In den Niederlanden ist die Zahl der gemästeten Jungeber rasant angestiegen. Wie viele Jungeber werden derzeit jede Woche produziert?
Backus: Momentan werden bei uns wöchentlich über 120 000 Jungeber gemästet. Der Großteil davon wird im Inland geschlachtet und verarbeitet.
Welchem Anteil an der Gesamtproduktion entspricht das?
Backus: Rund 50 % der männlichen Mastschweine werden mittlerweile als Jungeber gemästet! Zum Vergleich: In Deutschland und Dänemark sind es jeweils nur gut 5 %. Ich rechne aber fest damit, dass der Jungeberanteil in den nächsten Jahren in allen europäischen Ländern deutlich steigen wird, weil die Verbraucher Veränderungen verlangen. Eingriffe am Tier werden auf Dauer nicht mehr akzeptiert.
In Deutschland kann die relativ geringe Eberfleischmenge derzeit problemlos abgesetzt werden. Wie sieht die Situation in Holland aus?
Backus: Bislang hatten wir keine nennenswerten Absatzprobleme, da große Mengen des Eberfleisches nach Großbritannien exportiert werden. Und auch in Holland selbst reagieren die Verbraucher weniger sensibel auf das Thema als in vielen anderen europäischen Ländern. Doch allmählich wird die Luft dünner, wir müssen erkennen, dass der Markt für Jungeberfleisch derzeit nur begrenzt aufnahmefähig ist.
Woran liegt das?
Backus: Das Kernproblem ist nach wie vor, dass sich Teile des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) auf das Wagnis Eberfleisch noch nicht einlassen. Zu groß ist die Sorge, dass geruchsbelastete Ware in der Laden-theke landet. Gerade mittelständische Händler sind derzeit noch zurückhaltend. Sie glauben, dass die Qualitätskontrollen noch Lücken haben.
Sehen Sie ähnliche Probleme auf Deutschland zukommen?
Backus: Ja, denn der deutsche Verbraucher und der LEH reagieren nach wie vor sehr zurückhaltend beim Thema Eberfleisch. Das liegt vor allem an den vielen Diskussionen um die Geruchserkennung. Diese sind meiner Meinung nach aber unbegründet. Fakt ist: Die Geruchserkennung mit der menschlichen Nase funktioniert sicher, das zeigen tausende Geruchskontrollen jeden Tag.
Wird Holland das selbst gesteckte Ziel erreichen und bereits 2015 aus der betäubungslosen Kastration aussteigen?
Backus: Ich bin sicher, dass sich Eberfleisch am Markt durchsetzen wird. Allerdings werden wir in drei Jahren nicht auf 100 % Eberfleisch-Produktion umgestellt haben. Zuerst muss das Signal vom Handel kommen, dass man Eberfleisch sicher abnimmt. Bis dahin werden wir die Kastration unter Betäubung durchführen.
Gé Backus, Projektleiter der niederländischen Steuerungsgruppe für Eberfleisch.