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Was bringt Tierwohl-Milch?

Lesezeit: 6 Minuten

Seit über einem Jahr gibt es das Label „Für Mehr Tierschutz“ auch für Milchprodukte. Wie ist das erste Fazit? top agrar hat sich in der Branche umgehört.


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Am Anfang war ich schon skeptisch, ein Bündnis mit dem Deutschen Tierschutzbund einzugehen“, sagt Andreas Böhm aus Oppertshofen in Bayern, „doch die Sorgen waren unbegründet: Das sind keine Fanatiker, die Mitarbeiter haben Ahnung von der Praxis und die Zusammenarbeit klappt sehr gut.“ Der Milcherzeuger der Privatmolkerei Gropper melkt für das Label „Für Mehr Tierschutz“ und sichert sich einen Zuschlag von 4 ct/kg.


Die Entwicklung ist klar erkennbar: Nach Geflügel und Schweinen rücken nun Milchkühe in die gesellschaftliche Debatte über die Haltung von Tieren. Bestes Beispiel ist der Deutsche Tierschutzbund: Zusammen mit Vertretern von Molkereien und Lebensmittelhandel hat die Nichtregierungsorganisation 2016 das Label „Für Mehr Tierschutz“ für Kühe erarbeitet. Auf 39 Seiten haben sie konkrete Anforderungen an Haltung, Fütterung und Management von Milchkühen formuliert.


Zweistufiges Label:

Dabei gibt es eine Einstiegs- (ein Stern) sowie eine Premiumstufe (zwei Sterne). In der Einstiegsstufe darf z.B. nur ein Tierarzt die Kälber enthornen, in der Premiumstufe müssen die Kühe ganzjährig Zugang zu einem Laufhof und im Sommer zu einer Weide haben. Beide Stufen verbieten die Anbindehaltung und schreiben ein Tier-Fressplatz-Verhältnis von 1:1 vor. Alle Kriterien finden Sie unter www.topagrar.com/tierschutzmilch2018


Die Molkereien müssen sich ebenfalls nach den Richtlinien des Tierschutzlabels zertifizieren lassen. Der Fokus liegt auf der strikten Trennung von Labelmilch und restlicher Milch. Die Molkereien müssen Lizenzgebühren für das Tierschutzlabel zahlen. Die Höhe will der Tierschutzbund nicht nennen.


In der Einstiegsstufe bekommen die teilnehmenden Milcherzeuger einen Zuschlag von 4 ct/kg. Dieser setzt sich aus 3 ct für die Basisstufe sowie 1 ct/kg für GVO-freie Fütterung zusammen. In der Premiumstufe beträgt der Zuschlag 6 ct/kg.


Anfang 2017 haben die beiden Privatmolkereien Gropper und Bechtel aus Bayern die erste Trinkmilch mit dem Label auf den Markt gebracht. Zusammen verarbeiten die Unternehmen derzeit rund 120 Mio. kg Milch von 165 Landwirten unter dem Label „Für Mehr Tierschutz“. Die Osterhusumer Meierei Witzwort aus Schleswig-Holstein ist im Frühjahr 2018 auf diesen Zug aufgesprungen. Sie erfasst momentan mehrere Mio. kg Milch von 19 Landwirten mit dem Label.


Die beiden Discounter Aldi und Lidl haben seit dem Start die gelabelte Milch im Regal stehen. Zum Teil haben sie das Angebot nach eigenen Angaben schon ausgebaut. So bietet Lidl mittlerweile alle Milchprodukte von „Ein gutes Stück Bayern“ mit der Premiumstufe an. Seit Juli 2018 bietet der Händler die Weidemilch der Eigenmarke „Milbona“ mit dem Zwei-Sterne-Label in Nordrhein-Westfalen an und will das Angebot auf Nord- und Ostdeutschland ausweiten. Ab September 2018 will der Lebensmittelhändler Rewe ebenfalls Weide- und Frischmilch der Eigenmarke „Beste Wahl“ mit dem Tierschutzlabel verkaufen.


Teurer im Kühlregal:

Die Verkaufspreise von Milchprodukten mit Label sind Branchenvertretern zufolge 10 bis 25 Cent pro Liter höher im Vergleich zu Produkten ohne Label. Zu den genauen Absatzmengen schweigen sich die Lebensmittelhändler aus. Fest steht, dass die Molkereien immer 10 bis 15% Milch vorhalten müssen und sich deshalb nicht sämtliche Milch mit Tierschutzlabel vermarkten lässt. „Umgerechnet auf Deutschland mit rund 64000 Milcherzeugern und über 34 Mio. t Milch liegt der Anteil der Milch mit Tierschutzlabel auf jeden Fall nur im Promillebereich“, sagt Ludwig Börger, Milchreferent des Deutschen Bauernverbandes.


Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, zieht nach eineinhalb Jahren dennoch ein positives Zwischenfazit: „Durch ein Mehr an Tierschutz ergibt sich für alle Beteiligten die Chance, zu überzeugen und Kunden für sich zu gewinnen – gerade auf dem exzessiven Feld der Billigpreispolitik.“ Der Handel habe die Möglichkeit, den Verbrauchern ein Angebot mit einem echten Mehrwert für die Tiere zu unterbreiten. Und die Milcherzeuger könnten sich diesen Mehraufwand durch das Tierschutzlabel vergüten lassen bzw. in höhere Standards investieren.


Keine Preisgarantie:

Für Landwirte kann es sich tatsächlich rechnen, in den Betrieb zu investieren, um die höheren Auflagen des Tierschutzlabels zu erfüllen und sich so den höheren Milchpreis zu sichern. Das zeigt eine Berechnung von Dr. Gerhard Dorfner (vgl. Kasten „Lohnt sich eine Investition“ Seite R7). Allerdings nennt der Experte der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft auch direkt den entscheidenden Knackpunkt: „Es gibt keine zeitliche Garantie für die Zuschläge!“


Das kritisiert auch Ludwig Börger: „Milcherzeuger nehmen ein erhebliches Risiko in Kauf, wenn sie für das Label hohe Investitions- und Produktionskosten eingehen, aber keine langfristige Sicherheit darüber haben, ob sie diese Mehrkosten auch vergütet bekommen.“


Das zeigt sich auch in der Praxis: Momentan produzieren hauptsächlich Milcherzeuger für das Label, die kaum oder gar nicht investieren mussten, um die Anforderungen zu erfüllen.


Dr. Björn Börgermann vom Milchindustrie-Verband sieht eine weitere Gefahr bei der Diskussion um das Tierschutzlabel: „Wenn ein Produkt als Tierwohl-Milch gekennzeichnet ist, heißt es ja nicht, dass auf den anderen Betrieben ohne Label alles schlecht ist. Dem ist gewiss nicht so!“


Diese Sorge teilt auch Georg Müller von der Molkerei Bechtel. Um die „normale Milch“ nicht als schlechter zu stigmatisieren, spricht er ausdrücklich nicht von Tierwohl-Milch, sondern von „Milch mit höheren Produktionsstandards“.


Bald mehr Tierwohl-Milch?

Für die weitere Entwicklung für Milch mit dem Label „Für Mehr Tierschutz“ ist Thomas Schröder optimistisch: Er rechnet mit einer Verdopplung der Menge bis zum Jahresende. Die Molkereien Gropper und Bechtel sind grundsätzlich auch positiv gestimmt, derzeit aber verhalten bei der Aufnahme neuer Landwirte für Tierschutzlabel-Milch.


Ludwig Börger glaubt, dass ein Wachstum auf langfristig rund 1% der deutschen Milchmenge bereits ein sehr großer Erfolg für den Tierschutzbund wäre. Auch Dr. Björn Börgermann rechnet nur mit verhaltenem Wachstum: „Denn die Absatzzahlen bei Fleischprodukten mit verschiedenen Kennzeichnungsstufen sind auch nur sehr überschaubar.“


Für die teilnehmenden Milcherzeuger ergibt sich seit Kurzem jedoch ein weiterer positiver Effekt, berichtet Reinhold Stangl, Leiter Milcheinkauf bei Gropper: „Die Schlachtunternehmen Vion und Müller Group zahlen für Schlachtkühe mit „Für Mehr Tierschutz“ Preiszuschläge von rund 30 Cent pro kg. Das ist ein Zubrot ohne Mehraufwand.“ Stangl ist deshalb überzeugt, dass sich das Label in der gesamten Rinderhaltung weiterverbreitet.


Kontakt: patrick.liste@topagrar.com

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