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„Von der Nachfrage überrollt“

Lesezeit: 5 Minuten

Lebensmittel direkt vom Bauern sind so gefragt wie nie zuvor. Doch Behörden legen Erzeugern immer mehr Steine in den Weg. Claudia Müller, Vorzugsmilcherzeugerin aus Wächtersbach, berichtet aus 20 Jahren Direktvermarktung.


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Ein blauer BMW fährt durch den Stall. Auf der anderen Seite schlendert eine Familie mit Kindern an der Abkalbebox vorbei. Mittendrin schauen Radfahrer zu, wie sich eine Kuh von der Bürste den Rücken massieren lässt.


„Das sind unsere Kunden“, erklärt Claudia Müller, „unser Stall steht ihnen jederzeit offen.“


Sehen, woher die Milch kommt. Das ist, was sich viele Verbraucher wünschen. Das zumindest spiegelt die Nachfrage nach Müllers Milchprodukten wider.


Claudia Müller und ihr Mann Achim bewirtschaften einen Milchviehbetrieb („Weidenhof“) im hessischen Wächtersbach, das rund 50 km nordwestlich von Frankfurt am Main liegt. Einen Teil der Milch ihrer 185 starken Kuhherde (rund 500000 kg) vermarkten sie als Vorzugsmilch und pasteurisierte Milch, Dickmilch, Joghurt, Topfen, Molke, Trinkjoghurt und Käse selber. Der Preis für 1 l Vorzugsmilch liegt bei 1,50 € und im 2 l-Gebinde bei 1,25 €.


Sie verkaufen ihre Produkte an Supermärkte, Cafés und Restaurants oder über den Hofladen. Darüberhinaus beliefern sie Privathaushalte. Das seien vor allem junge Familien mit Kindern, erzählt Claudia Müller. Sobald Kinder auf die Welt kämen, ändere sich auch die Einstellung zur Ernährung. Und zwar zugunsten von frischen Produkten aus der Region.


Direkt vom Bauern ist „in“:

Für die vielen Nachfragen von weiteren Cafés oder Rewe-Märkten führt sie zurzeit eine Warteliste. „Unsere Kapazitäten sind restlos ausgeschöpft“, sagt Claudia Müller. Die Leute wollen „echte“ Regionalität. Vielfach wird das Wort Regionalität missbraucht, das nehmen die Verbraucher wahr.


Außerdem scheint Milch direkt vom Bauern „in“ zu sein, erklärt sie. Cafés merken, dass zu ihrem guten Geschäftsimage auch eine „gute“ Milch gehört.


Durchhalten ist gefragt.

Vor rund 20 Jahren sind Müller zusammen mit einem Studienkollegen in die Direktvermarktung eingestiegen. Damals wie heute hat ihnen die Vorstellung nicht gefallen, dass die Molkerei ihnen die Preise vordiktiert. Außerdem hätten sie mit mehreren Familien nicht davon leben können.


Dass die Milcherzeuger nach so vielen Jahren noch immer dabei sind, haben sie auch ihrem Durchhaltevermögen zu verdanken. „Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man in den ersten fünf bis sechs Jahren kein Geld damit verdienen kann“, sagt Claudia Müller. Hinzu kommt die Abhängigkeit von den Veterinärbehörden, die Gesetze und Verordnungen sehr unterschiedlich auslegen. Entsprechend groß ist die Bandbreite an Auflagen, die sie den Hofmolkeristen aufdrücken.


Claudia Müller erinnert sich, als sie ein Jahr lang keine Vorzugsmilch (d.h. vollkommen unbehandelte Milch) verkaufen durfte, weil man in einer Milchprobe Campylobacter nachwies. Dieses Bakterium verursacht Brechdurchfälle beim Menschen.


Ähnlich streng verhalte sich das mit dem Nachweis des Erregers „VTEC“, der zur Gruppe der E. coli-Bakterien gehört. Bestimmte Stämme von VTEC lösen beim Menschen eine blutige Entzündung des Dickdarms aus (auch als EHEC-Infektion bekannt). Weil man jedoch nicht weiß, welche das sind, werden sicherheitshalber alle Stämme als pathogen eingestuft.


Das Herausfordernde: Für eine Vorzugsmilch-Sperre sei nicht die Anzahl der nachgewiesenen Keime ausschlaggebend, sondern dass der Keim überhaupt nachgewiesen wird. Ein einziger Spritzer Kot, der in die Milch gelangt, kann dafür schon reichen, erklärt Claudia Müller und fügt hinzu: „Durch immer schärfere Auflagen und Auslegungen der Vorschriften wird Direktvermarktern das Leben schwer gemacht. Das steht dem wachsenden Wunsch der Verbraucher, ‚frische‘ Milch verzehren zu wollen, entgegen!“


Strenge Melkhygiene:

Um den hygienischen Anforderungen gerecht zu werden, ist ein strenges Management während des Melkprozesses notwendig. Dazu gehört einmal im Monat bei allen Kühen mit einer Zellzahl von über 200000 in der MLP eine Viertelgemelksprobe zu ziehen und zur Untersuchung an ein Labor zu schicken. Das ist Pflicht, bringt aber den großen Vorteil mit sich, über die Leitkeime in der Herde ganz genau Bescheid zu wissen.


Der Zellzahlgehalt in Müllers Herde liegt bei unter 200000. Um keine Keime von Kuh zu Kuh zu schleppen, gibt es im Melkstand auch einen Spender zum Zwischendesinfizieren der Hände. Wer Vorzugsmilch erzeugen will, sollte wissen, dass er die Melker nicht x-beliebig wechseln kann.


Viel reden mögen:

Die einjährige Vorzugsmilch-Sperre hat den Müllers viele Gespräche und Erklärungen mit den Kunden gekostet, die sich letztendlich gelohnt haben. Zum Wiedereinstieg haben sie fast alle Vorzugsmilch-Kunden wieder- und sogar neue dazugewonnen. „Direktvermarktung hat sehr viel mit ausdauernder Kommunikation zu tun“, betont Claudia Müller. Ein Gespür fürs Kundenmanagement ist essenziell für hohe Umsätze.


„Man kann mit Direktvermarktung gutes Geld verdienen“, sagt sie. Allerdings muss man viele Dinge straff organisieren sowie stetig und konsequent nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen. Bei 40 Mitarbeitern, die Müllers insgesamt beschäftigen (überwiegend Teilzeitkräfte oder Minijobber), kommt vor allem Arbeitsprozessen und Schichtplänen eine hohe Bedeutung zu. Löhne gehören nämlich zu den höchsten Kostenblöcken in der Direktvermarktung. Die Betriebsleiterin selbst springt nur notweise in der Molkerei ein. Sie ist für die Organisation in der Direktvermarktung verantwortlich und ist auch im Herdenmanagement im Einsatz.


Claudia Müller, die auch Vorsitzende des Bundesverbandes Milch-Direktvermarkter und Vorzugsmilcherzeuger ist, freut sich über Landwirte, die in die Direktvermarktung einsteigen wollen. Als Konkurrenz sieht sie das nicht: „Jeder, der hinzu kommt, kann unseren Verband mit Ideen und Erfahrungen bereichern.“ Die rund 60 Mitglieder des Verbandes sind so etwas wie eine große Familie. Man kennt sich und man hilft sich. Sowohl mit Tipps zur Produktionstechnik als auch im Umgang mit schärferen Auflagen. Svenja Pein

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