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Afrikanische Schweinepest: Es ist fünf vor zwölf!

Lesezeit: 9 Minuten

Die Gefahr, dass die Afrikanische Schweinepest nach Westeuropa eingeschleppt wird, ist nach wie vor riesig. Was wir aus den bisherigen Fällen im Baltikum lernen können, erläutert Dr. Klaus Depner vom Friedrich-Loeffler-Institut, Insel Riems.


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Die Lage ist ernst, sehr ernst! Auch wenn es anderthalb Jahre nach dem ersten Auftreten der Afrikanischen Schweinepest (ASP) im Baltikum gottlob noch keinen einzigen Ausbruch auf deutschem Boden gegeben hat, dürfen wir uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. Denn die äußerst gefährliche Seuche, gegen die es zurzeit noch keinen Impfstoff gibt und so bald auch nicht geben wird, ist keine 600 km mehr von Deutschland entfernt. Das ist nicht mehr als ein Katzensprung. Deshalb müssen wir wachsam bleiben!


Per Schiff aus Afrika:

Das ASP-Virus stammt ursprünglich aus dem subsaharischen Afrika. Dort ist es bei Warzenschweinen weit verbreitet und wird vor allem durch den Stich von Lederzecken übertragen. Die afrikanischen Warzenschweine haben sich mit dem Erreger aber weitgehend „arrangiert“. Sie leben mit ihm, ohne an der Infektion zu sterben. Darüber hinaus gibt es seit 1987 auch einen europäischen ASP-Herd auf Sardinien, wo das Virus sporadisch immer wieder mal auftaucht. Zum Problem für den Kaukasus und für Osteuropa wurde das Virus der Afrikanischen Schweinepest erst, als es 2007 in Georgien eingeschleppt wurde. Wahrscheinlich gelangte es mit einem aus Afrika kommenden Frachtschiff, das im Hafen von Poti am Schwarzen Meer anlegte, nach Georgien.


Der Müll des Schiffes, der auch Speisereste enthielt, wurde damals auf die örtliche Deponie verbracht. Vermutlich wurden die Speisereste dann von frei laufenden Kühen und Schweinen gefressen, und so nahm das Unglück seinen Lauf.


Zunächst starben rund um Poti nach und nach viele Hausschweine – überwiegend stammten sie aus kleinen Hinterhofhaltungen. Um zu retten, was noch zu retten war, schlachteten viele Besitzer schnell ihre Tiere. Rund um Poti konnte man deshalb preiswert Schweinefleisch kaufen. Das sprach sich schnell herum. Und in Windeseile war ganz Georgien mit der ASP infiziert. Von dort schwappte das Virus über die Landesgrenzen nach Armenien, Aserbaidschan und Tschetschenien.


Mensch ist Haupt-Überträger.

Auch bei der weiteren Verbreitung des Virus spielte der Mensch bzw. menschliches Fehlverhalten die entscheidende Rolle. Beispiel Armenien: Mit dem preiswerten, infizierten Fleisch wurde das Virus „im Kofferraum“ von Georgien ins Nachbarland Armenien getragen. Dabei ereigneten sich fast alle Ausbrüche entlang der Haupt­verkehrsstraßen, genauso wie in Georgien.


Der Mensch spielte aber auch beim sogenannten „Weihnachtsfall“ in Aserbaidschan die entscheidende Rolle. Hier wurde die ASP in einem christlichen Dorf entdeckt. Aserbaidschan ist ansonsten muslimisch geprägt. Die Recherche ergab, dass die Bewohner des Dorfes ihre Kinder zu einer christlichen Schule ins benachbarte, aber weit entfernte Georgien schicken. Zu Weihnachten wurden die Kinder dann nach Hause geholt. Auf dem Rückweg deckten sich viele Familien in Georgien mit billigem Schweinefleisch ein. Und mit dem Fleisch gelangte das Virus in das aserbaidschanische Dorf.


Militär streute das Virus.

Auch das russische Militär spielte bei der Verbreitung des Virus eine nicht unwesentliche Rolle. Tschetschenien war damals Krisengebiet und wurde von russischen Soldaten kontrolliert. Nach Tschetschenien tauchte das Virus plötzlich in einer mehrere tausend Kilometer entfernten Kaserne im russischen Sankt Petersburg auf. Es handelte sich um eine Kaserne, die mit den Soldaten in Tschetschenien in Verbindung stand.


Heut weiß man, dass das ASP-Virus häufiger in Schweinehaltungen von russischen Kasernen nachgewiesen wurde. Das legt die Vermutung nahe, dass an die Schweine Speiseabfälle aus den Armeekantinen verfüttert wurden.


Zunächst waren im Kaukasus nur Hausschweine betroffen. Die Besitzer entsorgten die Kadaver der Tiere jedoch häufiger im Wald. Und es kam wie es kommen musste: Einige Monate später waren dann in der Regel auch die ersten Wildschweine infiziert.


Mit infiziertem Schweinefleisch aus Russland gelangte das Virus schließlich auch nach Weißrussland. Auch hier spielte das Verfüttern von Speiseabfällen eine ganz entscheidende Rolle.


2014 erste europäische Fälle:

Am 24. Januar 2014 wurde dann der erste ASP-Ausbruch auf osteuropäischem Boden gemeldet. Das war in Litauen. Kurz danach wurde ein zweiter Pestfall bestätigt, ebenfalls in unmittelbarer Nähe zu Weißrussland. Wenig später dann der erste ASP-Fall in Polen, auch dieser in unmittelbarer Grenznähe zu Weißrussland.


Inzwischen reihen sich die bestätigten ASP-Fälle in Polen, Litauen, Lettland und Estland entlang der Grenze zu Weißrussland auf wie an einer Perlenschnur (siehe Übersicht). Davon losgelöst gibt es zusätzlich noch ein weiteres, separates Seuchengeschehen im Grenzgebiet zwischen Lettland und Estland.


Bei Hausschweinen konnte die Afrikanische Schweinepest im Baltikum und Polen bisher sehr effizient und erfolgreich bekämpft werden. Voraussetzung ist, dass man schnell reagiert. Bei Wildschweinen hingegen ist ein Ende des Seuchenzuges zurzeit noch lange nicht in Sicht. Bis zum 23. Juli 2015 wurden im Baltikum und in Polen 813 ASP-Fälle gemeldet, davon allein 767 positve Funde bei Wildschweinen.


Tod nach wenigen Tagen:

Der Virusstamm, der aktuell in der Russischen Föderation, im Baltikum und in Polen gefunden wird, ist hoch virulent. Die Inkubationszeit beträgt drei bis fünfzehn Tage. Das Virus löst bei Schweinen aller Altersgruppen eine akute Erkrankung aus (siehe Kasten).


Das Problem ist, dass sich die Krankheitssymptome der Klassischen und der Afrikanischen Schweinepest sehr äh-neln. Beide Erkrankungen lassen sich weder klinisch noch anatomisch-pathologisch voneinander unterscheiden. Sicherheit gibt erst eine Untersuchung im Labor. Dabei hat sich der direkte Erregernachweis per Real Time-PCR bewährt. Mit diesem Testverfahren sind in Deutschland inzwischen alle staatlichen Untersuchungslabore ausgerüstet.Ein Antikörpernachweis per ELISA macht nach derzeitigem Wissen bei der Afrikanischen Schweinepest keinen Sinn. Denn in der Regel sterben die infizierten Schweine, bevor sie Antikörper gegen den Erreger bilden können.


ASP breitet sich langsam aus.

An-hand der letzten ASP-Ausbrüche bei Hausschweinen in Lettland haben die Virologen sehr viel über das ASP-Virus und seine Ausbreitung gelernt. Es stimmt z. B. nicht, dass sich das Virus rasend schnell ausbreitet. Die russischen Veterinärbehörden hatten im letzten Jahr noch behauptet, dass die ASP jedes Jahr etwa 300 Kilometer gen Westen „marschiert“.


Das Gegenteil ist der Fall: Die ASP breitet sich extrem langsam aus. Das gilt für Wildschweine, weil kranke Eber und Bachen keine großen Strecken mehr zurücklegen. Sie ziehen sich eher ins Dickicht zurück, um dort in Ruhe zu sterben. Die langsame Ausbreitung gilt aber auch innerhalb von Hausschweinebeständen.


Dafür gibt es mehrere Gründe: Erstens scheiden infizierte Tiere das ASP-Virus erst im Finalstadium massenhaft aus, also kurz bevor sie verenden. Das ist bei der Klassischen Schweinepest anders. Hier können infizierte Tiere das Virus ausscheiden und unbemerkt verschleppen, auch wenn man ihnen äußerlich noch gar nichts ansieht und sie sehr aktiv sind.


Und zweitens wird das ASP-Virus nicht über die Luft oder von Schadnagern übertragen, sondern in erster Linie durch das Verfüttern von Speiseresten und durch direktem Kontakt bzw. den Austausch von Körperflüssigkeit. Be-sonders kritisch ist der Kontakt mit Blut. Deshalb sind alle Situationen, in denen die Schweine bluten können, extrem gefährlich. Dazu gehören Verletzungen und blutiger Durchfall ebenso wie Blutentnahmen oder Impfungen.


Diese langsame Ausbreitung macht Mut. Sie lässt hoffen, dass man das Virus bei frühem Erkennen und durch schnelles Einrichten von Sperrmaßnahmen sowie rigoroses Keulen der Problembetriebe zügig in den Griff be-kommt. Das gilt zumindest für Hausschweinebestände. In den baltischen Staaten und Polen ist dies gut gelungen.Anders sieht es aus, wenn die ASP in die Wildschweinepopulation gelangt, wie es im Baltikum und in Polen längst der Fall ist. Denn infizierte Wildschweine, die unter hohem Fieber leiden, ziehen sich zum Sterben zurück ins Dickicht. Ihre Kadaver findet man – wenn überhaupt – meist erst sehr spät. Und bis dahin können andere Wildschweine, Krähen oder Füchse das Virus längst verschleppt haben. Denn das ASP-Virus ist äußerst stabil. Es überlebt den Verwesungsprozess seines Wirtes noch bis zu drei Wochen! Darin besteht ein großer Unterschied zum Erreger der Klassischen Schweinepest.


Wachsam bleiben!

Das Risiko einer ASP-Einschleppung nach Westeuropa ist nach wie vor riesig. Die größte Gefahr geht von kontaminiertem Fleisch oder Fleischprodukten aus, die im Reisegepäck transportiert werden. Deshalb gilt es, wachsam zu bleiben!


Entscheidend ist, ASP-Ausbrüche so früh wie möglich zu erkennen, damit der Erreger möglichst im Keim erstickt werden kann. Aufgrund der ausgeprägten Symptome (siehe Kasten links) sollte das aber auch möglich sein.


Bei Erkrankungen mit nicht eindeutigen Symptomen sollten Schweinehalter immer auch an die ASP denken und von Ausschlussuntersuchungen regen Ge-brauch machen. Die Kosten dafür übernehmen oftmals die Tierseuchenkassen. In Niedersachsen wird inzwischen generell bei allen Laboruntersuchungen automatisch auch auf die Klassische und die Afrikanische Schweinepest untersucht. Das ist vorbildlich.


Landwirte, die selbst jagen, müssen zudem unbedingt auf die Stallhygiene achten. Hunde und Katzen haben im Schweinestall nichts zu suchen! Und nach der Jagd bzw. vor dem nächsten Stallbesuch muss unbedingt die komplette Kleidung gewechselt werden.


Besonders gefährlich ist Jagdtourismus in die gefährdeten, osteuropäischen Gebiete. Schweinehalter sollten sich dieses Vergnügen angesichts der derzeitigen Gefahrenlage am besten ganz verkneifen.


Wichtig ist, die Gefahr, dass das Virus über infiziertes Fleisch oder infizierte Wurstprodukte nach Westeuropa gelangt, zu reduzieren. Deshalb sollte jeder Landwirt, der Saison- oder Daueraushilfskräfte aus Osteuropa beschäftigt, das Thema mit seinen Mitarbeitern ansprechen und das Mitbringen von Wurst- und Fleischprodukten generell verbieten.


Eine akute Gefährdung geht auch von den Reisenden und den vielen osteuropäischen Lkw-Fahrern aus, die Deutschland passieren und auf einem der zahlreichen Rastplätze entlang der Autobahnen und Bundesstraßen rasten. Sie müssen durch entsprechende Warnschilder oder direkte Ansprache immer wieder auf die Gefahr einer ASP-Einschleppung durch achtlos weggeworfenen Proviant hingewiesen werden.


Wildschweine beproben:

Ganz entscheidend ist natürlich auch, dass die Wildschweinepopulation im Rahmen eines passiven Monitorings überwacht wird. Auch hier sollten wir von den Erfahrungen in Lettland profitieren. Denn das Monitoring dort hat gezeigt, dass sich das Virus bei den regulär geschossenen Wildschweinen kaum nachweisen lässt. In Lettland waren im Jahr 2014 von 2 800 im Seuchengebiet geschossenen Wildschweinen nur 40 ASP-positiv. Das entspricht einer Nachweisrate von gerade mal 1,4 %!


Sehr viel erfolgreicher war der Nachweis dagegen bei verendeten Wildschweinen, die man oftmals nur durch Zufall entdeckte. Von 245 im Jahr 2014 untersuchten Todfunden waren 177 Kadaver ASP-positiv! Und das ist auch logisch. Denn kranke, hoch fiebernde Wildschweine bewegen sich nicht mehr über große Strecken, sondern ziehen sich zum Sterben zurück.


Um das Infektionsgeschehen in einer Wildschweinepopulation beurteilen zu können, sollte man deshalb nicht primär die geschossenen Wildschweine untersuchen, sondern gezielt nach Kadavern Ausschau halten und diese beproben. Dabei reicht es, mit einem Q-Tipp eine Tupferprobe vom Kadaver zu entnehmen und das Wattestäbchen dann verschlossen in einem Glasröhrchen zur Untersuchung zu schicken.-lh-

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