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Frischlinge schießen, wann immer es geht

Lesezeit: 8 Minuten

Um die Pestgefahr zu reduzieren, müssen die Wildschweinebestände deutlich reduziert werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Jagd auf Frischlinge. Denn sie sind der Motor der Schwarzwildvermehrung, argumentiert Berufsjäger Peter Markett.


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Die hiesigen Schwarzwildbestände sind in den letzten Jahren regelrecht explodiert. Woran liegt das?


Markett: Das hat mehrere Ursachen. Erstens finden die Wildschweine eine hervorragende Futtergrundlage. Das gilt für Eicheln und Bucheckern im Wald, vor allem aber für den zunehmenden Maisanbau. Denn Mais ist sehr energiereich. Die gute Futtergrundlage wirkt sich positiv auf die Fruchtbarkeit aus. Die Wildschweine erreichen früher die Geschlechtsreife. Die Vermehrungsrate liegt daher inzwischen bei 300%.


Zweitens überleben mehr Frischlinge, denn die Winter sind aufgrund des Klimawandels deutlich milder geworden. Und drittens wird die Bejagung immer schwieriger, da die Wildschweine ganzjährig Deckung finden. Von Mai bis August können sie sich in die Maisschläge zurückziehen. Und im Herbst/Winter bieten ihnen die Zwischenfrüchte auf den Greeningflächen hervorragende Deckung.


Freut sich nicht sogar mancher Jagdpächter, mit den Schwarzkitteln eine neue Wildart im Revier zu haben?


Markett: Wir beobachten seit Jahren, dass die klassischen Niederwildarten, also Hase und Fasan, rückläufig sind. In die Niederwildgebiete wandern jetzt zunehmend Wildschweine ein. Einigen Jagdpächtern, die hohe Pachten zahlen müssen, ist die neue Wildart daher sehr willkommen. Teilweise wird auch noch mit Futter gekirrt (angelockt), was die Wildwscheine dann im jeweiligen Revier hält.


Vor dieser „Willkommenskultur“ für Schwarzkittel in Niederwildgebieten kann ich jedoch nur warnen, denn sie ist für die Hausschweinebestände brandgefährlich. Die Geister, die man rief, wird man beim Schwarzwild nur schwer wieder los. Denn wenn eine Bache in einem Revier erst einmal gefrischt hat, bleiben sie und ihre Rotte dem Standort lange treu. Deshalb muss es das Ziel der Jäger sein, dem Anstieg des Wildschweinebestandes mit angepassten Jagdmethoden entgegenzuwirken.


Stichwort angepasste Jagdmethoden: Warum müssen vor allem Frischlinge intensiv bejagt werden?


Markett: Wir beobachten, dass die Wildschweine immer früher geschlechtsreif werden. 80% der weiblichen Frischlinge bringen noch im Jahr ihrer eigenen Geburt selbst Nachwuchs zur Welt. Daher die hohe Reproduktionsrate von 300%. Frischlinge sind der Motor der Schwarzwildpopulation, und der tuckert nicht im Standgas, sondern läuft auf Hochtouren! Wenn wir den Scharzwildbestand effektiv regulieren wollen, müssen wir deshalb bei den kleinen Stücken ansetzen, also bei den Frischlingen.


Dazu eine Beispielrechnung: Wenn ich einen einzelnen Überläufer-Keiler erlege – was aus jagdlicher Sicht attraktiver ist, als einen Frischling zu schießen – reduziere ich die Population nur um dieses eine Tier. Schieße ich dagegen einen weiblichen Frischling, habe ich die Population nach vier Jahren um cirka 189 Stücke Schwarzwild vermindert! Die Jagd auf Frischlinge ist somit für eine nachhaltige Bestandsreduzierung viel effektiver.


Wie hoch sollte der Frischlingsanteil an der gesamten Jagdstrecke sein?


Markett: Schweizer Wissenschaftler haben dazu eine Beispielrechnung durchgeführt (siehe Grafik). Um den Schwarzwildbestand nachhaltig unter den Ursprungsbestand zu senken, muss der Frischlingsanteil an der gesamten Jagdstrecke 75 bis 80% betragen. Liegt er hingegen nur bei 40%, wie in der oberen Kurve dargestellt, wird sich die Population explosionsartig vermehren. Und selbst bei einem Frischlingsanteil von 60% steigt der Bestand an Wildschweinen noch weiter an.


Von der Politik wird zurzeit das rigorose Vorgehen der tschechischen Behörden bei der Wildschweinebekämpfung gelobt. Könnte das für uns ein Vorbild sein?


Markett: In Tschechien wird zurzeit mit Scharfschützen, Nachtzielgeräten und Wärmebildkameras von Hubschraubern aus gearbeitet. Ziel ist, das Gefährdungsgebiet rund um den Fundort jedes ASP-infizierten Tieres komplett wildschweinefrei zu machen. Dieses Vorgehen ist in „Kriegszeiten“ vielleicht angebracht, also im Falle eines ASP-Ausbruchs. Denn Ziel ist es, die Handelsbeschränkungen für Hausschweine bzw. deren Fleisch schnell wieder vom Tisch zu bekommen.


In Deutschland befinden wir uns gottlob noch in „Friedenszeiten“. Um das Übertragungsrisiko zu vermindern, müssen wir den Wildschweinebestand deutlich reduzieren. Und das wollen wir jagdhandwerklich lösen. Wir haben jedoch nicht viel Zeit. Deshalb sollten Jäger und Landwirte unbedingt Hand in Hand arbeiten, sonst läuft die Situation aus dem Ruder!


Ist unter diesem Aspekt eine Schonzeit für Überläufer noch zeitgemäß? Sollte man nicht alle Wildschweine ganzjährig freigeben?


Markett: In Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern haben wir die ganzjährige Freigabe für Wildschweine – bis auf frischlingsführende Bachen. Wenn das effektiv wäre, müssten diese beiden Länder in puncto Wildschweinebesatz inzwischen bestens dastehen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Beide Bundesländer können sich vor Schwarzkitteln nicht retten.


Das lässt sich wildbiologisch erklären. Denn bei ganzjähriger Bejagung werden vor allem die älteren Stücke erlegt, unter anderem die Überläuferkeiler, die von der Bache verstoßen werden, weil sie bereits neue Frischlinge führt. Durch das Wegschießen einzelner, älterer Stücke lässt sich jedoch kein nachhaltiger Effekt erzielen. Im Gegenteil: Das führt dazu, dass sich die Population verjüngt und dadurch noch stärker vermehrt.


Sie plädieren für revierübergreifende Bewegungsjagden. Warum?


Markett: In vielen Schwarzwildrevieren wird häufig die sogenannte Kirrjagd favorisiert, d.h. das gezielte Anfüttern mit kleinen Futtermengen und dann der Abschuss einzelner Tiere. Pro Mond- und Ansitzphase erlegt man jedoch meistens nur ein Stück pro Kirrung. Die Kirrjagd ist daher zu uneffektiv, wenn es darum geht, den Wildschweinebesatz deutlich zu reduzieren.


Das Gleiche gilt für Drückjagden, die nur in einem Revier durchgeführt werden. Denn die durchschnittliche Reviergröße beträgt nur 300 ha. Und wenn die Schwarzkittel in einem Revier bejagt werden, flüchten sie sich einfach ins benachbarte Revier, wo sie Ruhe haben.


Deshalb ist es sinnvoller, revierübergreifend zu jagen. Zunächst legt man dazu auf der Karte ein größeres Jagdgebiet fest. Dabei orientiert man sich u.a.an natürlichen Grenzen. Innerhalb des Jagdgebietes sollten sich möglichst alle Reviere an der Jagd beteiligen.


Während der festgelegten Jagdzeit herrscht dann in allen Revieren gleichzeitig Treiber- und Hundebewegung. Das ist wichtig, damit das Wild am Jagdtag in Bewegung bleibt und durch die Reviere zieht. Denn dadurch wird es mehrfach den Schützen vorgeführt, die man zuvor an den strategisch wichtigsten Punkten auf mobilen Hochsitzen positioniert hat. Auf diese Weise kann man in kürzester Zeit sehr gute Abschussergebnisse erzielen.


Warum gibt es bislang zu wenig revierübergreifende Drückjagden?


Markett: Die Jagdmethode ist nicht schwierig. Sie verlangt nur eine sorgfältige Vor- und Nachbereitung sowie Disziplin. Bislang scheitern revierübergreifende Jagden jedoch häufig an mangelnder Absprache. Jeder Pächter bewirtschaftet sein Revier, sodass ein gewisser „Revier-Egoismus“ herrscht. Doch den müssen wir überwinden. In den letzten Jahren hat sich zwar schon Einiges verbessert. Es dauert jedoch zu lange, denn wir haben nicht viel Zeit.


Wenn wir den Wildschweinedruck jagdhandwerklich reduzieren wollen, müssen nicht nur Jäger und Landwirte intensiver zusammenarbeiten, sondern auch die Straßenverkehrsbehörden mitziehen. Denn an den Jagdtagen müssen Warnschilder für die Autofahrer aufgestellt und bei Bedarf sogar Straßen gesperrt werden. Hier ist die Unterstützung der Behörden wichtig.


Wie können die Landwirte die Arbeit der Jäger unterstützen?


Markett: Wildschweine sind intelligent und lernen schnell. Bei uns im Davert-Hochwildring haben sie zum Beispiel erkannt, dass sie im Wald nicht mehr sicher vor der Bejagung durch den Menschen sind. Deshalb ziehen sie sich im Herbst bzw. Winter zunehmend in die Zwischenfruchtbestände zurück, die ihnen eine hervorragende Deckung bieten.


Hier können uns die Landwirte unterstützen. Es wäre für die Jäger eine große Hilfe, wenn die Landwirte Zwischenfruchtbestände, die jagdstrategisch zwischen zwei Waldgebieten liegen, rechtzeitig vor Beginn der Jagdsaison niederwalzen. Das würde die Sicht verbessern und wäre Greening-konform, wie mir die Landwirtschaftskammer NRW bestätigt hat.


Alternativ können auch Schneisen in die Zwischenfurcht gemulcht werden. Auch das ist zulässig, wenn nicht zu tief gearbeitet wird. Der Aufwuchs sollte etwa knöchelhoch stehen bleiben.


Auch im Mais werden Bejagungsschneisen gefordert. Doch wer kommt für den Ertragsausfall der Landwirte auf?


Markett: Jagdschneisen im Mais sind enorm wichtig. Denn sonst sind uns Jägern von Mai bis September in maisreichen Regionen die Hände gebunden. Die Schneisen sollten bereits beim Legen der Maiskörner angelegt werden.


Der Ertragsausfall für die Landwirte lässt sich zumindest in NRW einschränken, wenn die Jagdschneisen von vornherein als Blühstreifen angelegt werden. Dann stehen dem Landwirt Ausgleichszahlungen in Höhe von 1200 € pro Hektar zu. Welche Regelungen in anderen Bundesländern für Blühstreifenprogramme gelten, sollte man jedoch vorab mit den zuständigen Behörden klären.


In NRW müssen die Blühstreifen mindestens sechs und dürfen maximal zwölf Meter breit sein. Zu breite Jagdschneisen werden vom Wild jedoch aus Sicherheitsgründen gemieden. Deshalb haben sich neun Meter breite Jagdschneisen als guter Kompromiss bewährt. Das entspricht in der Regel drei Geräte-Arbeitsbreiten.


Damit die Bejagungsschneisen funktionieren, müssen sie ab Anfang August knöchelhoch gemulcht werden. Das ist rechtlich möglich. Durch das Mulchen entwickelt sich ein aktives Bodenleben, das den Wildscheinen den nötigen Eiweißausgleich bietet. Denn der Mais ist zu dieser Jahreszeit sehr energiereich, sodass die Wildschweine einen Proteinausgleich benötigen, den sie beim Besuch der Wildschneise decken.


Henning Lehnert

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