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Wie beeinflussen Futteraufnahme und Milchleistung die Negative Energiebilanz?

Eine Negative Energiebilanz (NEB) kann zu Störungen in der Gesundheit und Fruchtbarkeitsleistung von (Hochleistungs-)Kühen führen.

Lesezeit: 8 Minuten

Eine Negative Energiebilanz (NEB) kann zu Störungen in der Gesundheit und Fruchtbarkeitsleistung von (Hochleistungs-)Kühen führen. Tim Ebert, Dr. Christian Koch und Prof. Steffen Hoy haben die negative Energiebilanz in den ersten 14 Wochen nach der Abkalbung berechnet.

Für eine hohe Milchleistung müssen die Kühe eine große Menge an Futter-Trockenmasse (TM) aufnehmen. Da jedoch Kühe mit hoher Milchleistung nach der Abkalbung mehr Energie über die Milch abgeben als sie über das Futter aufnehmen, kommt es zur negativen Energiebilanz. Die Kühe „schmelzen“ Körperfett zur Mobilisierung von Energie ein, verlieren also Fett (die Rückenspeckdicke nimmt ab) und Körpergewicht in erheblichem Umfang. In bestimmtem Umfang ist das bei Muttertieren durchaus normal. Geht der Gewichtsverlust aber über ein bestimmtes Maß hinaus, erhöht sich das Risiko von Erkrankungen oder Fruchtbarkeitsstörungen. Im vorliegenden Beitrag soll das Ausmaß der NEB anhand von exakten Messungen von Futteraufnahme, Milchleistung und Gewichtsentwicklung beschrieben werden.

 

Messungen mit Wiegetrögen

Voraussetzung für die genaue Bestimmung der NEB ist zunächst die Messung der täglichen einzeltierbezogenen Futteraufnahme. In die Untersuchungen auf dem Hofgut Neumühle wurden 72 Kühe im Zeitraum 21 Tage vor bis 100 Tage nach der Kalbung einbezogen, die an Wiegetrögen gefüttert wurden. Die Milchleistung wurde täglich im Melkstand erfasst. Laktierende Kühe wurden bei jeder Melkung, Trockensteher zweimal pro Woche gewogen. Es wurde eine gras- und maisbasierte Ration verfüttert, wobei die Wiegetröge einmal täglich am Morgen befüllt wurden. Das Tier-Fressplatz-Verhältnis betrug 2 : 1. Die Energiebilanz der Milchkühe wurde wie folgt berechnet: Energieaufnahme über das Futter minus Energiebedarf für Erhaltung und Milchbildung. Die Rationszusammensetzung (incl. der Energiegehalt) war bekannt, sodass der Energiegehalt der jeweiligen Ration mit der Futteraufnahme in kg (= Energieaufnahme) multipliziert wurde. Von diesem Wert wurde die Energie für Erhaltung und Leistung abgezogen. Der Erhaltungsbedarf wurde nach folgender Formel berechnet:

Erhaltungsbedarf (MJ NEL / Tier und Tag) = 0,293 x kg LM0,75.

Für die Berechnung des Energiebedarfes für die Milchbildung kam folgende Formel zur Anwendung: MJ NEL/kg Milch = 0,95 + 0,37 x Fett (%) + 0,21 x Eiweiß (%).

Für die Berechnung des Energiebedarfs zur Milchbildung war die Milchleistung (in kg) für jeden Tag bekannt. Die Angaben zu den Fett- und Eiweiß-Gehalten standen nur einmal monatlich (über die Milchleistungsprüfung) zur Verfügung. Daher wurden diese Daten auf Wochenmittel umgerechnet. Im zweiwöchigen Turnus wurde auch die Rückenfettdicke (RFD) gemessen.

 

Energiebilanz war 11 Wochen lang negativ

Erwartungsgemäß war die Futteraufnahme vor der Kalbung niedriger als danach. Die geringste Futteraufnahme wurde an den Tagen vor der Abkalbung nachgewiesen: Kühe in der ersten Laktation nahmen in dieser Zeit etwa 9,3 kg TM pro Tag auf, Altkühe dagegen ca. 12,5 kg. Nach der Abkalbung erhöhte sich die Futteraufnahme langsam, wobei die Kühe in der zweiten Laktationswoche im Durchschnitt etwas mehr als 14 kg TM täglich fraßen. In der 14. Laktationswoche erreichte die TM-Aufnahme mit rund 23 kg Trockenmasse pro Tag das Maximum im Auswertungszeitraum.

Im Mittel aller Kühe betrug die Milchleistung in der zweiten Laktationswoche ca. 35 Liter. Die Laktationsleistung erreichte deutlich früher das Maximum als die Futteraufnahme – das war bereits in der 8. Laktationswoche mit etwa 41,5 kg der Fall- Die höchste Tagesmilchmenge erzielten Kühe in der dritten Laktation mit 42,9 kg. Kühe mit 4 oder mehr Laktationen gaben zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich 41,7 kg und Tiere in der 2. Laktation 38,7 kg Milch. Erstkalbinnen hatten demgegenüber eine Leistung in dieser Woche von im Mittel 30,3 kg.

Mit Hilfe der erhobenen Daten konnte eine Berechnung der Energiebilanz von der 2. bis zur 14. Laktationswoche durchgeführt werden. Dabei wurde die Kolostralmilchperiode in der ersten Laktationswoche nicht berücksichtigt. Da die Rationszusammensetzung bekannt war, wurde der Energiegehalt mit der täglichen Futteraufnahme multipliziert und ergab die Energieaufnahme über das Futter (im Mittel 20,3 kg Trockenmasse je Tag x 6,9 MJ NEL/kg TM = 140 MJ NEL).

Der Erhaltungsbedarf wurde im Mittel der Kühe mit 37,3 MJ NEL/d und der Leistungsbedarf für die Milchbildung mit durchschnittlich 118,8 MJ NEL/d berechnet. Insgesamt ergab sich somit ein Mittelwert für den Energiebedarf von 156,1 MJ NEL/d und im Auswertungszeitraum eine mittlere negative Energiebilanz von -16,1 MJ NEL je Tag. Diese negative Energiebilanz war vor allem in den ersten Laktationswochen ausgeprägt. Die Dauer der NEB war bei Tieren der ersten Laktation und älteren Kühen nahezu gleich. Allerdings zeigten ältere Kühe einen deutlich stärker negativ ausgeprägten Verlauf der Energiebilanz. Die NEB war bei älteren Kühen um bis zu 18,6 MJ NEL pro Tag stärker ausgeprägt als bei Erstkalbinnen. Die Energiebilanz war im Mittel aller Kühe auf der Neumühle erst in der 11./12. Laktationswoche ausgeglichen und danach positiv.

Ältere Kühe nahmen deutlich mehr Futter auf als Jungkühe in der ersten Laktation. Über den gesamten Auswertungszeitraum betrug der Unterschied ca. 4,0 kg Trockenmasseaufnahme mehr pro Tag bei den Altkühen. Wie erwartet gaben Erstlingskühe (= 1. Laktation) deutlich weniger Milch als ältere Kühe. Im Mittel betrug die Differenz zugunsten der Altkühe rund 10,8 kg pro Tag. In der Tabelle sind die Unterschiede in der Milchleistung und der Futteraufnahme zwischen Erstlaktierenden und älteren Tieren (zwei oder mehr Laktationen) gegenübergestellt. In der Praxis liegen bekanntlich keine genauen Angaben zur täglichen Futteraufnahme der Kühe vor. Mit den Tabellenwerten können die Daten für die Energieaufnahme und den Energiebedarf für die Milchleistung in den Milchviehbetrieben kalkuliert werden.

 

Körpergewicht nimmt bis 13./14. Laktationswoche ab

Wenn die Energiebilanz negativ ist, müssen sich die Rückenspeckdicke und/oder das Gewicht der betreffenden Kuh verringern. Tatsächlich kam es im Mittel aller untersuchten Kühe zu einer deutlichen Verringerung des Gewichtes in den ersten Laktationswochen. Im Mittel aller Kühe betrug das Gewicht in der zweiten Laktationswoche etwas mehr als 670 kg. Den Tiefpunkt erreichte das Gewicht in der 13. Laktationswoche (ca. 622 kg im Mittel). Danach nahmen die Kühe wieder an Gewicht zu. Zwischen der Kalbung und der 14. Laktationswoche nahmen die Kühe im Mittel etwa 43 kg ab. Das entspricht einem Gewichtsverlust von ca. 6,4 %. Die Unterschiede zwischen den Kühen waren groß: zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Körpergewicht einer Kuh in der Herde gab es eine Differenz von ca. 450 kg. Die Kühe hatten im ersten Laktationsdrittel ein Durchschnittsgewicht von 642 kg.

Die Laktationsnummer hatte einen deutlichen Einfluss auf die Höhe des Körpersubstanz-Verlustes. Die Jungkühe verloren dabei weniger an Körpergewicht als ältere Kühe mit zwei oder mehr Laktationen. Erwartungsgemäß hatten Jungkühe nach der Kalbung ein niedrigeres Gewicht (594 kg) als Altkühe mit 680 kg. Das niedrigste Körpergewicht wurde in beiden Laktationsklassen in der 13. bzw. 14. Woche nach der Abkalbung festgestellt. Tiere mit einer höheren Milchleistung verloren tendenziell mehr Gewicht als Tiere mit einer geringeren Milchleistung.

Auch bei der Rückenfettdicke kam es nach der Abkalbung zu einem starken Rückgang. Erstkalbinnen hatten nach der Kalbung eine Rückenfettdicke von rund 16 mm, ältere Kühe eine von etwa 15 mm. Nach 100 Tagen in Milch (14. Laktationswoche) wurde die RFD bei Jungkühen mit rund 10 mm, bei Altkühen mit ca. 8 mm gemessen. Den geringsten Wert für die RFD erreichten Tiere in der ersten Laktation in der 13. Woche und ältere Kühe in der 14. Woche nach der Abkalbung. Es ließ sich auch der Trend erkennen, dass Tiere mit einer höheren Milchleistung tendenziell mehr Rückenfett einschmolzen.

Da sowohl die RFD als auch die Lebendmasse gemessen wurde, konnte abgeschätzt werden, wieviel Kilogramm Lebendmasse-Verlust einem Millimeter Rückenfettdicke-Abnahme entspricht. Es wurde ein Wert von 7,4 kg LM-Einschmelzung je mm RFD-Rückgang berechnet. In den Betrieben werden die Kühe üblicherweise nicht gewogen. Selbst in AMS-Betrieben mit einer Waage im Melkroboter werden die Gewichtsdaten meist nicht gezielt für die Optimierung der Fütterung genutzt. In Milchviehbetrieben ohne Wägedaten kann aus der Änderung der Rückenfettdicke der Gewichts-Rückgang geschätzt werden. Es konnte gezeigt werden, dass in den ersten Laktationswochen auch eine zunehmende Futteraufnahme bei hoher Milchleistung das Einschmelzen von Körpermasse bzw. -fett nicht verhindern kann. Durch die hohe Milchleistung wird viel Energie benötigt, die allein aus der Futteraufnahme nicht zur Verfügung steht. Künftig wird der Erhöhung der Grundfutteraufnahme bei den Trockenstehern vor allem in den letzten Wochen der Trächtigkeit Bedeutung zukommen, denn damit kann zugleich die Steigerung der täglichen Futteraufnahme nach der Kalbung erreicht werden. Zumindest könnte damit das Ausmaß der NEB und deren Auswirkungen vermindert werden.

 

Fazit

  1. Die Futteraufnahme der Milchkühe nimmt nach der Geburt des Kalbes langsam zu und erreicht nach etwa 100 Tagen das Maximum. Die Milchleistung befindet sich bereits früher (nach ca. 8 Wochen) auf dem Höhepunkt.
  2. Die negative Energiebilanz dauert durchschnittlich 10 bis 11 Wochen. Bei Jungkühen ist die NEB geringer als bei Altkühen.
  3. Der Gewichtsverlust zum Ausgleich dieses Energiedefizits beträgt im Mittel 6,4 % (ca. 43 kg). Außerdem schmelzen die Kühe Körperfett ein. Pro mm Rückenfettdicke-Verlust verliert eine Kuh rechnerisch etwa 7,4 kg Gewicht.
  4. Wenn es gelingt, die Grundfutteraufnahme – beginnend bereits vor der Kalbung – zu erhöhen, lässt sich die negative Energiebilanz verringern.
 

Vergleich der Milchleistung und der Futteraufnahme von Kühen mit einer oder mit mehr als einer Laktation

LaktationswocheMilchleistung1. LaktationMilchleistung> 1. LaktationTM-Aufnahme1. LaktationTM-Aufnahme> 1. Laktation
225,436,711,015,0
327,639,213,317,6
429,240,915,418,3
530,842,314,819,6
631,542,716,920,6
731,443,017,321,4
831,743,117,022,0
931,542,618,322,3
1031,242,018,422,0
1131,341,519,022,7
1231,140,919,622,9
1330,639,719,022,3
1430,739,719,823,4

 

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