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„Wir brauchen eine Partnerschaft zum Handel“

Lesezeit: 7 Minuten

Die Privatmolkerei Rücker verarbeitet an zwei Standorten 850 Mio. kg Milch zu Pulver, Butter und Käse. Wie will Inhaber Klaus Rücker die Wertschöpfung steigern? Was hält er von den Diskussionen über Vertragsbeziehungen und die Sektorstrategie Milch?


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Herr Rücker, Ihr Milchpreis liegt im Fünfjahresschnitt von 2013 bis 2017 und im Vergleich 2018 am Tabellenende. Können oder müssen Sie nicht mehr zahlen?


Rücker: Diese Vergleiche hinken und verzerren das Bild. Wegen der Berechnungsmethode stehen wir schlechter da als wir wirklich sind. Ein Beispiel: Die meisten Vergleiche berücksichtigen einen Liefermengenzuschlag für 500000 kg Milch. Das sind bei uns 0,45 ct/kg. Tatsächlich liegt unsere durchschnittliche Liefermenge aber bei 900000 kg und der Zuschlag somit bei 0,75 ct/kg. Zudem arbeiten viele Molkereien mit versteckten Kosten bei den Grund- und Stoppgebühren, wir nicht.


Aber selbst mit einem halben Cent mehr würden Sie nicht oben mitmischen…


Rücker: Das stimmt. Aber wir haben uns in den letzten Jahren deutlich verbessert und tun es weiter. Zudem bieten wir einen exzellenten Service für unsere Milchlieferanten, zum Beispiel mit Sonderabholungen in Milchspitzen oder bei Hemmstoffproben. Das schätzen sie sehr, auch wenn es nicht direkt in Cent pro Kilogramm Milch sichtbar ist. Unterm Strich sind wir somit wettbewerbsfähig – sonst würden wir bei den vielen Molkereien im Umfeld auch kaum die Milch halten können.


Warum zahlen Sie unterschiedliche Milchpreise für Ihre beiden Standorte in Aurich und Wismar?


Rücker: Das ist historisch bedingt. In Aurich gibt es eine lange Tradition für den Grundpreis plus mengenmäßigen Zuschlag. In Wismar gibt es dagegen eine qualitätsbezogene Bezahlung mit S-Klasse-Zuschlag. Am Jahresende sind die Unterschiede gering.


Milchpulver ist das Sorgenkind des Marktes. Wie schätzen Sie die Lage ein?


Rücker: Die Pulvernotierungen sinken seit dem Herbst 2014, mit nur leichten saisonalen Belebungen. So lange noch diese riesigen Mengen in den Interventionslägern liegen, dürfte das so bleiben. Von der Eiweißseite sind somit keine Milchpreiserhöhungen zu erwarten. Kleiner Lichtblick: Je älter das Pulver im Lager, desto geringer der Einfluss auf die frische Ware. Aber nichtsdestotrotz muss auch die Interventionsware auf den Markt und dämpft die Preise.


Sie produzieren ca. 20000 t Milchpulver. Was heißt das konkret für Sie?


Rücker: Natürlich spüren wir den Druck. Wir versuchen uns zu differenzieren und somit ein Stück weit vom Markt abzukoppeln. Z.B. bei der Qualität, wo wir höhere Anforderungen an den Sporengehalt oder die Mikrobiologie erfüllen oder koschere bzw. halal-konforme Produkte herstellen. So bauen wir den Export in den Mittleren Osten aus. Zudem wollen wir mit enger Kundenbeziehung und Direktvertrieb an die europäische Lebensmittelindustrie die Wertschöpfung steigern. Damit wachsen die Bäume zwar nicht in den Himmel, aber es verbessert unsere Position.


Milchfett ist die Stütze des Milchpreises. Allerdings sind die Butternotierungen deutlich gesunken. Was sind die Gründe?


Rücker: Nach der Sommerpause waren alle ein bisschen nervös, weil die deutsche Milchmenge aufgrund der Dürre einknickte. Die Preise schnellten nach oben. Die Milchanlieferung hat sich wieder normalisiert, die Preisüberhitzung gelegt. Mit rund 5 €/kg liegt die Butternotierung im langjährigen Vergleich aber immer noch auf hohem Niveau. Klar ist aber, dass es dieses Jahr beim Butterpreis keine Herbstrallye gibt. Die alte Regel „niedrige Milchmenge, hoher Milchpreis“ stimmt somit nicht mehr.


Sie vermarkten Butter an den Lebensmittelhandel. Üblich sind Ein-, Zwei- oder Dreimonatskontrakte. Wie reagiert der Verbraucher auf die kurzfristigen Preisschwankungen?


Rücker: Bei moderaten Preiserhöhungen von zum Beispiel 1,59 auf 1,79 € pro Päckchen kauft er für etwa 10 bis 14 Tage etwas weniger ein, danach wieder wie vorher. Die Schallmauer für das Päckchen Butter ist aber 1,99 €. Was über 2 € kostet, dreht sich langsamer!


Ihr Schwerpunkt ist Käse. Wie ist die Marktlage hier?


Rücker: Käse ist unser strategisches Produkt. Die Preise sind weniger volatil, durch Spezialisierungen sind höhere Erlöse möglich und es gibt Differenzierungsmöglichkeiten.


In Wismar produzieren wir Gelbkäse. Der Absatz steigt sowohl im EU-Binnenmarkt als auch im Export. Zwar haben wir beispielsweise in den Niederlanden starke Wettbewerber, insgesamt blicke ich aber zuversichtlich in die Zukunft. Wobei es immer wieder temporäre Schwächephasen geben kann, zuletzt am Jahresanfang 2018.


In Aurich stellen wir Weißkäse her. Dieser Markt wächst. Auch, weil die Menschen weniger Fleisch und dafür Weißkäse essen. Zudem bieten wir vorgefertigte Lebensmittel, die die Verbraucher direkt verspeisen können, sogenannte Convinience-Produkte. Diese liegen im Trend.


Über 100 Lieferanten haben in Aurich auf GVO-frei umgestellt. Lässt sich auch damit die Wertschöpfung steigern?


Rücker: Das war Bedingung des deutschen Lebensmittelhandels, um gelistet zu bleiben. Den Landwirten zahlen wir einen Zuschlag von 1 ct/kg. Diesen bekommen wir nur zum Teil vom Markt wieder. Außerhalb Deutschlands ist GVO-freie Milch übrigens überhaupt kein Thema, abgesehen von Österreich.


In Aurich würde sich auch Weidemilch anbieten. Wollen Sie dort einstiegen?


Rücker: Weidemilch genießt ein hervorragendes Image und die Verbraucher sind zunehmend bereit, hierfür auch zu zahlen. Wir produzieren am Standort allerdings vorwiegend Hirtenkäse, dazu passt Weidemilch nicht. Aber wir haben andere Ideen.


Welche konkret?


Rücker: Das verrate ich noch nicht, nur so viel: Wir möchten die Aspekte GVO-frei, Weidemilch und Tierwohl nicht einzeln anschauen, sondern daraus ein Gesamtpaket schnüren. Es muss ehrlich, nachvollziehbar, transparent und kontrollbier sein. Diesen Mehrwert flaggen wir aus und sind überzeugt, dass der Verbraucher dafür auch mehr zahlt.


Glauben Sie, der Handel macht das mit?


Rücker: Eines sollten wir doch gelernt haben: Mit Molkereifusionen und vermeintlicher Macht kommen wir gegenüber dem Handel nicht weiter. Vielmehr sollten wir Partnerschaften und Kooperationen anstreben. Dann spürt der Handel auch, was er an uns Molkereien hat. Ich stelle mir das so vor: Der Handel will Alleinstellungsmerkmale und eine verlässliche Rohstoffversorgung. Dazu gibt es feste Vereinbarungen zu Liefermengen, Qualitäten usw. Wir wollen weniger Volatilität und weniger harte Preisbrüche nach Kontraktverhandlungen. Dazu könnten wir Preis-Gleit-Klauseln vereinbaren, in denen sich der Preis fortlaufend anpasst. Ich bin überzeugt, dass die Erzeuger so besser fahren würden. Diese Einsicht wächst in der Branche aber nur langsam.


Könnte eine Sektorstrategie Milch helfen, hier mehr Fahrt aufzunehmen?


Rücker: Wohl kaum. Die Idee, für die deutsche Milchbranche einheitliche Positionen zu formulieren, ist gut. Es kann aber nicht funktionieren, weil die regionalen Unterschiede und die Differenzierungen der Molkereien zu groß sind. Es gibt deshalb keine starke, einheitliche Meinung. Maximal ein wachsweicher Kompromiss, der am Ende niemandem hilft.


Das andere Diskussionsthema sind die Lieferbeziehungen. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner könnte den Artikel 148 ziehen und Vertragsinhalte vordiktieren. Was halten Sie davon?


Rücker: Gar nichts! Allerdings betrifft die Diskussion vor allem Genossenschaftsmolkereien. Sie fürchten zum Beispiel, dass durch kürzere Kündigungsfristen schneller Kapital aus den Unternehmen abfließt, wenn sie die Anteile an die Erzeuger zahlen müssen.


Wie sehen Ihre Verträge derzeit aus?


Rücker: Unsere Milchlieferverträge passen auf eineinhalb DIN A4-Seiten. Sie gelten meist für ein bis zwei Jahre mit einer Kündigungsfrist von drei bis sechs Monaten zum Jahresende. Festgehalten sind eine Planmenge sowie die Qualtitätskriterien…


… und ein „marktgerechter Milchpreis.“ Warum keine Festpreise, die sich zumindest einige große Milcherzeuger wünschen?


Rücker: Weil Milchpreise ein Jahr im Voraus einfach nicht praxistauglich sind.


Branchenvertreter halten dagegen und sagen, dass Sie sich die Preise an der Börse absichern können.


Rücker: Bei derzeit 32 ct/kg – da hat doch kein Lieferant Interesse! Außerdem haben wir das 2007 schon einmal probiert. Damals hatten wir 34 ct/kg erwartet, dann schossen die Preise auf über 40 ct/kg und wir haben die Idee schnell wieder beerdigt. Wir bleiben aber dran und suchen nach praxistauglichen Lösungen.


Kontakt: patrick.liste@topagrar.com

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