen sich „von Minderwertigkeitskomplexen überwältigen“, erklärt Jung weiter. Und Volker Willnow von der Landwirtschaftlichen Familienberatung des Evangelischen Bauernwerks verbildlicht, dass sich der einzelne Landwirt immer öfter wie ein Radfahrer fühlt, der gegen einen ICE antreten soll. „Er strampelt sich ab, ohne dass auch nur jemand bemerkt, wie liebevoll er sein altes Rad immer wieder repariert und geputzt hat, damit es überhaupt weiterrollt.“

Der Druck von allen Seiten lege sich wie Mehltau auf ihre Seele, berichten auch andere Familienberater. Hinzu komme die Scham: Was sollen die Leute denken, wenn man aufgäbe? Was würden die Großeltern sagen, die Urgroßeltern? Mittlerweile leide jeder sechste Landwirt unter einer psychischen Krise, wie Daten der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau nahelegen.

Strotdrees: Wo bleibt der Aufschrei?

In einem Gastbeitrag in der ZEIT äußert sich Biobauer Ludger Strotdress zum Höfesterben. „Wir Bauern halten den Mund, wenn der Nachbar den Nachbarn aussticht. Wir bleiben ruhig, solange wir auf der Gewinnerseite sind, und freuen uns über jede Möglichkeit, ein paar Hektar dazupachten zu können. Bis wir selbst geschluckt werden“, schreibt der Landwirt aus dem Kreis Gütersloh (NRW).

Man müsse heute doch so deutlich werden, damit noch jemand etwas merkt, sagt Milchviehhalter Strotdrees und fragt: „Wo bleibt der Aufschrei der Verbraucher, dass schon Hunderttausende von uns verschwunden sind und wir immer noch weniger werden? Bis niemand mehr da ist, der sich kümmert im Dorf? Stattdessen steckt ihr uns in Zwangsjacken aus Wunschvorstellungen. Auch ich will mich für Technik wie unsere neue Heutrocknungsanlage begeistern können, obwohl ich Biolandwirt bin und mein Weltmarkt der Wochenmarkt ist. Das Bäuerliche muss man verteidigen – aber es darf sich ja wohl ändern. So wie alle anderen Lebensbereiche“, so Strotdrees.

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