Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

Aus dem Heft

Bullenmäster hängen in der Luft

Lesezeit: 6 Minuten

Die grünen Landwirtschaftsminister wollen die Auflagen für die Rindermast verschärfen. Das verunsichert etliche Bullenmäster.


Das Wichtigste zu den Themen Rind + Milch mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Sven Dageförde schaut skeptisch in die Bucht: Sieben schwere Fleckviehbullen dösen friedlich auf dem Spaltenboden. „Wie lange werde ich die Tiere so noch halten können?“, fragt sich der 24-jährige Hofnachfolger aus Ebstorf bei Uelzen (Niedersachsen). Dageförde hält zusammen mit seinem Vater insgesamt 225 Bullen in Altgebäuden. Daneben haben sie einen Ackerbaubetrieb. „Eigentlich müssten wir aufstocken, um die Arbeitsproduktivität zu erhöhen und das Einkommen zu stärken“, sagt der Landwirt.


Aber im Moment ist die Lage für Bullenmäster schwierig. Aufgrund des Sommerlochs bei der Rindfleischnachfrage fallen die Preise. Dazu kommen relativ hohe Kälberpreise. „Für Fleckviehbullen zahlen wir schon 500 €, für Kreuzungstiere 400 €“, schildert der Landwirt.


Sorge um Mast-Richtlinie:

Dageförde fühlt sich im Moment noch aus einem anderen Grund zum Stillstand verdammt. Was ihm und vielen anderen Mästern Sorge macht, ist die Diskussion um mehr „Tierwohl“, das die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen durchsetzen will. Die Pläne gehen allerdings schon auf den ehemaligen Landwirtschaftsminister Gerd Lindemann (CDU) zurück, der bereits im Jahr 2013 einen Tierschutzplan für verschiedene Haustierarten ins Leben gerufen hatte.


„Entsprechend dem niedersächsischen Tierschutzplan arbeiten wir für Bullen und andere Mastrinder an Tierschutzleitlinien bis 2018“, berichtet ein Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Bislang habe Niedersachsen bei fast allen Tierarten Leitlinien oder Empfehlungen herausgegeben, die bundesweit angewendet würden. Nur bei Mastrindern würden diese noch fehlen, daher sei die Haltungsform Schwerpunkt des Tierschutzplans.


Ohne konkrete Vorgaben können und wollen derzeit keine Landwirte investieren. Denn was ist, wenn sie hinterher aufgrund neuer Auflagen nachrüsten müssten?


Am meisten Sorgen machen sich die Bullenmäster dabei um das künftige Platzangebot. „Wir wissen aber nicht, was da auf uns zukommt, sind es 3,0 oder 3,5 m2 pro Endmast-Bulle?“, erklärt Dageförde.


Das Landwirtschaftsministerium schweigt sich darüber aus. „Die Tierschutzleitlinien für Mastrinder sind derzeit noch in der Erarbeitung, daher können wir keine konkreten Angaben zu Anforderungen oder Geltungsbereich machen“, heißt es.


Mehr Platz pro Bulle:

Orientierung könnten aber Förderrichtlinien geben. Die Vergangenheit lehrt, dass ehemalige Förderrichtlinien nach einiger Zeit in verpflichtende Haltungsstandards überführt wurden. In Niedersachsen gibt es derzeit keine Agrarinvestitionsförderung (AFP) für die Rinderhaltung, dafür aber in Nordrhein-Westfalen, dessen grünes Landwirtschaftsministerium sich stark an den Kollegen in Niedersachsen orientiert.


Die Förderung sichert den Landwirten einen Zuschuss von 35% der Netto-Investitionssumme zu, wenn sie 4,5 m2 Stallplatz pro Bulle erfüllen und die Hälfte der Bucht mit einer Gummimatte auslegen. Diese kostet rund 70 bis 75 € pro m2, also etwa 110 € pro Bulle. „Der Zuschuss sorgt dafür, dass ein neuer Stall etwa genauso teuer wird wie heute bei konventioneller Bauweise“, hat Rindermastberater Christopher Kneip von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen ermittelt. Das bedeutet auch: Ohne Förderung zahlen Bullenmäster rund ein Drittel mehr für den Stall, ohne dass die Erlöse steigen. Zwar könnte die geringere Belegdichte für eine gewisse Leistungssteigerung sorgen. Aber das dürfte die Zusatzkosten nicht aufwiegen, erwartet der Berater.


Dazu kommt, dass es erst wenig Erfahrung mit der Gummimatte gibt. „Der Schlitzanteil ist geringer. Wenn es dann noch weniger Tiere pro Bucht gibt, ist fraglich, ob der Mist überhaupt ausreichend durch die Schlitze getreten wird“, schildert Kneip. Negative Erfahrungen damit gibt es zumindest aus der Schweinehaltung. „Es wäre gut, wenn die Behörden das in der Praxis einmal untersuchen würden, bevor sie mit einer neuen Richtlinie Nägel mit Köpfen machen“, schlägt Kneip vor.


Mäster Dageförde sieht die Diskussion um mehr Platz mit Sorge: „Mehr Platz bedeutet auch, dass die Tiere mehr Raum für Rangeleien haben. Das könnte die Verluste erhöhen.“ Zudem trockne eine Gummimatte langsamer ab. Das verschlechtere die Rutschfestigkeit mit der Folge, dass sich die Tiere schneller verletzen können.


Mehr Fressplätze gefordert:

Doch ein Neubau kommt für viele Mäster in den typischen Veredelungsregionen im Moment ohnehin nicht infrage, da die Behörden bei den Baugenehmigungen zurückhaltend sind und oft die nötige Ausbringfläche für Gülle fehlt. Daher ist entscheidend, inwieweit sich die Richtlinie auf bestehende Bestände auswirkt. Dagefördes Ställe stammen aus dem Jahr 1988. „Diese Situation haben viele Mäster, weil die Ställe früher nach Tierzahl, aber nicht nach m2 pro Bulle genehmigt wurden“, lautet Kneips Erfahrung. Früher waren die Tiere zudem kleiner und wurden nicht so schwer gemästet wie heute.


Mehr Fressplätze gefordert:

Ein weiteres Problem könnte sich mit dem Tier-Fressplatz-Verhältnis ergeben.


„Wenn dieses pauschal eingeführt wird, bekommen Mäster Probleme, die lange, aber schmale Buchten haben“, erwartet Kneip. Das ist z.B. bei Strohställen der Fall. Hier könnte es also paradoxer Weise dazu führen, dass die Tiere zwar genügend Platz haben, aber der Landwirt mangels Fressplätzen Bullen herausnehmen müsste. „Die Diskussion ist auch fachlich unsinnig, da nie alle Bullen gleichzeitig fressen“, kritisiert Dageförde. Da Futtermischwagen auch in der Bullenmast immer mehr Standard werden, besteht seiner Meinung nicht die Gefahr, dass sich die ranghöheren Tiere das beste Futter heraussuchen.


Sollte der Tierschutzplan Realität werden, hieße das: Entweder neu bauen, um die Tierzahl zu halten, oder abstocken. „Das hätte erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit, die im Moment schon nicht so rosig ist“, warnt Kneip. Denn nach guten Zeiten mit 4,00 € pro kg Rindfleisch sind die Marktpreise auf 3,40 bis 3,50 € gesunken. Die Kälberpreise sind dagegen anhaltend hoch. Er führt das auf sinkende Milchkuhbestände aufgrund der Preiskrise zurück.


„Damit spüren auch die Mäster allmählich die Auswirkung der Milchkrise immer stärker“, erläutert er. Der Kälberbezug werde in Zukunft eine große Herausforderung für die Mäster. „Wir setzen wegen der hohen Preise für Fleckviehkälber auch wieder stärker auf Kreuzungskälber, auch wenn diese mehr Probleme auf den Spalten haben“, schildert Mäster Dageförde.


Die neuen Haltungsvorschriften würden vor allem die kleinen bis mittleren Betriebe treffen, die in der Vergangenheit weniger stark gewachsen sind. Das würde den Strukturwandel auch in der Bullenmast anheizen. Junglandwirt Dagevörde ist deshalb frustriert: „Wenn dann noch zusätzliche Auflagen wie eine neuen Siloplatte kommen, kann man besser die Bullenmast aufgeben und sein Geld anders verdienen“.


Hinrich Neumann

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.