Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

Der PRRS-Totimpfstoff ist nicht tot!

Lesezeit: 5 Minuten

Bislang sah es so aus, als gäbe es für den PRRS-Totimpfstoff nur noch wenig Bedarf. Doch in Betrieben mit hohem PRRS-Druck kann die Tot- die Lebendvakzine wirkungsvoll ergänzen, wie unser Praxisfall zeigt.


Das Wichtigste zum Thema Schwein mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Vor exakt 28 Jahren berichtete top agrar in seiner Januarausgabe 1991 zum ersten Mal über eine Sau im Münsterland mit blaurot-verfärbten Ohren. Die neue Erkrankung, die nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika bald Furore machen sollte, bekam den Namen PRRS (Porcine reproductive and respiratory syndrome).


Bis heute hat die PRRS nicht an Schrecken verloren. Weltweit verursacht sie noch immer große Probleme, obwohl es inzwischen eine ganze Reihe hoch wirksamer Lebendimpfstoffe gibt. Denn das Virus kann mehrere Kilometer über die Luft übertragen werden. Und es ist enorm wandlungsfähig. Das macht seine Bekämpfung so schwierig, vor allem in Regionen mit hoher Schweinedichte.


Regional hoher PRRS-Druck:

Diese Erfahrung musste auch Ferkelerzeuger und Mäster Ludwig Hölscher aus Visbek im niedersächsischen Landkreis Vechta machen. Der Landwirt bewirtschaftete dort bis vor kurzem einen geschlossenen Betrieb mit 200 Sauen und 2000 Mastplätzen. Inzwischen stockt er die Sauenherde aufgrund der politischen Unsicherheit und der ungeklärten Hofnachfolge jedoch ab und will sich ganz auf die Mast konzentrieren.


Das Problem: Im Umkreis von 400 Metern rund um den Hof befinden sich vier weitere Sauenhalter. Dementsprechend hoch ist der PRRS-Druck in der Region. Wellenartig flammt das PRRS-Geschehen immer wieder auf. Gerade im letzten Jahr gab es viele neue Ausbrüche. Dabei konnte mehrfach auch das neue, aggressive Acro-Virus nachgewiesen werden. Aborte und Umrauscherzahlen stiegen plötzlich an. In der Aufzucht wuchsen die Gruppen auseinander, die Tiere kümmerten und die Verluste explodierten. Bei den Fällen, bei denen das Acro-Virus beteiligt war, reichten die Probleme sogar bis in die Mast.


Probleme im Flatdeck:

Um das Virus unter Kontrolle zu behalten, impfte Hölscher seine Sauen bereits seit Jahren drei bis viermal im Jahr im Rahmen einer Bestandsimpfung mit einer PRRS-Lebendvakzine. In der Ferkelerzeugung gab es daher bisher auch wenig Probleme. Die Sauenherde lief stabil.


Doch in der Aufzucht stellten sich vor gut einem Jahr plötzlich ernsthafte Probleme ein. Die Ferkel wuchsen auseinander, die Verluste stiegen auf gut 8%, und es traten mehr Streptokokkenprobleme auf. Etliche Tiere husteten und phasenweise traten auch vermehrt Schwanzbei-ßer sowie Ohrrandnekrosen auf.


Gemeinsam mit seinem Tierarzt, Jürgen Ellert von der Tierärztlichen Gemeinschaftspraxis WEK in Visbek, zog Hölscher daraufhin im Flatdeck Blutproben und ließ sie im Labor untersuchen. Der Befund wies auf eine hohe PRRS-Viruslast im Flatdeck hin sowie auf ein erhöhtes Vorkommen von Streptococcus suis und Haemophilus parasuis (Glässer).


„Um die Probleme in der Aufzucht in den Griff zu bekommen, mussten wir die Aufzuchtferkel zwei- bis dreimal antibiotisch behandeln“, erinnert sich Hölscher. Langfristig konnte das jedoch keine Lösung sein. Deshalb schlug Ellert dem Landwirt vor, auch die Ferkel gegen PRRS zu impfen. Die Impfung erfolgte in der zweiten Lebenswoche.


Die erhoffte Wirkung blieb jedoch aus. Die Verluste blieben auf hohem Niveau, und die Gruppen wuchsen weiter auseinander. „Wahrscheinlich kam die Impfung zu spät. Aufgrund des hohen Erregerdrucks hatten die Ferkel schon vor der PRRS-Impfung Kontakt mit dem Feldvirus, sodass sich kein belastbarer Impfschutz aufbauen konnte“, vermutet Tierarzt Jürgen Ellert.


Prime-Boost-Impfung:

Aufgrund positiver Berichte aus Belgien und Ungarn entschied sich der Tierarzt nach Rücksprache mit dem Impfstoffhersteller daher zu einer zusätzlichen PRRS-Impfung der Sauen mit dem Totimpfstoff. Zusätzlich zur Bestandsimpfung mit der Lebendvakzine wurden die Sauen drei Wochen vor dem Abferkeltermin mit dem inaktivierten Impfstoff „geboostert“. Impfstoffhersteller Ceva spricht von der Prime-Boost-​Impfung.


„Ziel der Kombination aus PRRS-​Lebendimpfung (Primer) und der Boosterung des Immunsystems drei Wochen vor dem Abferkeln mit der PRRS-Totvakzine ist es, in Betrieben mit hohem Erregerdruck PRRS-Virus-freie Ferkel zu gebären, die anschließend erfolgreich gegen PRRS geimpft werden und eine ausreichende aktive Immunität aufbauen können“, erläutert Tierarzt Ellert das Impfkonzept. Im vorliegenden Fall blieben die Ferkel nachweislich mehrere Wochen PRRS-Feldvirus-frei.


Der Erfolg stellte sich unerwartet schnell ein. „Die Ferkel zeigten nicht mehr den sonst üblichen Leistungseinbruch eine Woche nach dem Absetzen. Sie wirkten einfach vitaler und stabiler“, fasst Ludwig Hölscher seine Erfahrungen mit der zusätzlichen Boosterimpfung zusammen.


Individuelle Lösungen finden:

Die zusätzliche Impfung mit dem Totimpfstoff wurde im Betrieb Hölscher deshalb fest ins Impfprogramm integriert. „Bei einem Abferkeldurchgang überschnitten sich die Termine für die Bestandsimpfung mit dem Lebendimpfstoff und die Boosterung mit der Totvakzine. Deshalb habe ich bei diesem Durchgang auf die zusätzliche Impfung drei Wochen vor dem Abferkeln verzichtet. Prompt gab es wieder Probleme“, berichtet Landwirt Hölscher.


„Auch 28 Jahre nach dem Entdecken des PRRS-Virus gibt es noch immer kein Impf-Patentrezept, das in allen Betrieben und über Jahre hinweg sicher funktioniert. Deshalb müssen wir bereit sein, häufiger neue Wege zu gehen“, ist Ellert überzeugt. Und dazu gehört seiner Ansicht auch die zusätzliche Impfung mit dem Totimpfstoff, den viele Berufskollegen angesichts der Vielzahl von PRRS-Lebendvakzinen gar nicht mehr „auf dem Schirm“ haben.


Denkbar wäre der Einsatz des Totimpfstoffs seiner Meinung nach auch bei einem akuten PRRS-Ausbruch in Impfbetrieben. „Wenn wir hier die Sauen drei Wochen vor dem Abferkeln zusätzlich mit der inaktivierten Vakzine boostern, könnte es gelingen, schnell wieder PRRSV-freie Ferkel zu produzieren“, vermutet Tierarzt Ellert.


Kontakt:


henning.lehnert@topagrar.com

top agrar besser machen. Gemeinsam
Sie sind Schweinehalter oder lesen regelmäßig den top agrar Schweine-Teil und/oder die SUS? Dann nehmen Sie an einem kurzen Nutzerinterview teil.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.