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Gefährden Tierwohllabel das Biofleisch?

Lesezeit: 7 Minuten

Die konventionelle Produktion rückt über die Tierwohllabel näher an die Bioschiene heran. Das könnte zum Problem für Biofleischerzeuger werden, meint Peter Spandau von der LWK NRW.


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Machen wir uns nichts vor: Die Situation für die konventionell produzierenden Schweinehalter ist schwierig. Wie Übersicht 1 zeigt, sinkt der Verzehr von Schweinefleisch seit Jahren. Mittlerweile isst jeder Verbraucher weniger als 36 kg pro Jahr. Parallel dazu stieg die Produktion stark an, der Selbstversorgungsgrad kletterte in den letzten Jahren peu à peu auf über 120%. Die Fleischbranche muss deshalb heute erhebliche Mengen im Ausland verkaufen. Leider ist der Export schon lange kein Selbstläufer mehr, die Konkurrenz ist groß, und viele Importländer können sich ihre Lieferanten mittlerweile aussuchen.


Alle Faktoren zusammengenommen üben massiven Druck auf die Erzeugerpreise in Deutschland aus. Viele Betriebsleiter haben zwar versucht, die Produktionskosten über zusätzliche Wachstumsschritte zu senken, der Erfolg war aber in vielen Fällen eher mäßig. In der Regel führten die Wachstumsschritte zwar dazu, dass sich das Einkommen der Betriebsleiterfamilie stabilisierte, eine nennenswerte Vermögensbildung haben aber nur die wenigsten Schweinehalter erreicht.


LEH fordert mehr Tierwohl


In den nächsten Jahren warten zusätzliche Herausforderungen auf die Veredlungsbetriebe. Zwei Punkte sind besonders zu nennen:


  • Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden weiter verschärft. Die Schweinehalter müssen zum Beispiel mit einer Einschränkung steuerlicher Vorteile und steigenden Hürden bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) rechnen. Auch bei der Novellierung der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) drohen Verschärfungen. Änderungen im Tierschutzgesetz und in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung tun ihr Übriges.
  • Die gesellschaftlichen Ansprüche stei-gen. Die Bevölkerung verlangt von den Bauern mehr Tierwohl und größere Anstrengungen beim Thema Klimaschutz. Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) greift diese Themen immer öfter auf und stellt entsprechende Forderungen an die Landwirte. Auch der Gesetzgeber arbeitet an Verschärfungen.


Inzwischen dürfte allen Beteiligten klar sein, dass sich die Tierhaltung in Zukunft weiter in Richtung von Produktionsverfahren verändern wird, mit denen biologisch wirtschaftende Betriebe bereits heute arbeiten. Stichworte wie Außenklima, Stroh, Langschwanz usw. sind hier zu nennen.


Geht die Entwicklung möglicherweise sogar so weit, dass in Zukunft alle auf Bio umsteigen? Mit Sicherheit nicht, dafür fehlen die Voraussetzungen. Insbesondere die hohen Preise für Biofleisch verhindern, dass das Marktsegment aus der Nische wächst. Nur zum Vergleich: Während ein Kilogramm konventionelles Schweinefilet im Mittel zwischen 9 und 14 € kostet, muss der Kunde für das gleiche Stück Fleisch in Bioqualität 35 bis 40 € zahlen. Das können sich auch in Zukunft nur wenige Verbraucher leisten.


Gegen mehr Bio spricht auch, dass wir in Deutschland einen großen Bestand an konventionell gebauten Schweineställen haben, deren Restnutzungsdauer noch viele Jahre beträgt. Diese Ställe kann man nicht ohne Weiteres umbauen. Finanziell wäre das für viele Veredler nicht zu schultern, und genehmigungstechnisch sind die Hürden derzeit sehr hoch.


Stufenweise in Richtung Bio


Einig sind sich die Fachleute aber darin, dass die Labelproduktion in Zukunft eine größere Rolle spielen wird. Die Veredlung, so wie wir sie heute kennen, wird sich dabei sehr wahrscheinlich stufenweise der Bioerzeugung annähern und vor allem auf die Verbesserung der Haltungsverfahren abzielen. Mehr Qualität statt Quantität dürfte die Devise lauten.


Die ersten Erfahrungen liegen bereits vor. Aktuell gibt es eine ganze Reihe von Konzepten mit unterschiedlich vielen Labelstufen. Übersicht 2 zeigt das Beispiel Haltungskompass. Diesen haben mehrere Unternehmen des LEH ins Leben gerufen. Neben der konventionellen Haltung und der Bioerzeugung findet man in dem Konzept zwei weitere Stufen, die von den Anforderungen her genau zwischen Bio- und konventioneller Produktion liegen.


Beide Labelstufen setzen fast ausschließlich auf die Karte Tierwohl und bedienen sich dabei verschiedener Labelgeber. In der Stufe „verbesserte Haltung“ kann der Landwirt in der Regel weiter in seinen konventionellen, wärmegedämmten und zwangsbelüfteten Ställen produzieren. In diese Schiene passen unter anderem die Vorgaben der Initiative Tierwohl (ITW) und die Einstiegsstufe des Labels des Deutschen Tierschutzbundes.


Experten erwarten, dass sich der Großteil der Schweinehalter in den nächsten Jahren für die Verbesserung der Haltung in bestehenden Ställen entscheiden wird. Denn Maßnahmen wie ein größeres Flächenangebot, organisches Beschäftigungsmaterial, geringe Strohmengen usw. lassen sich in konventionell gebauten Schweineställen ohne größere Schwierigkeiten realisieren.


Wie beim staatlichen Tierwohllabel, bleibt auch beim Haltungskompass bislang offen, ob der Schweinehalter seinen zusätzlichen Aufwand von bis zu 20 Cent je kg Schlachtgewicht (SG) vergütet bekommt. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass das Besondere sehr schnell zum Standard wird. Die Leidtragenden könnten daher am Ende diejenigen sein, die nichts tun und an der konventionellen Produktion festhalten. In diesem Preissegment würden die Erlöse schnell unter Druck geraten.


Betrachtet man die Vorgaben der nächsten Stufe „Außenklima&Stroh“ wird schnell klar, dass die Produktion in den bisherigen Stallsystemen nicht mehr möglich wäre, da diese Stufe zum Teil offene Außenwände, Auslauf und den Einsatz von Stroh vorschreibt. Die Produktionskosten liegen im Vergleich zur konventionellen Stufe rund 1 € je kg SG höher.


Schafft der Markt für diese Stufe in Zukunft eine deutliche Preisdifferenzierung und kommt der höhere Preis am Ende auch beim Erzeuger an, dürfte die Bereitschaft der Landwirte steigen, in dieses Labelsegment zu investieren. Das geht natürlich nur, wenn der Gesetzgeber zuerst die bau- und emissionsrechtlichen Grundlagen dafür schafft. Zudem müssen die Abnehmer im Handel tätig werden. Sie müssen langfristige Abnahmeverträge zusichern. Denn was nützt es dem Landwirt, wenn seine Abnahmegarantie nur fünf Jahre beträgt, er die Investition aber auf 20 Jahre abschreiben muss.


Konkurrenz für Biofleisch


Die Produzenten von Bioschweinefleisch dürften die Tierwohldiskussionen mit gemischten Gefühlen beobachten. Relativ wenig Gefahr droht ihnen, solange konventionell wirtschaftende Schweinehalter auf Stufe II (verbesserte Haltung) umstellen. Das liegt daran, dass sich das Biofleisch weiterhin deutlich vom Tierwohlfleisch absetzt. Die Nachfrage nach Biofleisch dürfte sich dann wahrscheinlich genauso wie in der Vergangenheit entwickeln.


Gefährlich wird es für Bioschweinehalter allerdings, wenn es in Zukunft tatsächlich zu einer stärkeren Ökologisierung in der konventionellen Veredlung kommt, wenn also viele Betriebe eine höhere Labelstufe wie zum Beispiel „Außenklima & Stroh“ wählen. In diesem Fall öffnet sich für Verbraucher, die beim Fleischeinkauf den Fokus bewusst auf mehr Tierwohl legen und nicht den gesamtheitlichen Ansatz der Bioproduktion vor Augen haben, eine Alternative zum Biofleisch. Die vielfach erhoffte steigende Nachfrage nach Biofleisch könnte dadurch bereits ausgebremst werden, bevor der Boom überhaupt einsetzt.


Preisdruck durch Discounter


Eine weitere Gefahr für den Biomarkt stellen die Lebensmitteldiscounter dar. Sollte Biofleisch in den nächsten Jahren verstärkt über diesen Weg vermarktet werden, dürfte das vor allem die Erzeuger unter Druck setzen. Die Betriebe wären dann gezwungen, ihre Produktionskosten zu senken, da im Discount nach wie vor der Preis zählt. Umso weniger ist die Entscheidung von Bioland zur Kooperation mit dem Discounter Lidl zu verstehen.


Inwieweit Kostensenkungen überhaupt möglich sind, kann nur einzelbetrieblich analysiert werden. Fakt ist aber, dass die Produktion von Biofleisch nach wie vor teurer ist. Die Unterschiede bei Ferkeln sind in den Übersichten 3 und 4 zu sehen. Grob kann man sagen, dass ein Bioferkel in der Produktion mehr als doppelt so viel kostet wie ein konventionelles Ferkel.


marcus.arden@topagrar.com

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