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Kommt die dreitägige Milchabholung?

Lesezeit: 8 Minuten

Zwei Molkereien in Deutschland erfassen die Milch nur noch alle drei Tage. Kann das bundesweit Schule machen?


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Während viele Molkereien in Süddeutschland derzeit mit Hochdruck von täglicher auf zweitägige Milcherfassung umstellen, gehen zwei Unternehmen aus dem Westen noch einen Schritt weiter: FrieslandCampina Köln erfasst bereits 225 Mio. kg (60 %) der insgesamt 375 Mio. kg Jahresanlieferung dreitägig, die Biomolkerei Söbbeke (Gronau) sammelt ihre 50 Mio. kg Jahresmilchmenge komplett nur noch alle drei Tage ein. Sind die beiden Molkereien möglicherweise Vorreiter eines neuen, bundesweiten Trends?


Gesetzesänderung war Startschuss


Bis Mitte 2007 war eine dreitägige Milch­erfassung gesetzlich nicht möglich.Denn die nationale Milchverordnung schrieb vor, dass Rohmilch innerhalb von 66 Stunden bei einer Sammelstelle oder einem Verarbeitungsbetrieb angeliefert werden musste. Im seitdem geltenden EU-Recht gibt es für die Lagerdauer von Milch allerdings keine Beschränkung mehr, sie muss bei mehrtägiger Lagerung nur unmittelbar nach dem Melken auf mindestens 6 °C gekühlt werden.


Diese Gesetzesänderung war der Startschuss für FrieslandCampina Köln (damals noch Campina Köln), auch in Deutschland auf dreitägige Milcherfassung umzustellen. Im „Heimatland“ Holland sammelt das Unternehmen die Milch schon seit mehr als 20 Jahren nur noch alle drei Tage ein.


Um Planungssicherheit für Investitionen zu geben, hat die Genossenschaft ihre deutschen Mitglieder frühzeitig über die Pläne informiert. Seit dem 1. 1. 2008 fördert FrieslandCampina die Umstellung mit Preiszuschlägen: Milcherzeuger, die die Bedingungen zur dreitägigen Milcherfassung erfüllen (Lagerkapazität), erhalten einen Zuschuss von 0,25 Cent/kg Jahresanlieferung. Dieser soll die höheren Tankkosten ausgleichen. Die Förderung endet am 31. 12. 2012.


Danach will FrieslandCampina den Druck auf Betriebe mit zweitägiger Milchabholung erhöhen: Sie sollen monatlich 100 € (2013), 200 € (2014) bzw. 275 € (2015) zahlen, da sie höhere Kosten als Betriebe mit dreitägiger Milch­erfassung verursachen.


Die Pläne sind zunächst auf Skepsis gestoßen. Doch inzwischen sind die meisten Mitglieder dafür, sagt Sybille Gillessen, die für die Mitgliederbetreuung zuständig ist. So haben sich nach drei Jahren bereits etwa 650 der 1 200 aktiven Mitglieder freiwillig der dreitägigen Milcherfassung angeschlossen.


Das dürfte auch auf die relativ lange Vorlaufzeit von acht Jahren zurückzuführen sein. „FrieslandCampina hat von Anfang an mit offenen Karten gespielt. So konnte jeder die Weichen für die dreitägige Milcherfassung stellen“, sagt Milcherzeuger Jürgen Schlotmann aus Neuenrade (Sauerland). Er hatte schon viel früher mit der Umstellung gerechnet und sich schon beim Bau des neues Kuhstalls im Jahr 2000 mit einem relativ großen Tank darauf vorbereitet.


Mit deutlich kürzerer Vorlaufzeit ist die Privatmolkerei Söbbeke vorgegangen: Ihre Lieferanten mussten 2008/2009 innerhalb von nur neun Monaten von zwei- auf dreitägige Milchabholung umstellen.


Um den abrupten Wechsel und die zum Teil notwendigen Investitionen abzufedern, hat Söbbeke den Milcherzeugern ein zinsloses Darlehen über fünf Jahre zur Finanzierung eines größeren Milchtanks angeboten. Das Angebot haben etwa 20 % der Lieferanten angenommen. Zudem erhalten die Milcherzeuger seitdem einen „Stapelzuschlag“ von 0,5 Cent/kg.


So ist es der Biomolkerei nach Aussage von Jürgen Ricker gelungen, den anfänglichen Widerstand der Landwirte zu brechen und alle 160 Lieferanten zu halten.


Doch warum preschen ausgerechnet FrieslandCampina mit dem Premium-Produkt „Landliebe“ und Söbbeke mit den Bio-Produkten bei der dreitägigen Abholung nach vorne?


Beide Unternehmen begründen ihre Vorreiter-Rolle mit einer relativ geringen Milchdichte in einem großen Erfassungsgebiet. Das verursache lange Transportwege und erhöhe die Kosten.


Große Erfassungsgebiete


So erstreckt sich das Erfassungsgebiet von FrieslandCampina Köln vom Diemelsee in Hessen über Rheinland-Pfalz und den Niederrhein bis ins Ruhrgebiet. Durch den anhaltenden Strukturwandel sowie Kündigungen aus den Jahren 2007 und 2008 sind die Mitgliedsbetriebe stark zersiedelt: So mussten die Sammelwagen im Jahr 2010 bereits 10,8 km von Betrieb zu Betrieb zurücklegen, zwei Jahre vorher waren es nur 9,1 km.


Die dadurch steigenden Transportkosten will das Unternehmen durch den dreitägigen Abholrhythmus auffangen: Inwischen fahren 44 von 108 Milchsammel-Touren nur noch alle drei Tage. „Dadurch sparen wir pro Tonne eingesammelter Milch 1,35 km Fahrstrecke ein, oder anders ausgedrückt: Die Sammelkosten sinken um 10 bis 15 %“, erklärt Berthold Hungenbach, Leiter für Landwirtschaft, Mitglieder und Logistik.


Bei Söbbeke ist die Situation ähnlich: Das Erfassungsgebiet reicht von der ostfriesischen Küste bis in den Köln-Aachener Raum, bei nur geringer Milchdichte. So betrugen die Transportkosten zum Zeitpunkt der Umstellung (2008/2009) bereits über 4 Cent/kg Milch. Mit der dreitägigen Milcherfassung konnten sie um etwa 1 Cent/kg reduziert werden.


Einen Imageverlust für die Landliebe- bzw. Bio-Produkte aufgrund der längeren Lagerung der Rohmilch auf den Betrieben erwarten die Molkereien nicht, im Gegenteil: „Das passt ideal in das Nachhaltigkeitskonzept, da wir weniger Diesel verbrauchen, den CO2-Ausstoß verringern und somit die Umwelt schonen“, stimmen Hungenbach und Ricker überein.


Grundvoraussetzung für die dreitägige Lagerung ist aber eine einwandfreie Milch­qualität. Zudem muss ein entsprechender Tank mit Kühlung installiert sein. „Denn wer den Keimgehalt der Milch bei der zweitägigen Erfassung nicht im Griff hat, wird bei der dreitägigen Abholung erhebliche Probleme bekommen!“, versichert Hungenbach. Bisher sei aber noch kein Qualitätsunterschied auszumachen.


Das gilt auch für die Molkerei Söbbeke. Im Dezember 2010 hatten 89 % der untersuchten Einzelproben einen Keimgehalt von unter 50 000 Keimen/ml in der Milch. „Damit waren wir deutlich besser als der Durchschnitt in Nordrhein-Westfalen, der bei knapp 85 % Proben unter 50 000 Keimen/ml liegt“, sagt Ricker.


Auch Landwirte mit dreitägiger Milch-erfassung konnten bisher keinen Unterschied feststellen. „Der Keimgehalt der Milch hat sich seit der Umstellung Mitte 2009 nicht verändert“, berichtet Eckhard Budde aus Gummersbach.


Verändert hat sich bei dem Milcherzeuger allerdings der Verbrauch an Betriebsmitteln: Weil Budde den Tank jetzt nur noch alle drei Tage reinigen muss, spart er Reinigungsmittel und Wasser ein. „Und weil ich mich für einen modernen Tank mit Wärmerückgewinnung entschieden habe, sinken sogar die Energiekosten“, sagt der Landwirt. Weiterer Effekt: Im Winter muss er die Zufahrt für den Sammelwagen nur noch alle drei Tage von Schnee und Eis befreien.


Bundesweiter Trend?


Doch auch wenn die bisherigen Erfahrungen der Molkereien und Landwirte überwiegend positiv ausfallen, wird die dreitägige Milcherfassung nicht umgehend bundesweit kommen. Das hat mehrere Gründe.


Viele Molkereien in Süddeutschland haben in den letzten Jahren erst auf die zweitägige Milcherfassung umgestellt. „Da können wir es den Landwirten einfach nicht zumuten, jetzt erneut zu investieren, um die Milch drei Tage lang lagern zu können“, sagt Sebastian Wild von der Privatmolkerei Danone in München.


Zudem ist in vielen Regionen die Milchdichte noch so hoch, dass eine zweitägige Milcherfassung sinnvoll ist. „In Bayern beispielsweise macht die dreitägige Abholung nur in ganz wenigen Gebieten mit extrem niedriger Michdichte oder bei „Spezialmilchen“ wie Bio-, Schaf- oder Ziegenmilch Sinn“, sagt Christian Schramm von der Molkerei Zott in Mertingen.


Zudem stößt die dreitägige Erfassung bei größeren Betrieben an ihre Grenzen. „Die Tankwagen können etwa 24 t Milch zuladen. Bei Betrieben mit einer Produktion von mehr als 8 t Milch pro Tag und nur einem Milchtank ist die dreitägige Erfassung somit nicht sinnvoll“, gibt Dr. Björn Börgermann vom Milchindustrie-Verband zu Bedenken. Diese Milchmenge fällt bei etwa 270 Kühen mit einer Tagesleistung von 30 kg an.


Außerdem befürchtet Dr. Börgermann Einschränkungen aufgrund des Alters der Milch: „Einige Länder importieren nur Milch und Milchprodukte, die nicht älter als 48 Stunden sind. Das könnte zu Problemen beim Export führen.“


Statt flächendeckend auf dreitägige Milcherfassung umzustellen, plädiert er deshalb im ersten Schritt für eine bessere Tourenplanung. Denn wenn es gelingen würde, die Tankwagen immer mit 23 bis 24 t auszulasten, ließen sich deutlich mehr Kosten sparen. „Bei größeren Milchmengen steigt hingegen die Gefahr von Unter- bzw. Überladung“, sagt Dr. Börgermann.


Eine Möglichkeit wäre seiner Meinung nach ein EDV-System, das fortlaufend die optimale Tankwagen-Route berechnet. Ziel sei dabei, möglichst genau 24 t Milch zuzuladen. Dazu könnte die Milch flexibel im Ein-, Zwei- oder Drei-Tages-Rhythmus bei den Landwirten erfasst werden. Allerdings sollten dabei auch die Interessen der Landwirte und Spediteure berücksichtigt werden, so Dr. Börgermann.


Wir halten fest


FrieslandCampina und Söbbeke sind Vorreiter bei der dreitägigen Milcherfassung. Aufgrund ihres großen Erfassungsgebietes und der stark zersiedelten Betriebe können sie so Kosten sparen.


Bei beiden Unternehmen erhalten die Milcherzeuger Zuschüsse, die die höheren Tankkosten abfedern sollen. Durch den geringeren Reinigungsaufwand können die Landwirte zudem Betriebsmittel sparen. Qualitätsunterschiede in der Milch sind bisher nicht auszumachen.


Flächendeckend scheint sich die dreitägige Abholung aber zunächst nicht durchzusetzen. Denn in Regionen mit hoher Milchdichte können die Tankwagen bei zweitägiger Erfassung besser ausgelastet werden. Außerdem ist die Umsetzung in größeren Betrieben schwer. P. Liste

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