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Das Comeback des Roggens

Lesezeit: 6 Minuten

Neue Roggensorten ohne das alte Mutterkorn-Risiko sind für die Schweinefütterung äußerst interessant. Über erste Versuchsergebnisse sprach top agrar mit Prof. Dr. Josef Kamphues von der Tierärztlichen Hochschule Hannover.


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Was macht Roggen wieder so interes-sant für die Schweinefütterung? Gibt es neue Erkenntnisse?


Kamphues: Allerdings! Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass Roggen mehr „Ballaststoffe“ enthält als Hafer. Bei der bisher gängigen Futtermittel-​analytik wie der Weender Analyse wird unter anderem die Rohfaser bestimmt. Wenn man die Kohlenhydrate jedoch stärker differenziert, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Dann enthält Roggen auch noch große Anteile an Polyfructanen und 7 bis 12% Arabinoxylane. In Summe kommt man dann auf mehr als 20% „Ballaststoffe“.


Warum sind diese Polyfructane undArabinoxylane so wichtig?


Kamphues: Für beide Kohlenhydratfraktionen besitzt der Organismus des Schweines keine Enzyme, kann sie also im Magen bzw. Dünndarm nicht spalten und absorbieren. Sie gelangen mehr oder weniger unverdaut in den Dickdarm und werden von den dort ansässigen Bakterien insbesondere zu Buttersäure fermentiert.


Was macht die Buttersäure für den Organismus des Schweines so wertvoll?


Kamphues: Butyrat bewirkt eine Vielzahl von positiven Effekten. Hier ist international in den letzten Jahren sehr viel Forschungsarbeit geleistet worden. Buttersäure ist zum Beispiel wichtig für die Ernährung der Darmschleimhaut. Zudem fördert sie die Ausreifung und Differenzierung der Darmzellen. Die Zellen leben länger und der natürliche Zelluntergang wird hinausgezögert.Doch Butyrat kann noch wesentlich mehr: Es reduziert vorhandene Entzündungen im Darm und stimuliert die Immunzellen. Die Bildung maternaler Antikörper soll angeregt werden, sodass die Ferkel über die Biestmilch noch besser vor Infektionen geschützt werden könnten.


Hat Buttersäure auch einen Einfluss auf Salmonelleninfektionen?


Kamphues: Ja, Buttersäure verfügt über eine bakteriostatische Wirkung, hemmt also die Vermehrung von Bakterien. Krankmachende Keime wie Salmonellen werden zurückgedrängt. Im Verdauungstrakt wirken die „besonderen Kohlenhydrate“ des Roggens also gleichzeitig wie ein Prä- und ein Probiotikum.


Welchen Effekt hat Butyrat auf die Intensität des Ebergeruchs?


Kamphues: Ebergeruch hat zwei wesentliche Ursachen, die Bildung von Skatol im Darm und die Bildung des Geschlechtshormons Androstenon im Hoden. Die Skatolbildung lässt sich stark über die Fütterung beeinflussen. Verfüttert man an Eber rohe Kartoffelstärke oder Inulin, wird die Skatolbildung deutlich reduziert. Hohe Inulingehalte findet man z.B. in Chicorée oder Artischocken. Auf der EuroTier in Hannover haben einige Firmen Futterzusätze mit Chicorée-, Artischocken- und Leinsamenextrakten angeboten.


Neuere Feldstudien haben jetzt gezeigt, dass es eventuell preiswerter geht durch das Verfüttern von Roggen. Denn die im Roggen enthaltenen Fructane sind ähnlich aufgebaut und haben daher eine vergleichbare Wirkung wie Inulin. Chicorée enthält z.B. 9% Inulin und Roggen 6% Fructane. Durch das Verfüttern von Roggen lässt sich damit direkt das Auftreten von Ebergeruch vermindern – und das wesentlich preiswerter als durch den Zusatz inulinhaltiger Pflanzenextrakte.


Aufgrund der Gefahr von Mutterkorn-Belastungen war der Einsatz von Roggen in der Schweinefütterung bisher begrenzt. Gibt es neue Sorten?


Kamphues: Ja, die Pflanzenzüchter haben neue Hybrid-Roggensorten entwickelt, bei denen das Mutterkorn-Risiko deutlich reduziert ist. Im Rahmen der „PollenPlus“-Technologie wurden in die neuen Hybridsorten Mutanten eingekreuzt, die eine hohe Pollenschüttung aufweisen. Und wenn man die Pollenschüttung um einen bestimmten Faktor erhöht, reduziert man dadurch in gleichem Maße die Anfälligkeit der Pflanze für Mutterkorn. Aus diesem Grund können wir die Mutterkorngefahr bei den neuen Hybridsorten getrost abhaken. Roggen wird für die Schweinefütterung „salonfähig“.


Können die teuren Rohfasermixe, die zurzeit in vielen Futtermischungen enthalten sind, problemlos gegen Roggen ausgetauscht werden?


Kamphues: Nein, ein kompletter Ersatz ist nicht möglich. Denn die „alte“ Rohfaser besitzt auch viele Eigenschaften, die der Roggen leider nicht liefern kann. Zum Beispiel bindet die „alte Rohfaser“ viel Wasser und schafft dadurch Masse bzw. Füllung. Das löst bei den Schweinen dann ein Sättigungsgefühl aus. Sättigung ist für das Wohlbefinden der Tiere eine Grundvoraussetzung. Die Polyfructane und Arabinoxylane aus dem Roggen wirken eher über die aus ihnen entstehenden Säuren, insbesondere die Buttersäure.


Kann man Roggen auch schon im Flatdeck verfüttern?


Kamphues: Wir haben Fütterungsversuche ab 18 kg Lebendgewicht durchgeführt. In den Rationen haben wir Weizen in verschiedenen Versuchsgruppen immer stärker durch Roggen ersetzt. Es gab Rationen, die nur Weizen enthielten, Rationen mit einem Drittel, zwei Drittel und drei Drittel Roggenanteil. Im extremsten Fall enthielt die Ration also gar keinen Weizen mehr.


Ergebnis: Weder bei der Verdaulichkeit des Futters (ad libitum-Fütterung)noch bei den Tageszunahmen gab es signifikante Unterschiede. Es trat auch kein Durchfall auf. Lediglich der Futteraufwand war bei Roggen etwas höher. Das war aber auch zu erwarten, da der Roggen mehr Ballaststoffe enthält.


Und wie sieht es mit Roggen im Sauenfutter aus?


Kamphues: Im Futter für laktierende Sauen kann man den Weizen problemlos durch Roggen ersetzen, wenn dieser kein Mutterkorn enthält. Er bringt genauso viel Energie mit wie Weizen. Im Futter für tragende Sauen kann man eventuell auch Roggen-Nachprodukte verwenden wie z.B. Roggen-​DDGS (Distillers Dried Grains with Solubles), die bei der Herstellung von Bioethanol anfallen oder Roggen-Trockenschlempe. Diese Produkte enthalten die gewünschten Ballaststoffe in höherer Konzentration, ohne die Sauen mit Energie überzuversorgen. Die Untersuchungen dazu sind aber noch nicht abgeschlossen.


Aufgrund der Düngeverordnung wird zurzeit viel über die Nährstoffverdaulichkeit diskutiert. Wie gut ist die Phosphorverdaulichkeit des Roggens?


Kamphues: Die Phosphorverdaulichkeit ist sehr gut, wie die bisherigen Untersuchungen zeigen. Roggen ist das Getreide mit der höchsten korneigenen Phytaseaktivität. Wenn wir den Roggen fermentiert an die Schweine geben, ist die Phosphorverdaulichkeit fast so hoch wie bei mineralischem Phosphor. In den Rationen kommen wir daher höchst wahrscheinlich sogar ganz ohne den Zusatz von Phytase aus.


Lassen sich die positiven Eigenschaften des Roggens auch auf die Triticale übertragen?


Kamphues: Triticale ist ein Kreuzungsprodukt aus Gerste und Roggen. Daher verfügt sie über Eigenschaften beider Ausgangsgetreidearten. Leider lassen sich die positiven Eigenschaften des Roggens aber nicht einmal zur Hälfte auf die Triticale übertragen, wie Untersuchungen zeigen. Zudem wird die „PollenPlus“-Technologie von der Pflanzenzüchtung meines Wissens bislang auch noch nicht bei Triticale angewendet. Daher besteht hier immer noch die Gefahr, dass das Kreuzungsprodukt stärker mit Mutterkorn belastet ist. Und da Triticale ohnehin länger offen abblüht, ist die Gefahr einer Infektion mit Pilzsporen hier besonders stark ausgeprägt.


Kontakt:


henning.lehnert@topagrar.com

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