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Endlich Farbe bekennen!

Lesezeit: 6 Minuten

Schlachtunternehmen und LEH müssen endlich klipp und klar sagen, welche Kastrations-Alternative sich zu welchen Konditionen vermarkten lässt, fordert Tierarzt Dr. Andreas Palzer aus Scheidegg.


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Die Zeit verrinnt. Bis zum Ende der Fristverlängerung für die betäubungslose Ferkelkastration bleiben nur noch 19 Monate. Welcher Kastrationsalternative geben Sie den Vorzug?


Palzer: Es gibt derzeit vier rechtlich machbare und akzeptable Alternativen: Die Ebermast, die Impfung gegen Ebergeruch, die Injektions- und die Isoflurannarkose. Alle Verfahren sind praktikabel – wie gut, das kommt auf den einzelnen Betrieb und die Umsetzung vor Ort an. Ich bin mir aber sicher, dass sich alle auftretenden Probleme gemeinsam mit den Tierhaltern lösen lassen. Allerdings bleibt dazu nur noch wenig Zeit. Deshalb müssen wir uns jetzt darauf konzentrieren, diese möglichen Alternativen auch ans Laufen zu bekommen.


Stichwort Ebermast. Ihre Kunden kommen hauptsächlich aus Süddeutschland. Ist für diese Betriebe die Ebermast noch immer ein rotes Tuch?


Palzer: Zu meinen Kunden gehören auch Betriebe, die an einem speziellen Ebermast-Programm teilnehmen. Die mästen seit Jahren problemlos Eber. Natürlich gibt es da einige Punkte, die wir erst lernen mussten. Das Sortieren muss man beispielsweise neu durchdenken und auch den richtigen Schlachttermin. Aber das ist alles machbar. Ob die Ebermast auch für die breite Masse der Betriebe taugt, muss sich erst noch zeigen. Entscheidend ist, dass die Vermarktungsfrage endlich geklärt wird, damit wir auch in der Breite Erfahrungen sammeln können.


Aggressivität, Unruhe und Penisbeißen: Können Sie die typischen Vorbehalte gegen die Ebermast bestätigen?


Palzer: Während der Umstellung und auch danach kann es in einigen Betrieben Probleme geben. Das gilt für die Impfung gegen Ebergeruch genauso. Denn bis zur zweiten Impfung sind die Tiere ganz normale Eber und verhalten sich auch so. Wer das berücksichtigt, kann mit der Ebermast meiner Meinung nach gut zurechtkommen.


Bleiben wir bei der Impfung mit Improvac. Das Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit gibt diesem Verfahren den Vorzug. Teilen Sie die Ansicht?


Palzer: Ich gebe den Forschern des FLI recht: Bei der Impfung gegen Ebergeruch handelt es sich um ein wissenschaftlich fundiertes und praktikables Verfahren. Unklar ist bislang aber, wie der Verbraucher auf die Impfung reagiert. Ich bin überzeugt, dass man den Kunden durch eine gute Aufklärungskampagne die Ängste nehmen kann. Das Thema besitzt zwar das Potenzial für negative Schlagzeilen, kann medial aber auch im Sinne des Tierschutzes gespielt werden.


In der Schweiz ist die Impfung gegen Ebergeruch schon seit 2007 zugelassen. Wie kommt das Verfahren dort bei den Landwirten an?


Palzer: Da unsere Praxis unweit der Grenze liegt, haben wir auch zahlreiche Kontakte in die Schweiz. Von dort höre ich, dass die großen Supermarktketten den Verkauf von Fleisch Improvac-geimpfter Schweine ablehnen. Vermutlich fürchten sie eine mediale Negativ-Kampagne. Sie befürworten stattdessen die Isofluran-Narkose.


Verfügen Sie über eigene Erfah-rungen mit der Isofluran-Betäubung zur Ferkelkastration?


Palzer: Ja, einige meiner Sauenhalter nehmen schon länger an speziellen Vermarktungsprogrammen mit Kastration unter Isofluran-Betäubung teil. Dabei zeigte sich, dass es noch Verbesserungspotenzial bei den Narkosegeräten gibt. Bei kleinen Ferkeln schließen die Narkosemasken zum Beispiel nicht gut ab. Das lässt sich alles lösen. Ich frage mich jedoch, ob sich das Verfahren langfristig trägt.


Kritiker sind skeptisch, ob das Narkosegas wirklich den Schmerz ausschaltet oder nur die Wahrnehmung. Was sagen Sie als Praktiker dazu?


Palzer: Die Frage ist für mich rein akademischer Natur. Worauf es doch ankommt, ist, dass das Tier während der Kastration keine Schmerzen hat. Und das ist gegeben.


Bislang durften nur Tierärzte Isofluran anwenden. Das will das BMEL ändern. Was halten Sie davon?


Palzer: Als Praktiker, der jeden Tag mit Ferkelerzeugern arbeitet, kann ich mir eine Anwendung durch den Landwirt unter bestimmten Voraussetzungen vielleicht gerade noch vorstellen. Die Idee, Betäubungsmittel an Laien abzugeben, ist jedoch etwas, was die tierärztlichen Verbände geschlossen ablehnen müssen. Für uns wäre das ein Dammbruch, ein Präzedenzfall. Aber interessiert das die Politik? Die Verordnung ist ja schon auf dem Weg.


Scheitert die Betäubung durch Tierärzte nicht auch am Personalmangel?


Palzer: Natürlich sehe ich auch die wirtschaftlichen Zwänge. Wo soll die Tierärzteschaft zum Beispiel kurzfristig das ganze Personal hernehmen, um die Betäubungen durchzuführen? Auf dem Land haben wir ohnehin große Nachwuchssorgen. Außerdem: Wer studiert denn jahrelang, um dann den ganzen Tag lang männliche Ferkel zu betäuben und zu kastrieren?


Ihre Praxis hat schon zwei zusätzliche Tierärzte eingestellt. Warum?


Palzer: Wir wollen einfach vorbereitet sein. Es gibt ja auch noch die Injektionsnarkose per Spritze durch den Tierarzt als weiteren anerkannten Weg.


Wie stehen Sie zur Lokalanästhesie, dem „Vierten Weg“?


Palzer: Rein medizinisch betrachtet glaube ich, dass die Methode mit modernen Wirkstoffen funktionieren kann. Die Lokalanästhesie hat aber ein grundsätzliches Problem: Bislang fehlt uns der abschließdend notwendige wissenschaftliche Beweis, dass die lokale Betäubung auch wirklich den Schmerz ausschaltet, wie es das Tierschutzgesetz fordert.


Eine weitere Hürde bringt das Arzneimittelrecht. Wir brauchen neue, wirksamere Lokalanästhetika. Sie befinden sich zwar im Zulassungsprozess, so etwas braucht jedoch Zeit und ist in den 19 Monaten vermutlich nicht mehr zu schaffen.


Wir können es uns nicht leisten, einfach bis 2020 zu warten, ob bis dahin ein neuer, potenter Wirkstoff zur Verfügung steht. Wir brauchen jetzt rechtskonforme, wissenschaftlich fundierte und anerkannte Verfahren, mit denen wir arbeiten können.


Was muss jetzt geschehen?


Palzer: Die nachgelagerte Wirtschaft, die Schlachtbranche und der Lebensmitteleinzelhandel, müssen endlich Farbe bekennen und zusichern, dass sie die bei den jeweiligen Verfahren erzeugten Tiere zu verlässlichen Konditionen abnehmen. Die Frage ist, welches Verfahren sich letztlich vermarkten lässt? Wir müssen jetzt wissen, was die großen Schlachtbetriebe akzptieren werden, was nicht und warum nicht. Mir und den Landwirten fehlen dazu logische Erklärungen.


Im Moment hängen die Ferkelerzeuger und Mäster total in der Luft. Aus meiner Sicht sind es nicht die Landwirte, die etwas blockieren – auch wenn man diesen Vorwurf immer wieder hört. Die Landwirte sind hier nur das schwächste Glied in der Kette. Und die Gefahr, dass sie das ganze Thema am Ende ausbaden müssen, ist größer denn je.


henning.lehnert@topagrar.com


henning.lehnert@topagrar.com


Das Original-Interview ist in„Zum Hofe“ erschienen, einemMagazin der QS Qualität undSicherheit GmbH für Tierärzte.

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